„Some people think in millions, some people think in trillions, I think in billions.” Mit diesen Worten hat sich Brad Jacobs vor einigen Wochen in einem Interview vorgestellt. Sein Buch „How to Make a Few Billion Dollars“ hat einen ähnlichen Unterton. Dahinter steckt aber kein Finanz-Guru oder Selbsthilfe-Coach, sondern ein Unternehmer. Und zwar einer, der mehrere Milliarden-Firmen gebaut hat.
Seinen beruflichen Start hatte Jacobs im Öl-Trading, wo er das flüssige Gold von Nigeria oder Russland nach Europa verkauft hat. Nachdem das Geschäft durch stärker werdende Konkurrenz weniger lukrativ geworden war, fing der heute 67-jährige Unternehmer in den 1990er-Jahren an, kleine Abfallunternehmen aufzukaufen und in einer Firma zu bündeln. Die Strategie bezeichnet man in der Private-Equity-Industrie als Roll-up und dahinter stecken zwei Kernideen.
Erstens sind kleine Unternehmen für große Investoren uninteressant und können aufgrund ihrer vergleichsweise niedrigen Umsätze nicht an die Börse gehen. Durch den kleinen Pool an potenziellen Käufern sind die Preise, zu denen man diese Firmen kaufen kann, relativ günstig. Oft kann man sie für weniger als das Zehnfache des Gewinns übernehmen. Große Firmen, die wachsen, werden deutlich höher bewertet und so kann man eine Art Arbitrage machen: Man kauft eine Firma mit einer Million Gewinn für fünf Millionen. Der Käufer selbst wird aber mit dem Zehnfachen des Gewinns bewertet – kriegt von Investoren für eine Million an zusätzlichem Gewinn, also einen Wert von zehn Millionen zugeschrieben.
Zweitens gibt es bei kleinen Firmen viele Ineffizienzen, die man mit professionellerem Management beheben kann. Und wenn man mehrere Firmen zusammenlegt, kann man manche Kosten komplett streichen, zum Beispiel braucht nicht jede Firma eine eigene Buchhaltung.
High-Performer an der Börse
Das Modell ist in der Theorie genial und für Brad Jacobs war es das bisher auch in der Praxis. 1997 wurde seine Firma für 2,2 Mrd. US-Dollar vom Konkurrenten Waste Management aufgekauft. Für die ganzen Übernahmen musste Jacobs zwar viel Geld von Investoren einsammeln, aber auch er selbst hat 120 Mio. US-Dollar vom Tisch genommen. Investiert hat er in die Gründung nur knapp 3 Mio. US-Dollar. Ein lukratives Geschäft, auf dem sich der Unternehmer nicht ausgeruht hat.
Kaum war der Verkauf abgeschlossen, hatte er die nächste Idee. Er wollte Vermieter von industriellem Equipment aufkaufen – also alles vom Gabelstapler bis zum Bagger. Die Logik war dieselbe wie bei den Abfallfirmen und trotz einiger Probleme während der Finanzkrise hat das Modell von United Rentals genial funktioniert.
Seit dem Börsengang 1997 hat die Aktie von United Rentals 4,166 Prozent Rendite gemacht und damit besser abgeschnitten als die Firma vom bekannten US-Investor Warren Buffett Berkshire Hathaway (1,235 Prozent) und fast so gut wie das Tech-Urgestein Microsoft (4,182 Prozent). Die Performance über mehr als zwei Jahrzehnte ist ein Beweis dafür, dass Brad Jacobs mit seinen Firmen wirklich Wert schafft.
Übernahmen sind gefährlich
Das probieren neben Brad Jacobs natürlich auch viele andere. Viele Manager versuchen, das Wachstum ihrer Firmen mit Übernahmen nach oben zu treiben – aber nicht alle sind damit erfolgreich. Der deutsche Pharmakonzern Bayer wollte mit der Übernahme des US-Agrarunternehmens Monsanto schneller wachsen und die Fluggesellschaft Air Berlin hat Anfang der 2000er-Jahre eine Airline nach der anderen übernommen. Beide Ideen sind gescheitert. Das liegt unter anderem daran, dass Bayer und Air Berlin andere Großkonzerne aufgekauft haben – da gibt es im Vergleich zu den kleineren Zukäufen bei Brad Jacobs weniger Optimierungspotenzial und keine Arbitrage-Möglichkeit.
