Ob die Börsen da mal nicht zu euphorisch sind: Berichte über eine nahende Einigung im Zollstreit zwischen der Europäischen Union (EU) und den USA haben die Aktienmärkte beflügelt. Neben den amerikanischen Indizes Dow Jones, S&P 500 und Nasdaq stieg auch der deutsche Leitindex Dax bereits am Mittwochabend. Am Donnerstagvormittag legte er weiter zu um rund ein Prozent auf zwischenzeitlich 24.464 Punkte. Doch ein Deal zwischen den Verhandlungspartnern ist von US-Präsident Donald Trump nicht bestätigt, bisher deuten lediglich Medienberichte ein Abkommen an.
Grund für den Optimismus bei Anlegern ist vor allem ein Bericht der „Financial Times“ von Mittwochabend. Darin wird spekuliert, dass in den Verhandlungen im Zollstreit zwischen der EU und den USA letztlich ein ähnlicher Deal gelingen könnte wie zwischen Japan und den USA – der zumindest milder ausfiele als nach früheren Drohungen Trumps zu befürchten war.
Demnach würde die EU einen Zollsatz von 15 Prozent auf europäische Importe in die USA akzeptieren. Auch Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte vor seinem Treffen mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron eine bevorstehende Einigung angedeutet. Man werde über „aktuelle Handelspolitik“ beraten, „zu der wir in diesen Minuten hören, dass es möglicherweise Entscheidungen geben könnte“, so Merz. Nach dem Treffen allerdings zeigten sich beide Politiker bereit zu möglichen Gegenmaßnahmen – die vorherige Andeutung von Merz wurde nicht wiederholt.
Zoll-Einigung weiter unklar
Für die Börsen reichte diese Nachricht trotzdem aus, vor allem bei den europäischen Autokonzernen – sie wären besonders stark von hohen US-Zöllen betroffen. Der Branchenindex Stoxx Europe 600 Automobiles & Parts stieg zwischenzeitlich auf den höchsten Stand seit Ende Mai. BMW legte um 4,16 Prozent zu, die Daimler-Aktie gewann 5,76 Prozent. Volkswagen kletterte gar um 6,72 Prozent nach oben. Der Grund: Sollte Trump den 15-Prozent-Zoll akzeptieren, läge dieser deutlich unter den 27,5 Prozent, die Autokonzerne derzeit für Importe in die USA zahlen müssen – ganz zu schweigen von den 30 Prozent, die laut Trump ab dem 1. August für fast alle EU-Produkte gelten könnten.
Sofern die Zölle für die EU wirklich geringer ausfallen werden, sehen Analysten noch weiter steigende Kurse. „Sollten die sektorspezifischen Zölle abgeschafft werden, so würde dies sogar über unser optimistisches Basisszenario hinausgehen“, schreiben Analysten der Deutschen Bank. Am meisten würden demnach neben Autos der Gesundheitssektor und Konsumgüter profitieren.
Doch ob ein solcher Deal, den sich die Anleger wünschen, wirklich zustande kommt, ist unklar. „Wir müssen auf eine Bestätigung warten, und wie wir gelernt haben, können sich die Dinge schnell ändern“, so die Analysten. Die US-Regierung wies die Berichte als „Spekulation“ zurück. Nur Ankündigungen von Trump seien offiziell. Dieser sagte am Mittwoch, man sei in ernsthaften Verhandlungen. Für eine Einigung müsse die EU ihren Markt stärker für US-Unternehmen öffnen. „Wenn sie zustimmen, die Union für amerikanische Unternehmen zu öffnen, dann werden wir einen niedrigeren Zoll erheben“, so Trump.
Japan-Deal lässt Asiens Börsen steigen
In Asien wiederum sorgt der bestätigte Zoll-Deal zwischen den USA und Japan für Erleichterung an den Börsen. In Tokio zog der Leitindex Nikkei am Donnerstag um 1,7 Prozent auf 41.881 Punkte an, während der breiter gefasste Topix-Index 1,8 Prozent gewann. „Angesichts der schnellen und günstigen Zollvereinbarung sind wir positiv für japanische Aktien eingestellt“, sagte Dan Hurley, Portfoliospezialist bei T. Rowe Price. „Dieses Handelsabkommen mit den USA kräftigt die Beziehungen sowohl auf strategischer als auch auf wirtschaftlicher Ebene.“
Anleger griffen erneut zu Aktien aus dem Sektor Automobil- und Transport: Der Branchenindex gewann rund ein Prozent. Auch der Bankenindex legte weiter zu und stand rund 3,6 Prozent höher. Anleger hoffen nun auf weitere mögliche Zollabkommen. Trump zufolge sind die USA dabei, ein Handelsabkommen mit China abzuschließen. Für den Großteil der übrigen Welt würden einheitliche Zölle festgelegt. „Die schlimmsten Befürchtungen hinsichtlich der Zölle in den USA dürften sich derzeit etwas legen, aber die Zölle steigen immer noch, und das ist eine Hürde für die Verbraucher“, sagte Brian Martin, Ökonom bei ANZ.