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Daniel Saurenz 2023 bleibt (k)ein einfaches Börsenjahr

Händler an der New Yorker Börse
Händler an der New Yorker Börse
© IMAGO / UPI Photo
Ende 2022 hatten wir den Ausblick auf das Börsenjahr 2023 sehr positiv beschrieben. Nach der Leistung im Januar muss man diese Sichtweise modifizieren. Denn manch einer übertreibt schon wieder

Erinnern Sie sich an unseren Ausblick auf das Börsenjahr 2022? 2022 wird kein lustiges Börsenjahr schrieben wir zum damaligen Jahreswechsel. Es kam dann richtig dicke im ersten Halbjahr. Zu Silvester 2022 dann schickten wir an dieser Stelle die Perspektive „Gegen den Pessimismus – warum 2023 ein grandioses Börsenjahr wird“ auf die Reise. Und es ging schneller als erhofft. Der Dax lieferte im Januar ein Feuerwerk ab. Nun aber sollte man nicht überdrehen, sondern Demut zeigen. Die Stimmungsindikatoren auf der kurzen Sicht wie unser Feingold Research Sentimentindikator sprechen Anfang Februar eine klare Sprache – Anleger sind kurzfristig völlig sorglos und blenden Risiken weitgehend aus.

Auch ein Blick auf die Gewinnerlisten des Januar unterstreicht, wie risikofreudig Anleger sind. Zalando, Coinbase, Meta oder Shopify wollte vergangenes Jahr lange Zeit niemand mit der Kneifzange anfassen. Im Januar ging es teilweise 50 bis 100 Prozent aufwärts. Je risikoreicher, desto besser war das Motto. „Dass die Verlierer des vergangenen Jahres in den ersten Wochen häufig zu den Gewinnern zählen, ist kein neues Phänomen an den Aktienmärkten. Es wäre aber fahrlässig, die Erholung bei den ehemaligen Lieblingen fortzuschreiben“, sagt Jürgen Molnar vom Broker Robomarkets. Denn ganz so einfach ist Börse dann doch nicht.

Gier und Angst bei Tesla

Euphorie und Angst sind die treibenden Faktoren an der Börse. Auch wenn Computer eine immer größere Rolle spielen, bleiben Emotionen ein wichtiger Taktgeber. Verbunden damit kommt es immer wieder zu Übertreibungen auf der Ober- und Unterseite. Die Kapriolen bei der Tesla-Aktie in den zurückliegenden Wochen sind ein gutes Beispiel.

Kurz vor Weihnachten verdrängte der Luxusmagnat Bernard Arnault Tesla-Chef Elon Musk vom Thron des reichsten Menschen der Welt. Die Medien stürzten sich auf den Niedergang des Elektroautobauers, Anfang Januar gab es die Aktie für gut 100 Dollar. Ein sattes Minus von 70 Prozent im Jahresvergleich. Inzwischen bezahlen Anleger knapp 80 Prozent mehr, der Börsenwert kletterte um mehr als 250 Mrd. Dollar.

Tesla holt Dezemberverluste auf

Zur Einordnung: Die beiden Dax-Schwergewichte Deutsche Telekom und SAP bringen zusammen ähnlich viel auf die Waage. Unter dem Strich ist aber eigentlich nicht viel passiert, erklärt Dennis Austinat, Deutschland-Chef der internationalen Multi-Asset-Plattform Trive: „Die Tesla-Aktie hat nur den scharfen Dezember-Rutsch zurückgehandelt. Auf die Übertreibung nach unten folgte eine entsprechende Gegenreaktion nach oben. So ist Börse oft“.

Unter den Nasdaq 100-Werten steht Tesla im Ranking der besten Werte seit Jahresbeginn auf Rang drei. Mit Lucid liegt aktuell eine Aktie an der Spitze, die im Vorjahr mit minus 82 Prozent die zweitschlechteste Wertentwicklung im Index verbuchte. Bei anderen Werten wie Airbnb, Meta und Amazon sieht die Story ähnlich aus.

Geduld ist nach der Kursrally gefragt

Nur wenige Anleger dürften an der Achterbahnfahrt verdient haben und kaufen nun zu höheren Kursen. Die Rechnung könnte allerdings teuer ausfallen. Wer Ende 2022 auf einem attraktiveren Niveau nicht eingestiegen ist, hat den ersten Fehler gemacht. Kauft man jetzt nach der scharfen Rally, droht die zweite Fehlentscheidung. Geduld ist daher gefragt und damit eine Eigenschaft, die viele Anleger erst lernen müssen.

Auch 2023 wird es Korrekturen geben, im Durchschnitt rutschte der Dax ausgehend vom Jahreshoch bis zum Jahrestief um rund 17 Prozent ab. Diese Rückschläge gilt es dann zu nutzen und sich dagegen im Zweifel auch abzusichern. Put-Optionsscheine auf den Dax wie jener mit der WKN SH8D7X mit Laufzeit 12/23 sind Anfang Februar so günstig wie lange nicht mehr.

Optimismus – aber nur auf lange Sicht

Unter dem Strich gibt es aber gute Gründe, mit einer gesunden Portion Optimismus auf das Gesamtjahr zu schauen, meint Norbert Betz, Leiter der Handelsüberwachung der Börse München/Gettex: „Der gute Jahresauftakt, nicht nur bei den Technologiewerten ist auch ein Zeichen von Vertrauen in den Markt.“ Untermauert wird dies durch Erfahrungswerte. So beendete der S&P 500 den Januar sechs Prozent im Plus. Auch die ersten fünf Handelstage waren positiv, zudem gab es eine kleine Weihnachtsrally nach einem schwachen Vorjahr.

Eine solche Konstellation gab es seit 1950 bisher neunmal, die Statistik ist also nicht wirklich belastbar. In allen Fällen beendete der US-Leitindex das Jahr aber im grünen Bereich. Im Durchschnitt ging es sogar um überdurchschnittliche 27 Prozent nach oben. Ein solcher Anstieg würde den S&P 500 in den Rekordbereich führen. Allerdings dürfte dies kein leichter Spaziergang werden. Wer zu schnell steigt, muss umso häufiger Luft holen oder länger pausieren. Das wissen nicht nur Bergsteiger, sondern auch erfahrene Anleger. So notiert der Sentimentindikator von Feingold Research Anfang Februar bei 149. Ab einem Level von 140 aufwärts bedeutet dies, Absicherungen einzuziehen. Zum Vergleich – im September 2022 lag er unterhalb von 80 und damit im Bereich offensiv kaufen. Stimmungen machen eben doch eine Menge aus.

Daniel Saurenz betreibt mit seinem Team das Börsenportal Feingold Research. Es bietet täglich einen Börsenbrief an, den Sie für 14 Tage kostenfrei testen können. Melden Sie sich unter info@feingold-research.com an oder probieren Sie den Börsendienst unter diesem Link aus. Trainingstage und Coachings finden Sie NEU unter feingold-academy.com

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