Das Jahr 2022 war geprägt von Katastrophen – allen voran der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine. Der Konflikt hält an, ein Ende ist derzeit nicht in Sicht. Die düstere Stimmung hat sich in diesem Jahr auch an den Märkten widergespiegelt. Nur wenige Branchen konnten das Jahr mit einer positiven Bilanz abschließen. Unter ihnen sind laut Daten des Indexanbieters S&P Dow Jones Indices vor allem Unternehmen aus dem Bereich fossile Energien, aber auch die Rüstungsindustrie und die Tabakbranche.
Der Industrieländer-Aktienindex S&P Developed Broad Market Index zeigt die Entwicklung von insgesamt 11 Sektoren mit 24 Industriezweigen auf. Der Angriffskrieg Russlands hat insbesondere in Europa eine echte Energiekrise ausgelöst: Sanktionen gegen den Kreml haben die Regierung um Wladimir Putin dazu veranlasst, die hohe Abhängigkeit der Sanktionsstaaten von russischem Erdgas auszunutzen und in Teilen einen Lieferstopp zu verhängen. Davon betroffen ist klarerweise auch Deutschland. Die Belieferung durch die Pipeline Nordstream 1 wurde im Juni auf 40 Prozent der maximalen Durchflussmenge heruntergesetzt, im Juli sogar auf 20 Prozent. Die Folgen: ein verknapptes Angebot an Erdgas, Lieferengpässe, drastische Preissteigerungen am Energiemarkt und sprudelnde Gewinne bei den Produzenten.
Kein Wunder also, dass der Sektor fossile Energien mit einem Plus von 56,6 Prozent der mit Abstand erfolgreichste des Jahres war. Insbesondere die Förderer und Vertreiber von Erdgas und Rohöl haben profitiert, aber auch deren Ausrüster und Dienstleister: S&P fasst die Hersteller von Bohranlagen und sonstige Dienstleister der fossilen Energiebranche in einem eigenständigen Sub-Sektor zusammen. Dieser kommt auf ein Jahres-Plus von 51,22 Prozent.
Es bleibt offen, wie viel dieses Aufwärtstrends im kommenden Jahr erhalten bleibt. Bis sich die Energiemärkte beruhigen, wird es mit Sicherheit noch eine Weile dauern. Zwar hatte sich insbesondere der Ölpreis zuletzt nach unten korrigiert. Russland ist es gelungen, trotz der Sanktionen die Produktion fast wieder auf das Niveau vor dem Krieg anzuheben. Ausreißer in beide Richtungen sind im kommenden Jahr denkbar, je nachdem, wie sich der weitere Verlauf des Krieges und mit ihm der Energiekrise gestalten wird. Kurz- bis mittelfristig hat Energiesicherheit die oberste Priorität. Daher wird es wohl noch eine ganze Weile dauern, bis die Erzeuger erneuerbarer Energien die Oberhand gewinnen.
Das Geschäft mit der Angst
Durch den Krieg hat die Rüstungsindustrie einen regelrechten Image-Wandel hingelegt. War es bis vor Kurzem für viele Anleger noch undenkbar, das Portfolio mit Aktien von Unternehmen wie Lockheed Martin, Heckler & Koch oder Rheinmetall aufzuwerten, zählen sie nun zu den großen Gewinnern des abgelaufenen Jahres. Laut S&P kommt der Sektor „Luftfahrt, Raumfahrt und Verteidigung“ auf ein Jahres-Plus von 14,2 Prozent. Der Einmarsch Russlands in die Ukraine hat viele Länder dazu veranlasst, ihre Verteidigungspolitik grundlegend zu überdenken. Dabei geht es auch darum, die inländische Verteidigung zu stärken, also massiv aufzurüsten. So hat etwa die Bundesregierung ein 100-Milliarden-Euro-Paket für Rüstungsausgaben geschnürt. Einstige Positionen zu Waffenexporten wurden zumindest teilweise überworfen. Davon profitiert die Rüstungsindustrie – neben dem Rohstoffsektor eine der wenigen Gewinnerbranchen dieses Jahres.
Die sich breitmachende Unsicherheit zeigt sich auch in einem weiteren Top-Performer-Sektor: der Versicherungsbranche. Auch sie konnte das Jahr mit einer positiven Bilanz abschließen. Zwar boomt das Geschäft hier deutlich moderater mit einem Kursgewinn seit Jahresbeginn von 1,24 Prozent. Es passt aber zum Narrativ des Sicherheitsbedürfnisses in unsicheren Zeiten. Die Versicherungsbranche ist zugleich wohl der einzige Gewinner-Sektor, der auch aus ethischer Perspektive für die allermeisten Anleger tragbar bleiben dürfte. Die besten Versicherungs-Aktien 2022 zeigt unsere Tabelle.