Während der Finanzkrise warnten Analysten vor Aktien von Banken. Vor allem die Titel europäischer Geldhäuser sollten Investoren meiden „wie der Teufel das Weihwasser“ – so drastisch drückte sich etwa die US-amerikanische Bankanalystin Meredith Whitney im Jahr 2010 aus. Mittlerweile hat sich die Stimmung gedreht: Analysten halten die Aktien europäischer Banken wieder für interessant. Viele der Papiere seien zurzeit günstig zu haben. Branchenbeobachter rechnen zudem mit steigenden Kursen und halten den Einstiegszeitpunkt für günstig. Grund für den neuen Optimismus ist vor allem die Erholung der Wirtschaft im Euroraum: Banken profitieren besonders, wenn sich das Wirtschaftsumfeld aufhellt. Denn wenn die Konjunktur anzieht, häufen sich weniger „faule Kredite“ – das sind Darlehen, bei denen ungewiss ist, ob der Kreditnehmer sie tatsächlich zurückzahlen kann. Viele Banken haben in der Krise Rückstellungen für solche Fälle gebildet. Der Wirtschaftsaufschwung spült ihnen nun wieder mehr Geld in die Kassen, weil Bankkunden neue Kredite aufnehmen und Kreditnehmer ihre Darlehen wieder zuverlässiger tilgen können. Demnach können die Geldinstitute ihre Rückstellungen allmählich wieder reduzieren – das verbessert ihre Erträge.
Bankenunion bringt Stabilität
Die von der Europäischen Union angestrebte Bankenunion gilt bei Analysten ebenfalls als positives Signal für die Finanzbranche. Banken sollen künftig stärker reguliert und zentral überwacht werden, um zu verhindern, dass ein wackelndes Finanzinstitut ganze Staaten in wirtschaftliche Schwierigkeiten bringt. „Die Bankenunion wird der Branche zusätzliche Stabilität verleihen“, sagt Carmel Wellso, Fondsmanagerin und Analystin beim US-Vermögensverwalter Janus. Die Finanzbranche biete Investoren deshalb derzeit gute Anlagechancen. Viele Investoren sind allerdings noch vorsichtig, halten den Kauf von Bankaktien weiter für riskant. „Es gibt aber inzwischen keine guten Gründe mehr, dem Sektor mit massiver Zurückhaltung zu begegnen“, sagt John Bennett, Head of European Equities und Fondsmanager des Henderson Gartmore Continental European Fund (ISIN: LU0201071890). Er hat bereits im November vergangenen Jahres begonnen, wieder mehr Bankaktien ins Portfolio seines Fonds zu nehmen und hält die Papiere momentan für stark unterbewertet. Das durchschnittliche Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) für europäische Bankaktien liegt derzeit etwa bei zehn. Für Anleger bedeutet das in den Augen Bennetts: Wer jetzt kauft, bekommt Papiere mit Kurspotenzial zu einem günstigen Preis. Eine gewisse Risikofreude sollten Anleger bei Bankaktien dennoch mitbringen. „Das Geschäft europäischer Banken wird in hohem Maße von der globalen Wirtschaftslage, dem lokalen Marktumfeld und der Situation an den Kapitalmärkten beeinflusst“, sagt Nick Davey, Analyst bei der Schweizer Großbank UBS. Die Geldinstitute seien vielen äußeren Einflüssen ausgesetzt, was die Kurse ihrer Aktien oft stärker schwanken lasse als die Kurse von Papiere aus anderen Branchen.
Deutsche-Bank-Aktie im Aufiwind
Wer dieses Risiko in Kauf nimmt, kann jetzt allerdings profitieren. Vor allem die Aktie der Deutschen Bank gilt bei Analysten als Schmankerl für Schnäppchenjäger: Mit einem KGV von 7,43 liegt sie unter dem Branchendurchschnitt. Mit Blick auf die Sparpläne der Bank und den beschleunigten Risikoabbau erwarten Branchenbeobachter, dass der Kurs des Papiers weiter steigt. In den vergangenen Wochen hat die Aktie bereits zugelegt. Ähnlich günstig bewertet ist derzeit die französische Crédit Agricole, die ihren Kurs seit Juli mehr als verdoppelt hat. Das KGV der Aktie liegt derzeit bei 7,61. Der Verkauf der griechischen Banktochter Emporikki wird nach Ansicht von Analysten wesentlich zu weiter steigenden Kursen beitragen. Nicht nur im Euroraum, in ganz Europa stehen die Banken wieder besser da als in den vergangenen Krisenjahren. „Die britischen Geldinstitute HSBC und Standard Chartered erwirtschaften kontinuierlich hohe Erträge“, sagt UBS-Analyst Davey. Anleger könnten somit solide Dividendenzahlungen erwarten – und steigende Aktienkurse.
Morgenluft nach der Krise
Weitere Themen aus der Invest-Rubrik: Wieder unter Strom, Die Unerschütterlichen und Hoch hinaus