Die Menschen in Venezuela hungern. In dem einst reichen südamerikanischen Land werden Lebensmittel knapp, berichten zahlreiche Medien. Auch an Medikamenten fehlt es. Für Bent Lystbæk, Fondsmanager bei Danske Invest, ist das kein Grund, auf eine Investition in venezolanische Staatsanleihen zu verzichten. Im Gegenteil: „Im krisengebeutelten Venezuela liegen in diesem Anlagesegment Chancen“, schreibt er in einem Marktkommentar. Auch andere Investmentgesellschaften empfehlen derzeit solche Papiere. Und Anleger greifen zu.
Verständlich: Bei Staatsanleihen aus bonitätsstarken Industrieländern wie Deutschland oder Frankreich liegen die Zinsen so tief, dass sich eine Investition kaum noch lohnt. Viele Investoren zieht es deshalb in Schuldtitel aus Schwellenländern. Dabei gehen sie allerdings immer höhere Risiken ein und investieren mittlerweile sogar in Länder, die noch vor einiger Zeit als viel zu unsicher gegolten hatten.
Robert Reichle, Fondsmanager bei Berenberg, rät zwar von einem Anleihe-Investment in Venezuela ab. Insgesamt hält er die Rentenmärkte der Schwellenländer aber für attraktiv. „Die Fundamentaldaten in den Emerging Markets haben sich nach Jahren der Dürre verbessert. Die Länder sind wieder wettbewerbsfähiger“, sagt er. Die Mehrheit der institutionellen Investoren geht davon aus, dass sich Emerging-Markets-Anleihen künftig gut entwickeln werden, zeigt eine Umfrage des Fondsanbieters NN Investment Partners. Rund 54 Prozent der Institutionellen sind überzeugt, dass das Engagement in Schwellenländer-Anleihen in den kommenden drei Jahren zunehmen wird. Nur sieben Prozent der Befragten erwarten einen Rückgang.
Kreditwachstum birgt Gefahren
Nicht einmal die Geldpolitik der US-Notenbank Fed bereitet Schwellenländer-Investoren derzeit übermäßige Sorgen. Dabei hat die Fed auf ihrer Sitzung im September angedeutet, dass sie im Dezember die Leitzinsen anheben könnte. Ein ähnliches geldpolitisches Signal hatte vor drei Jahren einen Kurssturz in den Schwellenländern ausgelöst. Sollte die Fed Ende dieses Jahres tatsächlich Ernst machen, dürfte das die Emerging Markets aber weniger hart treffen als zuvor, prognostizieren Experten. Erstens gibt es Anzeichen dafür, dass die Wirtschaft in den Schwellenländern nach fünf mageren Jahren allmählich wieder stärker wächst. Zweitens haben viele Emerging Markets ihren Haushalt in Ordnung gebracht und weisen inzwischen einen Leistungsbilanzüberschuss auf. Das macht sie stabiler gegenüber Turbulenzen. Marktbeobachter erwarten zudem, dass die Fed die geldpolitische Normalisierung nur langsam und mit kleinen Schritten angehen wird. So bleibt den Schwellenländern mehr Zeit für wirtschaftspolitische Anpassungen.
Die Risiken für Privatanleger bleiben trotzdem hoch. Insbesondere das starke Kreditwachstum in vielen Emerging Markets birgt Gefahren. Wenn Anleihe-Emittenten nicht mehr in der Lage sind, ihre Anleihen zu bedienen, haben die Gläubiger das Nachsehen. So könnte es auch im Fall von Venezuela enden. Das Land ist stark von seinen Öleinnahmen abhängig. Wertet der US-Dollar deutlich auf, drohen Probleme, denn ein teurer Greenback drückt üblicherweise die Rohstoffpreise. Um nicht zu riskieren, dass Öl beschlagnahmt wird oder Ölzahlungen bei internationalen Banken eingefroren werden, werde die venezolanische Regierung zwar versuchen, ihren Zahlungsverpflichtungen um jeden Preis nachzukommen, sagt Fondsmanager Lystbæk. Ob sie es schafft, ist eine andere Frage.
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