Nadine Oberhuber ist Wirtschafts- und Finanzjournalistin. Sie schreibt auf Capital.de über Geldanlagethemen
Zugegeben, die Überschrift ist in diesem Fall etwas missverständlich. Denn dieser Text soll nicht verraten, wie man in zehn Tagen zum Staranleger wird und den ultimativen Erfolg an der Börse erzielt. Oder wie man in nur zehn Tagen sein Geld an der Börse verdoppelt. Die ernüchternde Nachricht also gleich vorneweg: Um aus den eigenen Aktienanlagen so richtig viel zu machen braucht man sehr viel mehr Zeit. Dafür gibt es aber auch eine mutmachende Erkenntnis: Um das Grundprinzip der Aktienanlage zu verstehen, benötigt man nicht einmal einen Tag, sondern es reicht schon, diesen Text bis zum Ende zu lesen.
In Tagen wie diesen ist vielen Aktionären schon einmal mulmig zumute. Es sind Tage, in denen die Kurse wild auf und ab schlingern. In denen der deutsche Leitindex Dax zuletzt innerhalb weniger Stunden fast 1000 Punkte verlor und bereits nach einigen Tagen wieder 500 Punkte gewonnen hatte, nur um vergangene Woche wieder 400 Punkte abzugeben. Vor allem sicherheitsbewussten Anlegern ist das zu viel Volatilität für ihre Nerven. Etliche werden sich gefragt haben, ob sie in diesen unsicheren Börsenzeiten nicht lieber aus dem Markt aussteigen sollen, um bessere Zeiten abzuwarten. Zumal fast alle Analysten sagen: Die Stimmung an den Börsen wird auf absehbare Zeit stürmisch bleiben.
Risikoaffine dagegen wittern in jedem Ausschlag der Indizes eine Chance: Schließlich hätte man beim Aufstieg des Dax nach dem Briten-Votum allein in einer knappen Börsenwoche satte 5,4 Prozent Rendite einfahren können, wenn man am 27. Juni eingestiegen wäre – etwa mit einem Indexpapier auf den deutschen Markt – und am 1. Juli wieder alle Anteile verkauft hätte. Und wie ist es mit Traditionspapieren wie Thyssenkrupp oder Deutsche Bank? So tief wie sie jüngst gefallen sind, da lohnt doch der Einstieg, oder?
Das perfekte Market-Timing gibt es nicht
Beide Seiten könnten mit ihrer Strategie profitieren. Entweder dadurch, dass sie kommende Kursstürze nicht miterleben müssen. Oder dadurch, dass sie einen nahen Aufschwung rechtzeitig abpassen würden. Aber die vielen Konjunktive verraten es bereits: Es handelt sich dabei um reine Möglichkeiten. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Strategien tatsächlich aufgehen, ist dagegen überaus gering. Oder hätten Sie wirklich am 2. Juli wieder Ihre Papiere verkauft und geahnt, dass am 2. Juli wieder ein Abwärtstrend einsetzt? Bei welcher Marke würden Sie entscheiden, dass der Markt das Schlimmste hinter sich hat und wieder einsteigen? Im Grunde können Anleger solche Zeitpunkte nur versuchen zu erraten. Und oft genug liegen sie dabei falsch.
Verhaltensökonomen drücken es so aus: Den besten Zeitpunkt für die Aktienanlage, also den Tiefpunkt beim Kauf und den Höchststand beim Verkauf, treffe sowieso keiner. Nicht einmal den Profis bei den Vermögensverwaltungen und Fondsgesellschaften gelänge das perfekte Market-Timing. Also könne man es auch gleich lassen und sich lieber an den einfachen Grundsatz halten: Es ist völlig egal, wann man in den Aktienmarkt einsteigt – Hauptsache man hält die Aktien lange genug.
