In letzter Zeit scheint es Gegenwind für den nachhaltigen Wandel zu geben. Dieser wird vor allem von populistisch motivierten Politikern angeheizt. Sie reagieren damit auf die zunehmende Konzentration auf ökologische und soziale Fragen sowie gute Unternehmensführung (ESG) in der Wirtschaft und insbesondere im Finanzsektor.
In den USA ist diese Reaktion am stärksten ausgefallen. Dort wird das Investieren auf der Grundlage von ESG-Faktoren immer schwieriger. Bislang haben 18 Bundesstaaten Anti-ESG-Gesetze erlassen, und mehr als ein Dutzend erwägen, dies zu tun. Dies hat weitreichende Folgen, wie wir kürzlich gesehen haben. Einige große US-Vermögensverwalter haben sich aus Climate Action 100+ zurückgezogen, einer Partnerschaft, die sich dem Klimaschutz verschrieben hat.
Inzwischen wächst auch in Europa die Besorgnis, dass nachhaltige Investoren verstärkt unter die Lupe genommen werden. Angesichts des politischen Stimmungswandels bei den jüngsten Wahlen und der Tatsache, dass „grüne“ Initiativen in Europa unter Druck geraten sind, wie etwa die jüngste Pestizidgesetzgebung, sind diese Bedenken verständlich.
Anti-ESG-Gesetz in den USA – bald auch in Europa?
Zwei Aspekte werden in dieser Diskussion jedoch häufig übersehen: Europa unterscheidet sich grundlegend von den Vereinigten Staaten, und Nachhaltigkeit ist keine freie politische Entscheidung, sondern ein existenzielles Risiko, auch für den Finanzsektor und die Investoren.
In Europa wurden inzwischen die erforderlichen Rechtsvorschriften erlassen, die eine solide Grundlage für mehr Nachhaltigkeit in Wirtschaft und Gesellschaft bilden. Nehmen Sie zum Beispiel die Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen, die Unternehmen dazu zwingt, ab 2025 ihre positiven und – noch wichtiger – negativen Auswirkungen transparent darzulegen. Ein wichtiger Schritt nach vorn.
Darüber hinaus spielen die Aufsichtsbehörden im Finanzsektor eine wichtige Lenkungsrolle. So etwa die Europäische Zentralbank (EZB), die von den Banken verlangt, klimabedingte Finanzrisiken besser zu erkennen. Dies ist eine verständliche Haltung, denn die Risiken des Klimawandels und des Verlusts der biologischen Vielfalt sind offensichtlich sowie real und betreffen daher auch das Finanzsystem. Der Finanzsektor trägt hier eine große Verantwortung und muss im Interesse der Aktionäre und aller anderen Beteiligten entsprechend handeln. Die Bewältigung und Verringerung dieser Risiken und die Wahrung der ESG-Grundsätze sind daher keine freie politische Entscheidung, sondern eine aufsichtsrechtliche Anforderung in unser aller Interesse.
Finanzsektor in der Pflicht
Gerade in diesen Zeiten des offensichtlichen Gegenwinds muss der Finanzsektor seine führende Rolle bei der Beschleunigung des Übergangs zur Nachhaltigkeit übernehmen. Um dies zu erreichen, bedarf es einer stabilen und vorhersehbaren Politik. Es ist daher mehr als wünschenswert, dass der Finanzsektor dem Beispiel der Triodos Bank folgt und die Initiative Fossil Fuel Non-Prolieferation Treaty unterstützt, die Regierungen davon zu überzeugen, einen Vertrag über die Nichtverbreitung fossiler Brennstoffe zu schließen. Mit einem solchen Vertrag kann die auf der letzten Klimakonferenz COP28 erhobene Forderung nach einem weltweiten Ausstieg aus fossilen Brennstoffen erfüllt werden.
Ein solcher Vertrag ist der weltweit fehlende rechtliche Mechanismus, um die Lücke zwischen den Netto-Null-Ambitionen vieler Unternehmen und Länder sowie dem Erreichen des Pariser Klimaabkommens zu schließen. Er schafft gleiche Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen, Finanzinstitute, Regierungen und alle anderen Akteure weltweit und fördert eine faire und gerechte Energiewende für alle.
Nun kann ich mir vorstellen, dass viele denken, das sei nicht machbar. Aber das Gegenteil ist der Fall. Als globale Gemeinschaft haben wir bereits bewiesen, dass wir tatsächlich weltweit verbindliche Vereinbarungen treffen können. Ein Paradebeispiel für ein solches Abkommen zwischen Ländern ist das Montrealer Protokoll. Dank dieses internationalen Abkommens von 1987 verwenden wir keine ozonabbauenden Stoffe mehr, und mehr als 35 Jahre später können wir feststellen, dass sich die Ozonschicht nachweislich erholt hat.
In dieser entscheidenden Phase, in der sich der Gegenwind für ESG zu verstärken scheint, sollten wir gemeinsam den richtigen Weg einschlagen und auf dem richtigen Kurs bleiben. Alle Anstrengungen sollten sich auf die Beschleunigung des Ausstiegs aus fossilen Brennstoffen und die globale Energiewende konzentrieren.
Der Finanzsektor spielt bei diesem Übergang eine wichtige Rolle, wie in Klimaabkommen und Selbstverpflichtungen in verschiedenen Ländern bereits festgelegt wurde. Die Unterzeichnung des Aufrufs zu einem Vertrag über die Nichtverbreitung fossiler Brennstoffe ist der logische und notwendige nächste Schritt zum Ausstieg aus schädlichen Emissionen. Wir sind es den künftigen Generationen schuldig, unseren Planeten in einem lebenswerten Zustand weiterzugeben.