Der Zugang zu Aktien und Börse ist heute so einfach wie noch nie. Bleibt nur noch die Frage, wie man am besten anfängt. Diese Regeln helfen weiter:
Die erste Regel:
Investiere nur Geld, auf das du im Notfall auch verzichten kannst. Langfristig gesehen haben Aktien in der Vergangenheit sehr gute Renditen abgeworfen. Allerdings gibt es diese Rendite nur wegen des entsprechenden Risikos. Es wird also immer wieder Jahre geben, in denen die Aktien nicht so gut performen und das eigene Depot im Minus ist. Und Investments in einzelne Aktien können im schlimmsten Fall mit einem Totalverlust enden. Deshalb sollte man nie Geld investieren, auf das man kurzfristig angewiesen ist.
Außerdem sollte man auch nicht sofort das gesamte Ersparte in Aktien anlegen. Das bringt langfristig zwar wahrscheinlich mehr Geld als das Sparbuch, aber man muss erst mal lernen, mit den Schwankungen an der Börse umzugehen. Gerade Anfängern fällt es oft schwer, ruhig zu bleiben, wenn das eigene Depot „unter Wasser“ ist und man Verluste gemacht hat. Panisch zu verkaufen ist so ziemlich das Schlimmste, was man in so einer Situation machen kann. Deshalb sollte man sich erst einmal mit kleineren Summen an die Schwankungen der Börse gewöhnen und das eigene Depot Stück für Stück aufbauen.
Die zweite Regel:
Investiere regelmäßig. Egal, ob die Börsen gerade besonders gut oder schlecht laufen. Einer der einfachsten Wege dahin sind sogenannte Sparpläne. Mit denen investiert man automatisch und in regelmäßigen Abständen einen bestimmten Betrag in verschiedene Aktien oder Fonds. Das hat vor allem psychologische Vorteile. Viele Investoren tendieren nämlich dazu, besonders viel zu investieren, wenn es an den Börsen gerade gut läuft. Ist auch logisch: Wenn man gerade 20 Prozent Gewinn mit seinen Aktien gemacht hat, will man sofort noch mehr Geld in die Börse stecken.
Wenn man hingegen gerade hohe Verluste gemacht hat, ist die Lust auf noch mehr Börse wahrscheinlich nicht so groß. Eigentlich sollte man aber eher das Gegenteil machen. Wenn eine Aktie um 20 Prozent zulegt, ist das für die bisherigen Investoren super. Aber für neue Investoren ist sie dadurch 20 Prozent teurer. Zu kaufen, wenn’s besonders gut läuft, ist, als würde man tanken gehen, wenn die Benzinpreise besonders hoch sind. Um sich bei Investments nicht so sehr von der eigenen Psychologie leiten zu lassen, macht so ein Sparplan also viel Sinn. Vor allem, weil man mit einem Sparplan besonders viele Aktien kriegt, wenn die Preise gerade günstig sind.
Nehmen wir als Beispiel einen Sparplan für Aktien, der jeden Monat 50 Euro investiert. Wenn die Aktie der Wahl gerade recht teuer ist und 50 Euro kostet, dann wird der Sparplan in dem Monat nur eine Aktie kaufen. Wenn die Aktie aber auf 25 Euro fällt, dann kauft der Sparplan automatisch zwei Aktien. Mit Sparplänen kauft man also automatisch mehr Aktien, wenn die Kurse günstig sind. Diesen Effekt bezeichnet man auch als Cost-Average-Effekt.
Die dritte Regel:
Time in the market beats timing the market. Wenn man sich Aktienkurse genauer ansieht, wird man schnell eine Strategie erkennen, die verdammt viel Kohle bringen würde: dann kaufen, wenn der Kurs seinen Tiefpunkt erreicht. Dann verkaufen, wenn der Kurs ganz oben ist. Genau diese Strategie versuchen Investoren seit Jahrhunderten umzusetzen. Einziges Problem: Sie funktioniert nicht. Niemand weiß nämlich im Vorhinein, wann der Höhepunkt oder Tiefpunkt erreicht ist. Und wer versucht, die Börse zu timen, wird damit in den meisten Fällen nur Geld verlieren.
Deshalb sind viele erfolgreiche Investoren wie Warren Buffett auch langfristige Anleger, die ihr Geld dauerhaft in Aktien stecken. Egal, ob es gerade rauf- oder runtergeht. Wieso das sinnvoll ist, zeigt eine eindrucksvolle Statistik der Bank of America. Wenn man zwischen 1930 und 2020 durchgehend in den S&P 500 investiert hat, hat man um die 17.715 Prozent Rendite gemacht. Hätte man aber in jedem Jahrzehnt nur die zehn besten Tage verpasst, wären’s gerade mal 28 Prozent. Wenn man versucht, die Börse zu timen und deshalb über lange Zeit nicht investiert ist, verpasst man also möglicherweise den Großteil der Rendite.
Die vierte Regel:
Kauf nur, was du verstehst. BioNTech ist schon jetzt eine der unglaublichsten Wirtschaftsgeschichten dieses Jahrtausends. Was 2019 noch eine kleine Mainzer Forschungsfirma war, die fast 200 Millionen Euro Verlust gemacht hat, gehörte zwei Jahre später mit einem Gewinn von mehr als 10 Milliarden Euro zu den wichtigsten Firmen Deutschlands. Die Gründer Uğur Şahin und Özlem Türeci wiederum wurden auf einen Schlag mehrfache Milliardäre. Und auch die restlichen Aktionäre haben unfassbare Rendite gemacht und ihr Geld zwischenzeitlich verdreißigfacht.
Obwohl der Aufstieg bei BioNTech besonders krass ist, sind sehr hohe Renditen bei jungen Biotech-Firmen gar nicht ungewöhnlich. Denn wenn ein Medikament die Zulassung von den Behörden bekommt, verdient die dahinterstehende Firma damit oft Milliarden. Trotzdem sollte man gerade als Privatanleger sehr vorsichtig bei solchen Aktien sein. Für jede erfolgreiche Firma wie BioNTech gibt es nämlich fünfzig Unternehmen, deren Medikamente nicht zugelassen wurden.
Wer nicht wirklich was von Medizin und den Dynamiken dahinter versteht, sollte bei solchen Investments sehr vorsichtig sein. Und das gilt nicht nur für Biotech-Aktien. Warren Buffett empfiehlt zum Beispiel, nur in Aktien zu investieren, die im eigenen „Circle of Competence“ liegen. Heißt auf Deutsch: Investiere nur in Firmen, die du auch verstehst. Das bedeutet zum einen, dass man sich vor einem Investment gut informieren muss. Denn klar, jeder kennt Coca-Cola oder McDonald’s. Aber wer weiß schon, wie diese Firmen konkret Geld verdienen? Coca-Cola zum Beispiel macht einen großen Teil seines Umsatzes nicht mit dem Getränkeverkauf, sondern mit dem Verkauf von Sirup. Coca-Cola verkauft also nur den Sirup an Abfüllunternehmen, die dann das fertige Getränk produzieren und es schlussendlich in den Handel bringen.
McDonald’s wiederum verdient das meiste Geld mit Franchisenehmern, die Gebühren zahlen, damit sie die Marken und Rezepte von McDonald’s nutzen dürfen. Burger zu verkaufen ist also gar nicht das Kerngeschäft von McDonald’s. Außerdem hat die Firma zum Beispiel sehr viele Immobilien, was man als Aktionär wissen sollte, um das Investment richtig einschätzen zu können. Wie man sich richtig über einzelne Aktien informiert, werden wir später noch sehr ausführlich erklären. Aber natürlich kann man den Kompetenzkreis damit auch nicht so einfach erweitern. Nur weil man sich ein paar Artikel über Biotech durchliest, hat man nicht zwangsläufig ein gutes Verständnis für die Medikamente dahinter.
Selbst wenn Branchen noch so gehypet werden, sollte man in vielen Fällen also nicht investieren, wenn man die Hintergründe nicht versteht.
Die fünfte Regel:
Entspann dich, es gibt keinen Tipp. Auch mal Nein zu sagen und nicht auf jeden Hype aufzuspringen, ist generell eine der wichtigsten Fähigkeiten für jeden Investor. Denn es gibt immer wieder Leute, die einem das neueste heiße Investment andrehen wollen, mit dem man angeblich ohne Risiko ganz viel Geld verdient. Genau solche Investments gibt es aber nicht. Wo Rendite ist, ist so gut wie immer ein entsprechendes Risiko.
Und wenn es mal ein so unglaublich attraktives Investment geben sollte, erfährt man davon als Kleinanleger wahrscheinlich erst als Letzter. Schließlich gibt’s auf der Welt Tausende Banker, die in Harvard, Stanford oder sonst wo studiert haben und sich den ganzen Tag nur Gedanken machen, wie sie möglichst viel Geld an der Börse verdienen können. Dass die attraktivsten Investments dann ausgerechnet einem Kleinanleger zufallen, der sich hin und wieder mit der Börse be- schäftigt, ist ziemlich unwahrscheinlich. Deshalb hat schon der legendäre Börsianer André Kostolany gesagt, dass es an der Börse keine guten Tipps gibt. Der einzig gute Tipp: Geh in die Apotheke, besorg dir Schlafmittel, kauf dir die weltweit besten Aktien und dann schlafen, schlafen, schlafen. Wenn du nach 20 Jahren wieder aufwachst und in dein Depot schaust, gibt’s wahrscheinlich eine erfreuliche Überraschung.
Die sechste Regel:
Verluste begrenzen. Gewinner laufen lassen. Wer langfristig in solide Aktien investiert und sich zwischenzeitlich nicht von Emotionen oder FOMO (Fear of missing out; Anm. d. Red.) ablenken lässt, hat an der Börse also schon mal sehr viel gewonnen. Das heißt allerdings nicht, dass sich Fakten nicht ändern können und man sich in bestimmten Situationen besser von einem Investment trennen sollte.
Kodak zählte zu den bedeutendsten Kameraproduzenten der Welt und hat den Markt für Filme über Jahrzehnte dominiert. Über lange Zeit machten die New Yorker satte Gewinne, und es sah so aus, als würde das für immer so weitergehen. Mit dem Durchbruch der Digitalkamera verlor die Firma allerdings den Anschluss, und seitdem kannte die Aktie eigentlich nur noch eine Richtung, nämlich nach unten. Das ging sogar so weit, dass Kodak in die Insolvenz schlitterte und 2013 den Neuanfang startete.
In solchen Situationen machen viele Investoren den Fehler, dass sie sich in die eigenen Aktien verlieben. Sollten sie dann fallen, weigern sie sich, den Tatsachen ins Gesicht zu schauen. Selbst wenn alle Umstände irgendwann gegen eine Firma sprechen, schrecken sie davor zurück, ihre Aktien zu verkaufen. Denn mit dem Verkauf müssten sie sich eingestehen, dass sie vielleicht einen Fehler gemacht haben. Und das tut weh.
Manche klammern sich daher an die Hoffnung, dass sich die Kurse irgendwann wieder erholen und man die Aktien so ohne Verluste verkaufen kann. Einige kaufen vielleicht sogar noch nach, weil sie denken, dass die Kursschwäche einen besonders günstigen Einstiegszeitpunkt bietet. Doch das gleicht dem Griff ins fallende Messer und bedeutet nichts anderes, als dass man gutes Geld schlechtem hinterherwirft. Wenn sich die wirtschaftlichen Aussichten einer Firma immer weiter verschlechtern, ist es fast immer besser, die Verluste schnell zu begrenzen. Lieber früh etwas Geld verlieren, als ewig auf die Kehrtwende zu warten, um am Ende noch mehr Cash zu versen- ken.
Klar ist es möglich, dass eine Aktie nach herben Verlusten ins Positive dreht und den Kurssturz wieder wettmacht. Das kann mitunter aber sehr lang dauern, selbst wenn man von der Firma überzeugt ist. Denn Aktienkurse können über Monate oder länger von Euphorie oder Panik getrieben werden. An der Börse gibt es dafür ein Sprichwort: Der Markt kann länger irrational bleiben als man selbst liquide.
Meist ist es schlauer, nicht dagegen anzukämpfen. Vor allem wenn es Alternativen gibt, die deutlich bessere Aussichten auf Erfolg haben. Wer lange darauf wartet, dass eine Aktie fünf verlorene Prozent aufholt, verpasst vielleicht die Aktie, die zwanzig oder mehr Prozent zulegt. Zeit und Geld aller Investoren ist begrenzt. Beides mit Aktien zu verschwenden, die sich aufgrund echter Probleme anders entwickeln als erwartet, ist daher wenig ratsam.
Aber versteht uns nicht falsch. Das alles soll nicht heißen, dass man beim kleinsten Rückschlag kurzen Prozess machen und direkt alles verkaufen soll. Es geht vielmehr darum, dass man ehrlich zu sich selbst ist und nicht mit Hoffnung, sondern Verstand investiert. Das kann eben auch heißen, sich frühzeitig von einem Verlierer zu trennen, um eine bessere Investmentmöglichkeit wahrzunehmen.
Doch viele Investoren halten nicht nur zu lange an ihren Verlierern fest, sondern verkaufen auch ihre Gewinner viel zu früh. Legt eine Aktie die ersten paar Prozent zu, fängt man schnell an, zu träumen, was man sich von den Gewinnen alles kaufen könnte. Dann setzt die Panik ein, dass die Stimmung an der Börse kippen könnte, die Aktie wieder fällt und die Gewinne flöten gehen. Der ein oder andere ist daher versucht, die Aktie vorher zu verkaufen und bestehende Kursgewinne zu realisieren. Doch wer das tut, lässt sich mitunter große Chancen entgehen. Nicht selten steigt die Aktie dann nämlich noch sehr viel höher und fällt vielleicht nie wieder auf den Kurs, zu dem vorschnell verkauft wurde.
