Das Inserat versteckt sich im Technologie-Teil, direkt unter einer Meldung zum Online-Versandhändler Amazon, der ein bekanntes Brettspiel verfilmen will: In der Dienstagsausgabe des „Wall Street Journal“ hat die Deutsche Bahn um Käufer für ihre Logistik-Tochter Schenker geworben.
„Die Deutsche Bahn AG beabsichtigt, das gesamte Aktienkapital der Schenker AG in einem offenen, transparenten und diskriminierungsfreien Verfahren zu veräußern“, heißt es in der schlicht gehaltenen Anzeige. Die geplante Übernahme umfasse alle Beteiligungen des Verkäufers, der Bahn, an dem Unternehmen sowie deren Tochtergesellschaften. Interessenten würden gebeten, sich bis Mitte Januar bei den Investmentbanken Goldman Sachs und Morgan Stanley zu melden, entsprechende E-Mail-Adressen hat der Konzern der Anzeige beigefügt.
Maßnahme laut Bahn rechtlich notwendig
Ein bemerkenswertes Vorgehen, für manche Finanzexperten gar absurd, bedenkt man, um welche Summen es bei einem möglichen Deal gehen könnte – und welche Banken hinter dem Deal stecken. Zugespitzt ließe sich fragen, ob Morgan Stanley und Goldman Sachs, zwei der renommiertesten M&A-Banken, etwa keinen Käufer finden und deshalb notgedrungen einen Zufallstreffer in der WSJ-Leserschaft suchen. Die Bahn rechnet laut Medienberichten mit einem Erlös in Milliardenhöhe, bestenfalls könnte dieser sogar zweistellig ausfallen. Mit bis zu 15 Mrd. Euro soll Schenker in Finanzkreisen zuletzt bewertet worden sein, berichtete die Nachrichtenagentur Reuters. Den Verkauf ihrer Logistik-Tochter hatte die Bahn monatelang vorbereitet. Mit dem Erlös hofft sie einen Teil ihres gigantischen Schuldenbergs abzutragen.
Doch dafür eine gedruckte Suchanzeige? Noch dazu in einer englischsprachigen Wirtschaftspostille? Was M&A-Experten für ein ungewöhnliches Vorgehen halten, ist aus Sicht der Bahn eine alternativlose Maßnahme. „Aus rechtlichen Gründen musste eine öffentliche Bekanntmachung in einem Printmedium mit internationaler Verbreitung erfolgen, damit sie alle potentiellen Interessenten erreicht“, teilte eine Unternehmenssprecherin auf Nachfrage mit. Die Maßnahme entspreche dem europäischen Beihilferecht für ein wettbewerbliches, transparentes, diskriminierungs- und bedingungsfreies Ausschreibungsverfahren.
Ist das so? Branchenexperten schütteln eher verwundert den Kopf. Zwar könne so dokumentiert werden, „dass die Welt davon gewusst hat und der Verkäufer – hier mittelbar der Deutsche Staat – niemanden als Kaufinteressenten ausgeschlossen hat. Damit kann der Prozess nicht auf dem Klageweg angegriffen werden“, erklärt Mark Miller von der Hamburger Investmentbank Carlsquare. Eine Print-Anzeige hält der Berater aber für ungewöhnlich. „Ich habe das bei großen Transaktionen noch nie gesehen“, so Miller, der seit mehr als 20 Jahren in der Branche aktiv ist.
„Ich bin mir sicher, dass die Kollegen von Goldman Sachs und Morgan Stanley keinen heißen Kandidaten vergessen haben“ M&A-Berater Mark Miller
Üblicherweise wende sich ein Unternehmen an spezialisierte M&A-Beratungen, die unter ihren Kontakten in der jeweiligen Branche einen geeigneten Käufer ausfindig machen. Dabei helfen, so Miller weiter, auch Dealdatenbanken wie Mergermarket, die nur Investmentbanken und Finanzinvestoren zugänglich seien. „Ich bin mir sicher, dass die Kollegen von Goldman Sachs und Morgan Stanley keinen heißen Kandidaten vergessen haben“, sagt Miller bezugnehmend auf die zwei von der Deutschen Bahn beauftragten Investmentbanken. „Aber mitunter kommen die Käufer ja aus ungewöhnlichen Ecken.“
„Dann hat wohl auf der Anspracheliste keiner angebissen“
Dem Berater zufolge könnte die Print-Anzeige aber auch darauf hindeuten, dass sich der Verkaufsprozess schwieriger gestaltet als vom Unternehmen gedacht. „Eine Investmentbank muss doch den Anspruch haben, die relevanten Käufer, die attraktive Angebote versprechen, zu kennen“, so Miller. „Wenn so ein Prozess dann in die Öffentlichkeit getragen wird, dann hat wohl auf der Anspracheliste keiner angebissen.“
Pressearbeit im Vorfeld einer Transaktion könne aber durchaus Sinn ergeben. Er würde dafür aber keine Anzeige schalten, sondern subtiler vorgehen, sagt Miller. Etwa mit einem Interview in der Presse oder einem Podcast. Ob sich die Bemühungen der Deutschen Bahn gelohnt haben, wird sich spätestens am 15. Januar zeigen. Dann soll die Käufersuche abgeschlossen sein.