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Krypto-Rally Warum der Bitcoin in einer Nebenrolle bleiben wird

Bitcoin-Anhänger: Der künftige US-Präsident Donald Trump bei einer Krypto-Konferenz in Nashville im Juli 2024
Bitcoin-Anhänger: Der künftige US-Präsident Donald Trump bei einer Krypto-Konferenz in Nashville im Juli 2024
© ASSOCIATED PRESS | Mark Humphrey / Picture Alliance
Die bekannteste Kryptowährung erlebt seit dem Wahlsieg von Donald Trump einen furiosen Kursanstieg. Doch auch unter dessen Präsidentschaft wird der Bitcoin ein Nischendasein im Geldsystem behalten, meint Gastautor Jörn Quitzau

Alle Jahre wieder geht der Bitcoin auf Rekordjagd. Aktuell hat die Kryptowährung Kurs auf die Marke von 100.000 US-Dollar je Bitcoin genommen. Dass sich die Mutter aller Kryptowährungen für Spekulation bestens eignet, hat sich längst herumgesprochen. Wer starke Nerven und einen langen Atem hat, gehörte bisher zu den Gewinnern, denn im Trend stieg der Bitcoin-Kurs trotz aller Rückschläge rasant. 

Doch was ist dran an der Bitcoin-Story? Ist es reine Spekulation oder erleben wir gerade den Beginn der Neuordnung unseres Geldsystems?

Die Erzählung vom knappen Gut

Die Geschichte hinter dem Bitcoin-Boom ist schnell erzählt. Die Kryptowährung entstand während der globalen Finanzkrise. Ihre „Geburt“ war quasi ein Misstrauensvotum gegen die bestehenden Papiergeldwährungen, bei denen Zentralbanken die Geldmenge potenziell unbegrenzt ausweiten und damit Inflation und/oder Preisblasen an den Finanzmärkten verursachen können. Die Menge des Blockchain-basierten Bitcoin ist hingegen auf einen Höchstwert von 21 Millionen limitiert. 

Diese strikte Mengenbegrenzung ist der Haupttreiber für die Spekulation hinter den Kurszuwächsen. Ein fixes Angebot bei potenziell fast unbegrenzter Nachfrage – das weckt Kursfantasie. Die Kursanstiege leben von eben dieser Erzählung. Wenn nur genügend Menschen an einen weiteren Kursanstieg glauben, dann steigt der Kurs auch weiter. Es weht der Hauch einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung.

Gleichwohl ist das Argument der strikten Mengenobergrenze irreführend. Die Anzahl der Bitcoins ist tatsächlich auf 21 Millionen begrenzt. Doch die Menge konkurrierender Kryptowährungen, die prinzipiell ganz ähnliche Eigenschaften haben können, ist potenziell unbegrenzt. Kryptowährungen lassen sich ebenso schnell „aus dem Nichts“ schaffen, wie es den etablierten Papiergeldwährungen vorgeworfen wird. Die Anzahl der Kryptowährungen ist auf mehrere Tausend angestiegen. Die Bitcoin-Besitzer müssten sich also eigentlich davor fürchten, dass der Bitcoin durch baugleiche Krypto-Alternativen entwertet wird.

Warum sollte jemand den aktuellen Preis von rund 95.000 US-Dollar zahlen, wenn Alternativen mit ganz ähnlichen oder gleichen Eigenschaften zu einem Bruchteil des Preises zu haben sind? Was hat der Bitcoin, was andere nicht haben? Bitcoin-Fans antworten darauf: Es gibt eben nur ein Bitcoin-Original. Die Hoffnung ruht also darauf, dass der First-Mover-Advantage und damit verbunden ein möglicher Netzwerkeffekt die potenzielle Konkurrenz auf Distanz hält und dauerhaft steigende Preise somit gerechtfertigt sind. 

Ob dieses Argument allein reichen kann, müssen die Bitcoin-Spekulanten mit sich selbst ausmachen. Letztlich muss es ihnen aber gelingen, neue Käufer in den Markt zu locken. Dafür braucht es Erzählungen von der Einzigartigkeit des Bitcoins oder von einem hohen Nutzen, den der Bitcoin – losgelöst von der Blockchain-Technologie – für die reale (Finanz-) Welt hat. 

