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Steuerflucht Bankgeheimnis: Das Schweigen der Schweizer hat ein Ende

Zentrale der Schweizer Großbank Credit Suisse auf dem Paradeplatz in Zürich
Zentrale der Schweizer Großbank Credit Suisse auf dem Paradeplatz in Zürich
© dpa
Ohne das Bankgeheimnis ist die Schweiz für ausländische Privatkunden unattraktiver geworden. Nina Bärschneider erklärt, was das für die Schweizer Bankenwelt bedeutet

„An diesem Bankgeheimnis werdet ihr euch die Zähne ausbeißen“, sagte der ehemalige Schweizer Finanzminister Hans-Rudolf Merz im März 2008. Dabei richtete er sich in erster Linie an die EU-Staaten und die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Sie sprachen sich damals entschieden gegen die langwährende Ausnahmeregelung aus, durch die Schweizer Banken keine Bankinformationen ihrer Kunden an ausländische Behörden weitergeben mussten. Für ausländische Kunden waren das paradiesische Zeiten: Wer Steuern am deutschen Fiskus vorbeischleusen wollte, legte sein Vermögen im Nachbarland an. In der einfachen Steuerhinterziehung sah die Schweiz keinen Grund, Kundeninformationen weiterzugeben, da sie wie eine deutsche Steuerverkürzung nur als Ordnungswidrigkeit verstanden wird – lediglich beim Steuerbetrug, dem Schweizer Äquivalent zur deutschen Steuerhinterziehung, reagierten die Schweizer Banken. Was weder die Kunden noch Ex-Finanzminister Merz damals wussten: Schon ein Jahr nach seiner selbstbewussten Ankündigung würde das Bankgeheimnis ins Wanken geraten.

Im Jahr 2009 kündigte der Schweizer Bundesrat erstmals an, das steuerliche Bankgeheimnis aufheben zu wollen. Zu dem Zeitpunkt war der internationale Druck auf die Schweiz bereits hoch: Die Finanzkrise hatte die hohen Schulden vieler Staaten offenbar gemacht, was die Industrienationen dazu zwang, Steuerflucht stärker zu bekämpfen. Gleichzeitig kam im Jahr 2008 ans Licht, dass die Schweizer Großbank UBS unerlaubt US-amerikanische Kunden angeworben hatte. Um einer Anklage zu entgehen, ließ die Schweiz den Vereinigten Staaten zahlreiche Daten von US-Konten zukommen – was das Bankgeheimnis weiter schwächte. Im Jahr 2014 dann, 80 Jahre nach Beschluss der Sonderregelung, trat die Schweiz der OECD-Erklärung zum automatischen Informationsaustausch (AIA) in Steuerfragen bei. Damit verpflichtete sie sich, auch in Fällen von Steuerhinterziehung Informationen ausländischer Kunden offenzulegen. Seit dem Jahr 2017 sind die Rechtsgrundlagen für den AIA in Kraft, ein Jahr später tauschte die Schweiz erstmals Daten mit anderen Ländern aus.

Schweizer Banken werben stärker um Auslandskunden

Der Wegfall des steuerlichen Bankgeheimnisses bringt die Schweiz um einen wichtigen Wettbewerbsvorteil. Seit 2009 ziehen ausländische Kunden ihr Geld aus dem Schweizer Finanzplatz vermehrt ab. Die Wertpapierbestände ausländischer Privatkunden sind seitdem von knapp 680 Mrd. Franken auf heute 510 Mrd. Franken gesunken, zeigen Zahlen der Schweizer Nationalbank. Der Depotbestand ausländischer Privatkunden schrumpfte seit 2009 von 62 Prozent auf 45 Prozent. Laut einer Studie der Unternehmensberatung EY aus dem Jahr 2018 geben zwar nur elf Prozent der Schweizer Banken an, dass sie bedeutende Vermögensabflüsse von mehr als zehn Prozent hinnehmen mussten. Allerdings hat sich der Anteil der Banken erhöht, die Einbußen von zwei Prozent und mehr verzeichnet haben – von weniger als einem Drittel auf 42 Prozent.

Zuflüsse von ausländischen institutionellen Kunden konnten die Verluste im Geschäft mit ausländischen Privatkunden laut EY teilweise kompensieren. Auch sieht es im Inland vielversprechender aus: So sind die Wertpapierbestände inländischer Privatkunden seit 2009 von unter 400 Mrd. auf mehr als 600 Mrd. Franken angestiegen. Das liegt auch daran, dass die Schweizer Banken den heimischen Markt nun attraktiver gestalten, etwa durch zusätzliche Standorte und eine breitere Produktpalette.

Fest steht jedoch: Ohne das Bankgeheimnis müssen sich Schweizer Banken stärker um Auslandskunden bemühen – und beweisen, dass sich auch ohne eine steuerliche Sonderregelung Potenziale für ausländische Kunden bieten. Denn nicht nur das rückläufige Interesse ausländischer Privatkunden zeigt einen Bedeutungsschwund des Finanzplatzes Schweiz. Auch innerhalb des Landes spielt er eine immer geringere Rolle: Laut der Schweizer Nationalbank hat sich der Wertschöpfungsbeitrag der Banken an der Schweizer Volkswirtschaft seit 2007 mit einem Anteil von 4,8 Prozent fast halbiert.

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