Auch außerhalb Deutschlands gibt es ein warnendes Beispiel für diesen Unterschied, nämlich die schwedische Embracer Group. Das Gaming-Imperium von Lars Wingefors ist mal mit der Idee gestartet, viele kleine Spiele-Studios zu übernehmen, die zwar keine weltweit bekannten Videospiele haben, dafür aber beliebte Nischen-Games. Die Strategie hat lange sehr gut funktioniert, bis Lars Wingefors anfing, große Konkurrenten zu hohen Bewertungen aufzukaufen.
Die größten Private-Equity-Firmen der Welt
Private Equity hat Reiche gerade auch während der Pandemie immer reicher gemacht – nicht selten auf Kosten breiter Bevölkerungsschichten. Doch das scheinbar grenzenlose Wachstum hat für die Branche (vorerst) ein Ende. In dem 2024 veröffentlichten Ranking des Magazins „Private Equity International“ (PEI) schafften statt wie im Vorjahr drei nur noch zwei Firmen den Sprung über die Marke von 100 Mrd. US-Dollar an verwalteten Vermögenswerten im Zeitraum 2019 bis 2023. Weit davon entfernt lag laut der Analyse die Private-Equity-Firma Hg aus London mit 51,4 Mrd. Dollar.
Das Geschäft mit Beteiligungen wächst aber weiterhin. Die weltweit 300 größten Private-Equity-Firmen verwalteten laut dem Ranking durchschnittlich sechs Prozent mehr Vermögenswerte als im Vorjahr, wie das in London erscheinende Magazin berichtete. Auf Platz neun kam das New Yorker Unternehmer Warburg Pincus mit 51,7 Mrd. Dollar. Die Beteiligungsgesellschaft hatte zehn Jahre zuvor im Ranking auf Platz 14 gelegen.
Generell gilt: Verglichen mit dem PEI-Ranking von 2014 hat sich in den aktuellen Top 10 nur wenig getan. Das gilt auch für die Platzierung von Advent International. Die Bostoner Private-Equity-Firma hatte damals den zehnten Platz zugewiesen bekommen. 2024 bedeuteten 52,9 Mrd. Dollar im weltweiten Vergleich Platz acht.
Thoma Bravo wurde 2008 von Cark D. Thoma und Orlando Bravo (Foto) gegründet und gehört damit zu den Newcomern unter den größten Private-Equity-Firmen der Welt. Mit Einschränkung, denn die Anleger aus Chicago bauten auf der Arbeit des Vorgängers Golder Thoma & Co auf. PEI sah die Firma mit 59,1 Mrd. Dollar auf Platz sieben.
Viele der erfolgreichsten Private-Equity-Firmen wurden während des Börsenbooms der 1980er Jahre gegründet – so auch The Carlyle Group. 2014 war sie laut PEI die größte Private-Equity-Firma der Welt. Zehn Jahre später sahen die Londoner Analysten das Unternehmen aus Washington, D. C., auf dem sechsten Platz (60,2 Mrd. Dollar).
Die USA dominieren das Geschäft mit Beteiligungskapital. Doch 50 Prozent der Firmen aus den Top 4 stammen aus Europa. Zunächst aber komplettiert TPG (Texas Pacific Group) die US-Dominanz im Rest des PEI-Rankings. 2013 war die Private-Equity-Firma aus Fort Worth die weltweite Nummer eins gewesen. Zuletzt reichten 61,9 Mrd. Dollar laut dem Ranking für Platz fünf.
Erfahrene Investoren beherrschen das Geschäft mit riskanten Anlagen. Entsprechend schwer ist es laut PEI, die Top 10 durchzuschütteln. Genau das sei 2024 aber CVC Capital Partners aus Luxemburg gelungen. Die Beteiligungsgesellschaft schaffte dank verwalteten Vermögenswerten in Höhe von 77,6 Mrd. Dollar der Sprung nach oben um elf Plätze auf den vierten Rang. CVC ist aber mitnichten ein neuer Player. Die Firma wurde 1981 als europäischer Arm des Private-Equity-Bereichs der US-Bank Citigroup gegründet und wurde 1993 durch einen Management-Buy-Out eigenständig.
