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Analyse Das Bayer-Paradox: Sinkende Dividende, steigende Kurse

Bayer-Zentrale in Leverkusen: der Konzern steht vor einem riesigen Umbau
Bayer-Zentrale in Leverkusen: der Konzern steht vor einem riesigen Umbau
© Panama Pictures / IMAGO
Bevor Vorstandschef Bill Anderson seine neue Strategie vorstellt, haut Bayer noch die schlechten Nachrichten raus: Anleger werden in den nächsten drei Jahren kaum Dividende erhalten. Warum das am Aktienmarkt trotzdem gut ankommt

Es hört sich schlimm an: Bayer will in den nächsten drei Jahren die Dividende auf das gesetzliche Minimum von 11 Cent zusammenstreichen. Im vergangenen Jahr hatte der Pharma- und Agrarchemiekonzern noch die Ausschüttung um 40 Cent auf 2,40 Euro pro Aktie erhöht. Die Nachricht kam bei den Anlegern nicht gut an, schließlich ist der Aktienkurs in den vergangenen zwölf Monaten um mehr als 50 Prozent eingebrochen. Und jetzt müssen die Investoren auch noch auf die Dividendenrendite verzichten.  

Die Probleme bei Bayer sind enorm: Zum einen muss Vorstandschef Bill Anderson die exorbitante Verschuldung in den Griff bekommen, die Kassen des Konzerns sind jedoch klamm. Für 2023 hat der Konzern null Einnahmen an frei verfügbaren Mitteln prognostiziert, was Anderson für nicht aktzeptabel hält. „Unsere Schulden zu senken und unsere Flexibilität zu steigern, gehört zu unseren Top-Prioritäten“, erklärte Anderson. „Unsere geänderte Dividendenpolitik, in die Anregungen von Investoren eingeflossen sind und die wir nach reiflicher Überlegung beschlossen haben, wird uns dabei helfen.“ 

Dividendenstreichung reicht nicht aus

Zudem hat die Klagewelle wegen des Unkrautvernichters Glyphosat in den USA bereits Milliarden gekostet – und ein Ende ist nicht absehbar. Hinzu kommt, dass zuletzt die Entwicklung eines Krebsmedikaments gefloppt ist und sich in der Pipeline der Pharmasparte kein weiterer aussichtsreicher Kandidat befindet. Und dann laufen einige Patente auf Medikamente aus. Das schwächt die Gewinnaussichten.  

Während Konkurrenten wie Pfizer Milliarden in die Entwicklung neuer Arzneien pumpen, Novartis und die Merck AG aus den USA sich mit Zukäufen stärken, muss Anderson einen enormen Umbruch managen. Die 2 Mrd. Euro, die Bayer durch die Dividendenstreichung spart, sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Zur Einordnung: Die Erforschung einer neuen Krebstherapie kostet typischerweise mindestens 1 Mrd. Euro. Die gesamten Verbindlichkeiten von Bayer belaufen sich bereits auf knapp 84 Mrd. Euro.  

Christian Röhl, Investor und Autor des Bestsellers „Cool bleiben und Dividende kassieren“, hält den Schritt daher für alternativlos. Die Dividendenstreichung sei ein Grund, weshalb die Aktie nach einem kurzen Schock sogar ins Plus gedreht habe. 

Anderson muss dennoch noch mehr machen, weshalb Anleger dem 5. März entgegenfiebern. Dann will der CEO seine neue Strategie vorstellen. Dass er Hierarchien zusammenstreicht, gilt als ausgemacht. Jüngst hat der Manager erst moniert, dass zwischen ihm und den Kunden 13 Hierarchiestufen stehen. Das seien zu viele. Aber Investoren hoffen auf mehr. „Sie spekulieren auf eine Abspaltung“, sagt Röhl im Gespräch mit Capital. Anderson könne entweder das Düngemittelgeschäft abspalten und damit verhindern, dass die Glyphosat-Prozessrisiken den übrigen Konzern in Mitleidenschaft ziehen. Oder er spalte „Consumer Health“ zum Teil oder vollständig ab, das Segment, über das rezeptfreie Medikamente wie Aspirin vertrieben werden. „Dann fehlt aber ein stabiler Cash-Lieferant. Und der Rest des Unternehmens hat davon erst mal nichts“, sagt Röhl.  

Gut möglich, dass Anderson zunächst enttäuschen wird. Deshalb ist die Aktie trotz des historisch niedrigen Kursniveaus von knapp 29 Euro derzeit keine Kaufempfehlung. „Die Herausforderungen sind brutal“, sagt Röhl. Und Impulse für einen Aufwärtstrend sind noch nicht in Sicht.

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