Kursfeuerwerk nach US-Wahl

Hier kommt Donald Trump ins Spiel. Der Bitcoin hob nämlich just in dem Moment zu seinem jüngsten Höhenflug ab, als klar war, dass Trump die Präsidentschaftswahl gewinnen würde. Der Preis stieg in weniger als zwei Wochen von unter 70.000 auf mehr als 90.000 US-Dollar. Dieser Anstieg reflektiert die Aussicht auf weniger Regulierung des Krypto-Bereichs und liefert dem Bitcoin insgesamt Rückenwind. 

Trump hatte sich im Wahlkampf positiv zum Bitcoin positioniert. So sagte er, die US-Regierung werde die in ihrem Besitz befindlichen Bitcoin unter seiner Präsidentschaft halten. Es solle der Kern eines strategischen nationalen Bitcoin-Bestandes werden. Auch sagte Trump, er werde nie die Entwicklung einer digitalen Zentralbankwährung erlauben. Ihre Konzeption und Realisierbarkeit wird von vielen Zentralbanken als Reaktion auf den Vormarsch des Krypto-Geldes geprüft. Dabei ist schwer erkennbar, welchen Zusatznutzen eine digitale Zentralbankwährung, die letztlich nur das digitale Pendant zum Bargeld wäre, für die Bürger haben könnte. Trump könnte die ohnehin schon bestehenden Zweifel am Konzept der digitalen Zentralbankwährungen weiter verstärken.

Kann sich der Bitcoin unter Donald Trump im Mainstream der Finanzwelt einnisten? Sollte der Bitcoin eine wichtige Rolle im Finanzsystem bekommen, würde dies der Bitcoin-Rallye tatsächlich ein Fundament geben. Bisher ist dies jedoch nie gelungen. Die ursprüngliche Hoffnung, der Bitcoin könne ein wichtiges Zahlungsmittel werden, hat sich zerschlagen. Er fristet als Zahlungsmittel ein Nischendasein.

Auch der Glaube, der Bitcoin könne sich als die bessere Währung erweisen, war von Anfang an naiv. Spätestens während der Coronapandemie wäre die Wirtschaft unter einem Bitcoin-Währungsregime kollabiert. Wenn die Wirtschaftsakteure in unsicheren Zeiten ihr Geld zusammenhalten oder – wie während der Pandemie – Zahlungsströme komplett versiegen, muss es eine Institution geben, die zusätzliche Liquidität bereitstellen kann. Das ist die Aufgabe der Zentralbanken. Mit einer dezentralen, mengenmäßig limitierten Währung wie dem Bitcoin wäre die Wirtschaft damals ausgetrocknet. Wirtschaftliches und gesellschaftliches Chaos wäre wohl die Folge gewesen. 

Nun also der nächste Versuch. Doch auch als Währungsreserve taugt der Bitcoin nicht. Wahrscheinlich wird selbst Donald Trump seine Aussagen nicht ganz ernst genommen haben. Aber seine Äußerungen eignen sich offenkundig, einen neuerlichen Bitcoin-Hype auszulösen. Zu überzeugend klingt es, dass das ohnehin schon knappe Bitcoin-Angebot weiter verknappt wird, wenn die größte Volkswirtschaft der Welt zur Bildung einer Bitcoin Reserve größere Bestände vom Markt nimmt und vielleicht sogar andere Notenbanken nachziehen.

Weitere Krypto-Experimente wahrscheinlich

Losgelöst vom Bitcoin könnte die Trump-Präsidentschaft aber dennoch disruptive Elemente für das Geldsystem bringen. Die Nähe Trumps zu einigen Größen der Tech-Szene erhöht die Wahrscheinlichkeit für weitere Experimente im Bereich des Krypto-Geldes. Die vor einigen Jahren geplante Facebook-Währung Libra war als sogenannter Stablecoin geplant und sollte durch Staatsanleihen gedeckt sein. Das wäre ein anderes Kaliber gewesen als der Bitcoin. Deshalb gab es heftigen Gegenwind von Notenbanken, Regierungen und Regulierern für das Libra-Projekt, das letztlich an diesem Widerstand scheiterte. Künftig könnten ähnliche Experimente aufgesetzt und intensiviert werden. Das dürfte – anders als der Bitcoin – die US-Notenbank Fed vor erhebliche Herausforderungen stellen.  

Jörn Quitzau ist Chefvolkswirt der Schweizer Privatbank Bergos in Zürich.

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