Auch die laut PEI drittgrößte Private-Equity-Firma der Welt hat ihren Hauptsitz in Europa. EQT aus Stockholm lag mit großem Vorsprung vor dem Nächstplatzierten bei 99,1 Mrd. Dollar und verpasste damit nur knapp den Aufstieg in den dreistelligen Bereich. Hinter EQT steht die einflussreiche schwedische Bankerdynastie Wallenberg und ihre Investmentfirma Investor AB. 2014 hatte EQT im PEI-Ranking auf Platz 26 gelegen.
Auch zwei Jahre vor dem 50. Firmenjubiläum musste sich Kohlberg Kravis Roberts (KKR) erneut im Ranking „PEI 300“ dem größten Konkurrenten beugen. Die im Untersuchungszeitraum verwalteten Vermögenswerte in Höhe von 103,2 Mrd. Dollar reichten laut dem Magazin nur noch für Platz zwei. Den hatte die New Yorker Firma auch schon zehn Jahre zuvor eingenommen. 2022 war KKR erstmals der Sprung auf den ersten Platz gelungen. Der ging nun wieder an den größten Konkurrenten von der Wall Street.
Blackstone Inc. ist die bekannteste und berüchtigste Private-Equity-Firma der Welt – und erneut die größte, wie PEI 2024 feststellte. Blackstone übertrumpfte das Ergebnis des Zweitplatzierten KKR demnach um mehr als 20 Mrd. Dollar und kam auf knapp 124,0 Mrd. Dollar. Das sicherte zum zweiten Mal in Folge den Spitzenplatz im Ranking der größten Private-Equity-Firmen. Blackstone lief damit zu alter Form auf. Die 2019 begonnene Siegesserie wurde nur einmal von KKR unterbrochen. Blackstone wurde 1985 vom heutigen Chairman und CEO Stephen Schwarzman sowie dem ehemaligen US-Handelsminister Peter Peterson gegründet. Beide hatten zuvor bei Lehmann Brothers gearbeitet.
Den Höhepunkt hat das Ganze 2022 erreicht, als die Embracer Group den Brettspielkonzern Asmodee gekauft hat. Der war nicht nur teuer, sondern Brettspiele haben auch wenig mit dem Kerngeschäft als Videospiel-Konzern zu tun. Das sieht auch die Börse so: Zur Spitze 2021 war die Embracer Group über 15 Mrd. US-Dollar wert. Mittlerweile sind davon nur noch 3 Mrd. US-Dollar übrig und jetzt gibt es sogar Pläne, die Firma wieder in kleinere Teile zu zerschlagen.
Aber wie können Firmen vor Zukäufen abwägen, ob die geplante Übernahme wirklich erfolgversprechend ist?
„Buying a company is signing a document and wiring money – it’s not the hardest thing in the world“, hat Brad Jacobs vor zwei Jahren in einem Podcast von McKinsey gesagt. Es sei nicht das schwerste auf der Welt, ein Unternehmen zu kaufen. Man unterschreibt ein Dokument und sendet Geld. Stattdessen kommt es darauf an, sehr viele Übernahmen zu prüfen und dann wirklich nur die allerbesten zu machen. Da sich Übernahmeprozesse oft über Monate ziehen, gibt es am Ende die Tendenz, dass man den Deal endlich über die Bühne bringen will – auch wenn bei den Verhandlungen Unstimmigkeiten aufgekommen sind oder der Preis nicht stimmt. Jacobs versucht in solchen Situationen sehr diszipliniert zu sein und den Deal im Zweifel lieber abzusagen.
Eine Übernahme endet nicht mit der Unterschrift. Für den Unternehmer ist entscheidend, wie er sich danach verhält. Denn gerade kulturell sind Übernahmen eine gigantische Challenge. Dafür hat der Serienunternehmer aber über die Jahre einige Methoden entwickelt.
