Gerhard Müller* kann man in Sachen Geldanlage nichts vormachen, behauptet der 68-jährige Diplomkaufmann, auch wenn er schon einige Jahre in Rente ist. Der Capital-Leser hat schließlich über Jahre "die Gelddinge seiner Familie geregelt" und ist "sehr skeptisch, wenn man ihm am Telefon etwas aufschwatzen will".
Zumindest bis er an einem Abend im April an einen professionellen Verkäufer gerät. Ein Anrufer namens Roland Glück hat den perfekten Tipp für den Privatier parat: Er könne ganz leicht von der Energiewende profitieren. Das bringe nicht nur hohe Renditen, sondern auch etwas fürs gute Gewissen, findet der Anrufer.
Auf Einwände Müllers kommt sofort die passende Antwort. Ein Risiko? "Das gibt es nicht. Schließlich ist das angelegte Geld samt Rendite von staatlicher Seite garantiert." Kein Interesse? "Wie kann man an einer steuerfreien Rendite kein Interesse haben – oder haben Sie etwa nur kein Interesse an mir oder meiner Stimme?" Schwarze Schafe? "Die gibt es in jeder Branche. Wir haben aber einen Handelsregistereintrag." Andere Angebote liegen bereits vor? "Genau dann sollten Sie sich mein Angebot zusenden lassen, um besser vergleichen zu können."
Darauf verständigt man sich dann auch. Nun liegt die Offerte im Briefkasten: ein Genussrecht einer Windpark-Firma. Ob Müller wirklich unterschreiben soll?
Anrufe wie diese gibt es seit Jahren. Mal wird vom ultimativen Aktientipp gesprochen, mal von steuerfreien Renditen, mal von Diamanten zum Schnäppchenpreis. Derzeit drehen sich viele Anrufe und E-Mails um die Energiewende – so viele, dass nun auch die Verbraucherzentrale NRW davor warnt. "Schließlich", so die Verbraucherschützer, "bestehen bei solchen Anlagen zahlreiche Risiken wie etwa Schäden an der Anlage, weniger Sonnentage oder Windstärken als erwartet, Fehlentscheidungen der Geschäftsführung –, die den Erfolg des Vorhabens beeinträchtigen können". Am Ende könnte das gesamte investierte Kapital verloren sein.
In diesem Fall spricht einiges dafür, dass es tatsächlich so kommen könnte. Da ist etwa die Form der Kontaktaufnahme: Unaufgeforderte gewerbliche Telefonanrufe sind verboten. Ebenfalls skeptisch machen sollten Anleger außergewöhnlich hohe Renditeprognosen – in diesem Fall acht Prozent. Und Renditen, die als vollkommen sicher dargestellt werden oder sogar garantiert sein sollen.
Denn das ist auch bei Investments rund um die Energiewende nicht der Fall: "Tatsächlich erhält etwa der Betreiber eines Solarparks nach dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) bis zu 20 Jahre lang einen festen Preis für den eingespeisten Strom: die so genannte Einspeisevergütung. Doch die erhält nur diejenige Anlage, die auch Strom produziert und ins Netz einspeist. Scheitert das Projekt schon während der Bau- und Planungsphase, gibt es keine Einspeisevergütung", so die Experten der Verbraucherzentrale. "Erst wenn nach Abzug diverser Kosten – etwa für Versicherungen, Wartung und Geschäftsführung – noch Geld übrig bleibt, erhalten Anleger eine Ausschüttung."
Todsicher ist daher bei solchen Anrufen nur eins: dass der Anrufer eine schöne Provision bekommt, wenn er ein Geschäft vermittelt.
* Name von der Redaktion geändert.