Das Nein der Briten zur EU hat britische Immobilienfonds unter Druck gesetzt. Verunsicherte Anleger wollten zuletzt so viel Kapital aus den Produkten abziehen, dass mehrere offene Immobilienfonds die Rücknahme von Anteilsscheinen vorübergehend aussetzten. Zu den betroffenen Fonds gehören Produkte von Columbia Threadneedle, Standard Life Investments, M&G und Aberdeen Asset Management.
Die Probleme der britischen Fonds wecken Erinnerungen an das Jahr 2009. Im Zuge der Finanzkrise hatten viele offene Immobilienfonds in Europa die Rücknahme von Fondsanteilen ausgesetzt, zum Teil über Monate. Hätte man alle Anleger ausbezahlt, die die Fonds verlassen wollten, hätte man Vermögenswerte mit erheblichen Abschlägen verkaufen müssen, argumentierten die Anbieter damals.
Gefahr für die Wirtschaft?
Die Krise der Anlageklasse in Großbritannien lässt nun erneut Rufe nach einer strengeren Regulierung laut werden. Andrew Bailey, Chef der britischen Finanzaufsicht Financial Conduct Authority (FCA), kündigte vor kurzem an, offene Immobilienfonds genauer unter die Lupe nehmen zu wollen. Er sorge sich darüber, dass die Illiquidität der Produkte in Krisenzeiten gefährlich für die Wirtschaft werde, berichtete der britische Finanzbranchendienst Citywire.
Der Gouverneur der britischen Notenbank, Mark Carney, schlug in dieselbe Kerbe. Offene Immobilienfonds könnten zeitweise gezwungen sein, illiquide Vermögenswerte loszuschlagen, sagte er. Das könne Unternehmen in Mitleidenschaft ziehen, die Immobilien als Sicherheiten nutzen.
Wie es mit den offenen Immobilienfonds auf der Insel weitergeht, ist unklar. Fonds, die nicht eingefroren wurden, beginnen damit, Immobilien aus ihren Beständen zu verkaufen, berichtet die „Financial Times“. Damit wollen sie ihre Liquidität erhöhen. Deutsche Privatanleger, die offene Immobilienfonds im Portfolio haben, müssen sich allerdings keine großen Sorgen machen. Die Gefahr, dass sich deutsche Fonds bei den Briten anstecken, ist gering, sagen Marktexperten.
Strengere Regeln in Deutschland
In Deutschland sind keine Fondsschließungen in Sicht, schätzen die Immobilienspezialisten der Ratingagentur Scope. Im Gegensatz zu Großbritannien hat der Gesetzgeber in Deutschland nach der Finanzkrise nachgebessert. Seitdem gelten für offene Immobilienfonds strengere Regeln bei der Rückgabe von Anteilen. So dürfen Anleger etwa ihre Anteile heute erst nach einer Mindesthaltefrist von 24 Monaten zurückgeben, und auch danach nicht in unbegrenztem Ausmaß.
Negative Währungseffekte, wie sie bei britischen Immobilienfonds durch den Absturz des Pfunds zum Tragen kommen, sind bei deutschen Produkten ebenfalls nicht zu erwarten. Offene Immobilienfonds in Deutschland sichern ihre Währungspositionen weitgehend ab, stellen die Scope-Experten fest. Sollte eine Währung im Portfolio abstürzen, dürfte das nur marginale Auswirkungen auf die Fonds haben. Darüber hinaus sind deutsche Immobilienfonds in der Regel breit diversifiziert. Die meisten von ihnen sind nicht stark im Vereinigten Königreich engagiert und deshalb von den Turbulenzen auf der Insel kaum direkt betroffen.
Indirekt könnten die Probleme britischer Immobilienfonds ihren deutschen Pendants allerdings doch zu schaffen machen. „Es ist zu erwarten, dass sich die derzeitige Unsicherheit negativ auf den Immobilienmarkt auswirkt“, heißt es von Scope. Geschäfte zwischen kontinentaleuropäischen Fondsanbietern und britischen Immobiliengesellschaften könnten abgebrochen oder neu verhandelt werden.