Bei Übernahmegesprächen sind meistens nur das Top-Management und die Eigentümer involviert. Daher gibt es nach dem Kauf oft eine große Distanz zwischen den Mitarbeitern und dem Käufer. Um das zu umgehen, versucht Brad Jacobs möglichst schnell mit Mitarbeitern zu sprechen, die nicht in der Vorstandsetage sitzen. Dabei geht es neben dem kulturellen Faktor auch darum, besser zu verstehen, welche Prozesse und Strukturen er nach der Übernahme verbessern kann und wo gerade schlechte Stimmung herrscht.
Klingt alles sehr aufwändig, scheint sich aber auszuzahlen. Insgesamt hat er mit United Rentals über 200 Übernahmen gemacht und heute ist die Firma 40 Milliarden US-Dollar wert.
Brad Jacobs hat immer schnell ein neues Projekt
Auch dieses Projekt konnte den Serienunternehmer aber nicht viel länger als zehn Jahre begeistern und so fing er 2011 an, seine nächste Firma zu starten. Die fällt eher aus der Reihe, weil sie mit einer großen Übernahme anfing: Für 150 Mio. US-Dollar hat Brad Jacobs einen großen Teil der Logistikfirma Express-1 Expedited Solutions gekauft. 2013 folgte dann die nächste große Übernahme vom Logistikkonzern 3PD, der 365 Mio. US-Dollar gekostet hat.
Er hat insgesamt 7 Mrd. Dollar investiert und damit nur 17 Firmen gekauft. Denn bei seinem Logistik-Business hatte Brad Jacobs einen anderen Plan: Anders als beim Roll-up ging es nicht mehr so sehr um Arbitrage und Effizienz.
Stattdessen hatte Brad Jacobs die Idee, dass man Kunden bei der Logistik viel abnehmen kann, wenn man den kompletten Prozess managt. Deshalb hat er größere Firmen übernommen, die nur einzelne Bereiche in der Logistik-Kette abdecken, und damit einen Komplettanbieter gebaut.
Auch das hat funktioniert. XPO Logistics ist heute an der Börse 12 Mrd. US-Dollar wert und hat in den letzten Jahren sogar zwei Unternehmen ausgegründet. RXO ist eine stark digitalisierte Speditions-Firma mit 2,5 Mrd. Dollar Börsenwert ist. GXO wiederum betreibt Lagerhäuser für Kunden wie Apple, Zalando oder Nike und ist rund 6 Mrd. Dollar wert.
Nun startet er als Baufachhändler
Insgesamt hat Brad Jacobs damit innerhalb von 30 Jahren fünf Milliarden-Firmen gebaut und eine sechste könnte noch dazukommen. Im Dezember 2023 hat der Multimilliardär QXO gestartet und will damit den global führenden Baufachhändler der Welt schaffen. Dafür hat er eine Börsenhülle gekauft und Anfang Juni mit anderen Investoren rund 1 Mrd. Dollar in die Firma investiert.
Mit dem Geld verfolgen sie ambitionierte Pläne: Brad Jacobs glaubt, dass er mit QXO schon im ersten Jahr 1 Mrd. US-Dollar Umsatz machen wird, nach drei Jahren sollen es mindestens 5 Mrd. US-Dollar sein.
Dass sich Brad Jacobs ausgerechnet den Baustoffhandel ausgesucht hat, ist kein Zufall. Der Markt für Baustoffe ist nämlich erstens riesig – QXO schätzt das Marktvolumen in den USA und Europa auf 800 Mrd. US-Dollar.
Zweitens ist der Markt sehr fragmentiert. Es gibt allein in Nordamerika 7000 solcher Händler und in Europa sind’s sogar 13.000 Firmen. Ähnlich wie bei United Rentals gibt es hier also viel Potenzial, kleine lokale Player aufzukaufen und sie effizienter in einer großen Firma zu bündeln.
Garantiert ist der Erfolg natürlich nicht, aber mit der Erfahrung von rund 500 Übernahmen gibt es wahrscheinlich niemanden, der QXO besser führen kann als Brad Jacobs.