Lilian Co ist Fondsmanagerin des China Strategic Panda Fund für chinesische Aktien. Der Aktienfonds hat seit Auflage 2008 mit 13,8 Prozent pro Jahr eine mehr als doppelte so hohe Rendite eingebracht wie der chinesische Aktienmarkt gemessen am MSCI China. Zuvor war Co Managerin des China-Aktienfonds Baring Hongkong China.
Capital: Mrs. Co, die chinesische Notenbank hat kürzlich zum zweiten Mal die Leitzinsen gesenkt, die Regierung hat die Wachstumsprognose für 2015 auf sieben Prozent gesenkt, Deflationssorgen machen die Runde – entgleitet der Führung die Lage?
Lilian Co: Überhaupt nicht. Die Funktion der Leitzinssenkungen ist in China eine andere als in den großen Industrieländern. Es geht nicht darum, aggressiv Wachstum anzukurbeln, sondern vielmehr das etwas schwächere Wachstum langfristig zu stabilisieren. Dazu nimmt man auch eine kurzfristige Abschwächung des Tempos in Kauf. Meiner Meinung nach überinterpretieren viele auch die Rolle der Zinsen und der Wachstumsprognosen – und übersehen eine der aggressivsten Regulierungsmaßnahmen des modernen Chinas.
Nämlich?
Das vor zwei Jahren begonnene Anti-Korruptionsprogramm. Es dämpft das Wirtschaftswachstum viel weitreichender als die Zinspolitik. Viele dachten, es handele sich um eine symbolische Maßnahme von einigen Wochen oder Monaten. Doch die Regierung macht ernst. Das hat etwa zur Folge, dass staatseigene Unternehmen keine Gratis- oder Vergünstigungskupons mehr an ihre Angestellten ausgeben – mit Folgen für den Einzelhandel. Viele privatwirtschaftliche Firmen sehen auch von Investitionen ab, die sie früher mit Korruption flankiert haben. Das kostet kurzfristig, ist aber in doppelter Hinsicht positiv: Die Korruption sinkt – und ganz offenbar hat die chinesische Führung das Vertrauen in die Wirtschaft, die Maßnahmen durchsetzen zu können, ohne damit das Wachstum zu gefährden. Sonst würde sie das Programm einfach beenden.
Die Regierung plant nach eigenen Angaben nur noch die Schaffung von mindestens zehn statt 13 Millionen Arbeitsplätzen wie im Vorjahr. Doch auf Jobsuche begeben sich 15 Millionen Universitätsabsolventen und drei Millionen Landarbeiter. Kann das gut gehen?
Die Schaffung einer ausreichenden Zahl von Arbeitsplätzen hat alleroberste Priorität der Regierung. Das ist fraglos ihre größte Sorge, diesem Ziel dürfte notfalls vieles andere untergeordnet werden. Aber nochmals: Sie scheint sehr tiefenentspannt zu sein mit der Lage, sonst würde sie aggressivere Maßnahmen ergreifen, in einen Krisenmodus gehen. Das tut sie aber bislang nicht, obwohl sie die Entwicklung und die Arbeitsplatznachfrage genau im Auge hat.
Auf die richtigen Einzeltitel und Sektoren kommt es an
Was heißt das alles für chinesische Aktien?
Chinesische Aktien sind nach allen gängigen Bewertungsmaßstäben wie dem Kurs-Gewinn oder Kurs-Buchwert-Verhältnis oder Dividendenrenditen extrem günstig. Das gilt für Aktien in Hongkong ebenfalls für Titel in Festlandchina. Allerdings haben die Zinssenkungen Erwartungen geschürt, die die Unternehmen nun erst einmal erfüllen müssen – ich fürchte, das wird 2015 schwierig, denn es wird generell nicht das Jahr des großen Aufschwungs bei den Firmengewinnen. Umso wichtiger ist die Auswahl der richtigen Einzeltitel und Sektoren.
Welche bevorzugen Sie?
Derzeit klar die Profiteure des niedrigen Ölpreises, etwa Automobilkonzerne und Industriekonzerne. Optimistisch bin ich aber auch für IT-Konzerne wie Baidu und Alibaba. Die Preise und damit Bewertungen sind jüngst gesunken, dabei gab es gute Nachrichten: Der Indexanbieter MSCI nimmt die in den USA gehandelten Anteilsrechte in zwei Schritten den Leitindex MSCI China auf. Das wird das Gewicht von IT-Konzernen im Index deutlich steigern, von bislang zehn bis 15 Prozent auf dann 30 Prozent. Ich rechne mit entsprechender Nachfrage nach den Aktien. Verlieren werden hingegen Banken, an die paradoxerweise seit der Zinssenkung die größten Erwartungen geknüpft wurden.
Welche Rolle spielt die Talfahrt des Euro für China?
Für China insgesamt hat das kaum eine Bedeutung, da China und Deutschland kaum Wettbewerber sind. Hervorragend ist das natürlich für deutsche Konzerne mit Absatz in China, etwa die Automobilkonzerne oder viele europäische Luxusgüterhersteller. Und jenseits der Kapitalmärkte können Sie natürlich damit rechnen, dass nun noch weit mehr chinesische Touristen den Weg nach Europa und Deutschland finden, weil der Urlaub und die Waren dramatisch billiger geworden sind (lacht).