Machen Sie den Depotcheck für 2016! Ermitteln Sie die Renditeerwartungen
und das eingegangene Risiko
Ihres Depots:
www.capital.de/depotcheck.html
Folgende Zahlen stützen diese These und sollten sowohl den Sicherheitsbewussten als auch den Risikofreunden zu denken geben: Wer im Jahr 1998 für 10.000 Euro Indexfonds auf den europäischen Index MSCI Europe gekauft hätte, der besäße heute ein Fondsdepot, das 19.920 Euro wert ist. Also fast das Doppelte. Das entspräche einer Wertsteigerung von knapp 100 Prozent, gut 5,5 Prozent pro Jahr also. Wäre er dagegen nicht die gesamte Zeit investiert gewesen und hätte allein die besten zehn Börsentage verpasst, so käme er auf einen Depotwert von nur 10.230 Euro, also eine recht maue Rendite von 0,12 Prozent pro Jahr. Das Gleiche lässt sich für den deutschen Index MSCI Germany durchrechnen, der im gleichen Zeitraum 21.240 Euro aus dem Einsatz gemacht hätte, was einer Jahresrendite von 6,24 Prozent entspricht. Ohne die besten zehn Börsentage wäre das Depot heute 9630 Euro wert, es wäre also sogar geschrumpft.
Und das gilt nicht nur für die vergangenen 18 Jahre. Andere Auswertungen haben die Dax-Entwicklung seit 1987 auf diese Weise durchgespielt und kommen zum Ergebnis: Seitdem waren 8,3 Prozent Rendite pro Jahr für den Anleger drin. War man jedoch an den besten 15 Börsentagen nicht investiert, so reduziert sich das Jahresrendite auf 4,1 Prozent, also ziemlich genau die Hälfte.
Große Kurssprünge in turbulenten Zeiten
Das ist ein deutliches Plädoyer dafür, dass man zumindest versuchen sollte, an den großen Aufschwungtagen an den Märkten investiert zu bleiben, weil gerade sie den Turbo fürs Depot darstellen. Doch wann sind die besten Tage des Jahres oder des laufenden Börsenzyklus? Auch das haben Statistiker untersucht und sind dabei zu dem – nicht ganz überraschenden – Ergebnis gekommen: Immer dann, wenn der Markt sich in heller Aufregung befindet, sind die Aussichten auf einen Kurssprung am größten. Die besten Börsentage ereignen sich immer dann, wenn es zuvor dramatisch abwärts gegangen ist. So fielen allein vier der fünf besten Tage seit Dax-Einführung in das vierte Quartal 2008, kurz nachdem die Finanzkrise die Indizes weltweit erschüttert hatte. Allein an diesen Tagen schnellten die Kurse um sieben und elf Prozent in die Höhe und sorgten damit für Erholung im Depot.
Umgekehrt gilt das starke Gewicht der Ausreißertage dummerweise auch, haben Forscher errechnet, nämlich wenn es um die schlechtesten Börsentage geht: Wer seit 1959 jeden Tag Geld in einen Aktienindex steckte und dabei nur an den zehn schlechtesten Börsentagen aussetzte, der hatte am Ende satte 140 Prozent mehr verdient als ein Jeden-Tag-Anleger. Insgesamt sieht die Bilanz deutlich besser für diejenigen aus, die extrem schlechte Tage vermeiden als für diejenigen, die sehr gute verpassen. Gemäß der Auswertung sähe das so aus: Während der Daueranleger am Ende auf 100.000 Euro kommt, käme der Anleger ohne die zehn schlechten Tage zwar auf 240.000 Euro und der Verpasser der zehn besten Tage auf 46.000 Euro. Nur ist es insgesamt so, dass diese zehn schlechtesten Tage weniger als 0,1 Prozent aller Handelstage ausmachen. Sie punktgenau zu treffen, um sich genau dann vom Markt fernzuhalten, ist folglich ungefähr so wahrscheinlich wie ein größerer Lottogewinn.
Insgesamt gibt es daher für Anleger nur eine richtige Strategie, sagen die Forscher: drinbleiben! Denn nur das sichert einem wenigstens die vollen 100 Prozent. Und macht nicht aus acht Prozent möglicher Rendite plötzlich nur noch vier Prozent und zwar auf viele Jahre hinaus.
Newsletter: „Capital- Die Woche“
Jeden Freitag lassen wir in unserem Newsletter „Capital – Die Woche“ für Sie die letzten sieben Tage aus Capital-Sicht Revue passieren. Sie finden in unserem Newsletter ausgewählte Kolumnen, Geldanlagetipps und Artikel von unserer Webseite, die wir für Sie zusammenstellen. „Capital – Die Woche“ können Sie hier bestellen: