Anzeige

Aktien US-Hedgefonds entdecken Europa wieder

Blick auf die New York Stock Exchange: Die Wall Street verliert an Reiz für Hedgefonds-Investoren
Blick auf die New York Stock Exchange: Die Wall Street verliert an Reiz für Hedgefonds-Investoren
© IMAGO / Xinhua
Profi-Investoren in den USA glauben nicht an eine Fortsetzung der Tech-Rally – stattdessen sehen sie in Europa Chancen

Wie widerstandsfähig ist die Aktienrally der letzten Monate, die vor allem von US-Tech-Werten angeführt wurde? Amerikanische Hedgefonds geben zunehmend eine neue Antwort auf diese Frage – sie haben aus diesem Grund ihre Wetten auf einen steigenden US-Aktienmarkt auf den niedrigsten Stand seit mindestens einem Jahrzehnt gesenkt. Stattdessen wenden sie sich Europa zu.

Prime-Brokerage-Daten von Goldman Sachs zeigen, dass Hedgefonds den US-Aktienmarkt so gering gewichten wie seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2013 nicht mehr. Gleichzeitig haben sie ihre Wetten auf europäische Aktien auf den höchsten Stand aller Zeiten erhöhen.

Alison Savas von der Investmentfirma Antipodes Partners mit Sitz in Australien sagte, dass die von Nvidia, Apple oder Amazon angeführte US-Rally zu einer Überbewertung einiger Unternehmen im Vergleich zu ihrem Gewinnpotenzial geführt habe. „Es ist schwer, die Multiples vieler dieser Technologieunternehmen zu rechtfertigen“, so Savas.

Kommt ein Konjunkturabschwung?

Antipodes Partners verwaltet ein Vermögen von 10 Mrd. Dollar und hat mit etwa 30 Prozent vergleichsweise viel in Europa investiert. „Wir glauben auch, dass Nvidia ein großartiges Unternehmen ist, aber als Value-Investoren können wir dieses Multiple nicht nutzen“, so Savas. „Wir investieren in multinationale Unternehmen in Europa, die im Vergleich zu ähnlichen Unternehmen in anderen Märkten wie den USA mit einem Abschlag bewertet sind.“

Der Nasdaq Composite hat gerade seine beste erste Jahreshälfte seit vier Jahrzehnten hingelegt und ist im bisherigen Jahresverlauf um etwa 31 Prozent gestiegen; der S&P 500 hingegen hat um etwa 15 Prozent zugelegt. Da die US-Notenbank die Zinsen jedoch weiter anheben will, um die Inflation zu bekämpfen, dürfte nach Ansicht vieler Analysten ein Konjunkturabschwung folgen – weshalb einige Fondsmanager der Meinung sind, dass sich die Marktrally bald umkehren könnte.

Die europäischen Aktien haben sich unterdessen verhaltener entwickelt: Der Stoxx 600 hat in diesem Jahr rund fünf Prozent zugelegt, während der FTSE 100 im Minus liegt. „Hedgefonds beginnen, sich für Abwärtsrisiken bei US-Aktien zu positionieren“, schrieb Goldman-Analyst Vincent Lin kürzlich in einer Mitteilung an Kunden.

Nicht alle Investoren glauben an Europa

Fonds, die von der Auswahl einzelner Gewinner und Verlierer profitieren wollen, hätten in einem Markt, in dem eine Reihe hoch bewerteter Aktien für den Großteil der Kursgewinne gesorgt hat, nur noch wenige Möglichkeiten, sagt Samantha Rosenstock vom Hedgefonds Man FRM. „Die Long-Short-Manager sehen keine große Streuung zwischen den Unternehmen. Umgekehrt sind die Bewertungen in Europa niedriger – und damit attraktiver.“

Nicht alle Investoren positionieren sich allerdings so. Daten zu Call-Optionen, die als guter Stimmungsindikator dienen, zeigen, dass der EU-Leitindex Euro Stoxx 50 derzeit nicht besonders nachgefragt wird. Steigen die Zinsen, „sollten Value-Aktien sich besser entwickeln als Growth-Aktien, was für Europa normalerweise besser ist“, so Ankit Gheedia, Leiter der Aktien- und Derivatestrategie für Europa bei BNP Paribas. „Ich wäre jedoch vorsichtig, US-Technologieaktien und Nasdaq-Werte komplett zu verkaufen.“ 

Auch ein wichtiger US-Bankmanager warnte davor, auf eine überdurchschnittliche Entwicklung in Europa zu setzen und wies darauf hin, dass sich die US-Wirtschaft trotz steigender Zinsen bisher als widerstandsfähig erwiesen habe. „Die meisten Leute rechneten mit einer Rezession und waren der Meinung, dass die Bewertungen in den USA weit über der Realität liegen“, so der Manager. „Aber dann hat sich der Aktienmarkt in den letzten ein bis zwei Monaten um etwa zehn Prozent erholt.“

Mitarbeit: Laurence Fletcher

© The Financial Times Limited 2023

Mehr zum Thema

Neueste Artikel

VG-Wort Pixel