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Fossile Energien Erreichen wir „Peak Oil“ jetzt wirklich?

Ölbohrinsel in der Nordsee bei Sonnenuntergang
Mittelplate, Deutschlands einzige Bohrinsel, liegt in der Nordsee. Aber mit mehr Wärmepumpen und E-Autos wird auch hierzulande in Zukunft weniger Öl gebraucht
© IMAGO / Olaf Döring
Die Internationale Energieagentur prognostiziert erstmals, dass der maximale Bedarf für fossile Brennstoffe vor 2030 erreicht wird. Dieser Annahme liegen vor allem drei globale Trends zugrunde – und sie ist eine gute Aussicht für das Klima

Der Gipfel der globalen Ölförderung, „Peak Oil“, kam in der Vergangenheit schon so oft in Sichtweite, dass man ihn mittlerweile berühmt-berüchtigt nennen kann. Die ersten Prognosen tauchten in den 1970er-Jahren auf, als die USA ihr vorläufiges Fördermaximum erreicht hatten, dann erneut mit dem Höchststand des Ölpreises zur Finanzkrise 2008, und zuletzt in den Jahren ab 2014, als der Ölpreis stark zurückging.

Tatsächlich wurde der Scheitelpunkt, der den Ölmarkt seinem Ende entgegenbringen soll, bisher aber nicht erreicht. Doch nun gibt die Internationale Energieagentur (IEA) eine neue Prognose ab: Noch in diesem Jahrzehnt soll es so weit sein. Diesmal wirklich?

In ihrem World Energy Outlook, das nächsten Monat erscheint, zeigt die IEA, dass das Allzeithoch nicht nur bei der Förderung von Erdöl vor 2030 erreicht werden könnte, sondern auch bei Erdgas und Kohle („Peak Gas“ und „Peak Coal“). „Das ist das erste Mal, dass in diesem Jahrzehnt eine Nachfragespitze für jeden Brennstoff sichtbar wird – früher als viele erwartet haben“, schreibt Fatih Birol, Vorsitzender der IEA, dazu in der „Financial Times“. Vergangenes Jahr wurde der Peak noch auf „um 2030“ geschätzt. Aber seitdem haben sich laut IEA mehrere Trends beschleunigt: emissionsarme Mobilität, Energieeffizienz und die Weiterentwicklung von Technologien.

An der Schwelle zum Wendepunkt

Diese Trends sind global, eine wichtige Rolle in der Entwicklung spielt aber vor allem China. Zum einen investiert das Land groß in Alternativen wie Solar-, Wind- und Atomenergie. Schon bald könnten sich erneuerbare Energien für den aktuell noch weltweit größten Kohleverbraucher mehr lohnen als Kohle. Zum anderen hat China früh auf Elektromobilität gesetzt, sowohl bei Pkws als auch bei Transportern. Der führende chinesische Ölraffineur Sinopec kündigte kürzlich an, dass China schon in diesem Jahr seinen Peak beim Kraftstoffbedarf erreichen werde – zwei Jahre früher als bisher angenommen. Das ist entscheidend, weil China in den vergangenen zwei Jahrzehnten der größte Treiber für raffinierte Ölprodukte wie Benzin und Diesel war. Für ein Unternehmen, dessen Geschäftsmodell genau darauf beruht, ist das eine klare Aussage.

Eindeutig ist auch die Ankündigung des IEA-Vorsitzenden Birol, die Welt stehe „an der Schwelle zu einem historischen Wendepunkt“. Christoph Weber, Inhaber des Lehrstuhls für Energiewirtschaft an der Universität Duisburg-Essen, hält die Prognose für plausibel. „Die Nachfrage nach fossilen Energieträgern wird abnehmen und daran muss sich das Angebot anpassen“, erklärt er gegenüber Capital. Ein Treiber sei natürlich der Klimaschutz, im Bereich Heizen gewinne man seit vielen Jahren immer mehr Abstand vom Öl und im Mobilitätssektor wachse die Nachfrage nach Elektrofahrzeugen.

Das Klima ist aber nicht nur Treiber der Wende, sondern auch größter Profiteur, wenn die fossilen Brennstoffe ihre Peaks erreichen. Denn die IEA rechnet damit, dass auch die Spitze der globalen Treibhausgasemissionen näher rückt, und zwar schon in die Mitte dieses Jahrzehnts. Das 1,5-Grad-Ziel werde man allein deshalb aber nicht erreichen können, betont Birol. Dazu seien konsequentere Maßnahmen der Politik nötig.

Eine Umkehr wäre theoretisch möglich

Je nach Region könnte sich der Verlauf des Rückgangs von Öl, Gas und Kohle außerdem unterscheiden. Während der Ölverbrauch in weiter entwickelten Staaten beispielsweise schneller abnehmen dürfte, könnte er in anderen noch steigen. Insgesamt dürfte der Rückgang nicht linear verlaufen. „Obwohl die fossilen Brennstoffe strukturell gesehen in diesem Jahrzehnt ihren Höchststand erreichen werden, kann es auf dem Weg nach unten immer noch zu Ausschlägen, Einbrüchen und Plateaus kommen“, erklärt Birol. „So können beispielsweise Hitzewellen und Dürreperioden zu einem vorübergehenden Anstieg der Kohlenachfrage führen, indem sie den Stromverbrauch in die Höhe treiben und gleichzeitig die Wasserkraftproduktion drosseln.“

Wissenschaftler Weber stellt außerdem klar, dass der Rückgang nach Erreichen des Peaks nicht zwingend irreversibel sei, wie in der Peak-Oil-Theorie angenommen. „In Fachkreisen ist diese Theorie seit langem umstritten und für die nordamerikanische Ölförderung wurde sie eindeutig widerlegt“, sagt er. „Wenn bald wegen einer schwächeren Nachfrage ein Peak erreicht wird, wäre theoretisch immer noch eine Umkehr möglich.“

Dass dieser Fall eintritt, hält er jedoch für unwahrscheinlich. In den nächsten zwei Jahren könnten die Ölpreise seiner Einschätzung nach durchaus noch steigen, weil die Nachfrage da sei und es durch die Begrenzung russischer Gaslieferungen wieder Investitionen gegeben habe. „Aber dann rechne ich mit einer Tendenz nach unten“, sagt Weber.  „Das verfügbare Angebot wird kein begrenzender Faktor sein und ein nachlassender Nachfragedruck spricht für einen Preisrückgang.“

Für Öl- und Gasunternehmen bedeutet das, dass sie den Markt früher als gedacht neu einschätzen müssen. An den großen Ölfördernationen wie Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten sieht man aber, dass sie sich auf diese Entwicklung zunehmend vorbereiten. Die Einnahmen aus den Ölverkäufen fließen zunehmend in andere Bereiche, zum Beispiel in den Tourismus, die Solar- und Wasserstoffindustrie und in die Chemiebranche. Dazu passt das aktuelle Interesse des Ölkonzerns Abu Dhabi National Oil an einer Übernahme des deutschen Kunststoffspezialisten Covestro.

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