Theoretisch kann eine Aktie immer weiter steigen und selbst im schlimmsten Fall nur auf null fallen. Entgangene Gewinne können dadurch mitunter viel schmerzhafter sein als potenzielle Verluste. Wer gute Firmen im Portfolio hat, sollte also der Versuchung widerstehen, die Taube auf dem Dach gegen den Spatz in der Hand zu tauschen. Das gilt natürlich nur, wenn die Firmen sich fundamental gesehen weiterhin gut entwickeln und nicht vollkommen irrational bewertet sind – aber dazu später mehr.
Last but not least:
Lege nie alle Eier in einen Korb. Wenn ihr mit der Börsen-Lingo noch nicht so vertraut seid, klingt die Regel wahrscheinlich ziemlich komisch. Sie bedeutet aber einfach nur, dass man nicht sein ganzes Geld auf die Aktien einer einzigen Firma setzen soll. Stattdessen macht es Sinn, in viele verschiedene Aktien zu investieren.
Selbst die solidesten Firmen können pleitegehen, sodass ihre Aktien in den Keller rauschen und das Investment im Totalverlust endet. Nokia und BlackBerry haben die Handybranche lange Zeit dominiert und galten als unangreifbar. Dann betrat der Chef eines Computerherstellers im Rollkragenpullover die Bühne und brachte der Welt das iPhone. Was danach geschah, ist Geschichte – genau wie die Dominanz von Nokia und BlackBerry.
Wer glaubt, dass er ein glückliches Händchen hat und sich nur Gewinner ins Portfolio packt, kann schnell eines Besseren belehrt werden. Gerade über einen langen Investmenthorizont ist es verdammt schwer abzuschätzen, welche Firmen in zwanzig oder dreißig Jahren an der Spitze ihrer Industrie stehen werden. Der nächste Konkurrent, die nächste technologische Innovation oder der nächste Skandal sind oft nur einen Wimpernschlag entfernt.
Investiert ihr euer Geld in nur eine Aktie, die später auf null fällt, ist der gesamte Einsatz weg. Wer sein Geld gleichmäßig auf zwei Aktien verteilt, verliert hingegen nur 50 Prozent, wenn die andere stabil bleibt. Bei 100 Aktien liegt der Verlust sogar nur bei einem Prozent. Wenn die restlichen 99 gut performen, macht man dann sogar noch Gewinne. In die andere Richtung gilt das aber nicht so stark: Eine Aktie kann zwar nur um 100 Prozent fallen, aber auch um 10.000 Prozent steigen. Das Gewinnpotenzial wird durch Diversifikation also weniger stark eingeschränkt.
Klar, es kann auch sein, dass viele verschiedene Aktien gleichzeitig baden gehen – das ist aber eher unwahrscheinlich. Als grobe Regel gilt daher: Je mehr verschiedene Aktien ihr habt, desto weniger Risiko geht ihr ein. Börsianer nennen das Diversifikation. Es gibt allerdings einen Haken. Auch viele verschiedene Aktien bieten nur wenig Sicherheit, wenn sie den gleichen Risiken ausgesetzt sind. Sollte beispielsweise ein Gesetz verabschiedet werden, das Bier verbietet, werden die Aktien von Anheuser-Busch, Carlsberg und Heineken vermutlich alle unter die Räder kommen. Selbst wenn ihr euer Geld auf alle Brauereien dieser Welt verteilt habt, müsstet ihr dann vermutlich massive Verluste verkraften.
Es kommt also nicht nur auf die Anzahl verschiedener Aktien an, sondern auch auf die Risiken, denen sie ausgesetzt sind. Wer richtig diversifizieren will, setzt daher auf einen breiten Korb an Aktien aus verschiedenen Ländern und Industrien. Die gute Nachricht: Man muss diesen Korb gar nicht selbst zusammenstellen.Dafür gibt’s nämlich sogenannte ETFs (Exchange Traded Funds). Das sind Fonds, die ähnlich wie eine Firma an der Börse gehandelt werden. Anders als Firmen stellen sie allerdings keine Handys her, bauen keine Autos und fördern kein Öl. Stattdessen sammeln sie das Geld vieler Anleger und investieren es anschließend in verschiedene Aktien.
MSCI World ETFs investieren zum Beispiel in mehr als 1.500 der größten börsennotierten Firmen der Welt. S&P 500 ETFs investieren in die 500 größten Firmen der USA, während DAX ETFs das Geld ihrer Investoren in den 40 größten Firmen Deutschlands anlegen. Es gibt aber auch ETFs, mit denen sich in bestimmte Branchen oder Themen investieren lässt. Der Fantasie sind da kaum Grenzen gesetzt, wobei Seiten wie justetf.com einen guten Überblick geben, was alles möglich ist und welche Unterschiede zwischen den Anbietern bestehen. Aber dazu später mehr. Genau wie bei Aktien sind Investments in ETFs schon ab sehr wenigen Euros möglich. Außerdem könnt ihr eure Anteile jederzeit wieder verkaufen und so in Cash verwandeln.