

Dirk Elsner berät als Consultant für die Innovecs GmbH Banken und Unternehmen. Zu seinen Schwerpunkten gehören Veränderungen der Finanzwirtschaft, der Unternehmenspraxis und digitale Finanzdienstleistungen. 2008 hat er das private Wirtschaftsblog Blick Log gegründet, das mehrfach ausgezeichnet wurde. Elsner schreibt alle zwei Wochen eine Kolumne auf Capital.de. Der Titel ist Programm: Finanzevolution (Foto: Sebastian Berger, Stuttgart)
Seit einigen Wochen tobt eine Debatte durch Medien und Fachzirkel, über die ich mich eine wenig wundere. Der Wirtschaftswissenschaftler Peter Bofinger setzte sich in einem Interview mit dem „Spiegel“ für die Abschaffung des Bargelds ein. Bei den heutigen technischen Möglichkeiten seien Münzen und Geldscheine ein Anachronismus, wird er zitiert. Solche Vorschläge von Ökonomen sind nicht neu. Erst im November vergangenen Jahres hatte der Harvard-Ökonom Kenneth Rogoff für eine Bargeld-Abschaffung plädiert. Da mag vielleicht die FinTech-Szene applaudieren, weil sie seit Jahren mit viel Enthusiasmus aber noch überschaubaren Erfolg versucht, uns das elektronische Bezahlen schmackhaft zu machten. Sonst hielt sich der Jubel freilich in Grenzen.
Rogoff sieht im Zwang zum Buchgeld im Zusammenhang mit negativen Zinsen eine Möglichkeit, die Wirtschaft in Schwung zu bringen sowie Steuerflucht und Drogenkriminalität besser bekämpfen zu können. An der volkswirtschaftlichen Seite dieses Vorschlags haben sich bereits andere Fachleute abgearbeitet, wie etwa der Ökonom Lars Feld, der eine andere Position als Bofinger und Rogoff vertritt und Bargeld für (laut FAZ) “geprägte Freiheit” hält.
Ich habe Zweifel, dass ausgerechnet ein Bargeldloszwang der Geldpolitik auf die Sprünge helfen kann. Belege für eine solche Wirkungslogik dürften kaum zu finden sein. Was mich an vielen Beiträgen mehr irritiert ist der Bezug auf § 14 Bundesbankgesetz. In dieser Vorschrift heißt es: „Auf Euro lautende Banknoten sind das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel.“ Dies wird so interpretiert, als könnten Verbindlichkeiten nur mit Geldscheinen bezahlt werden. Bargeld müsse angenommen werden.
Explizite Vereinbarung für elektronisches Bezahlen
Die Aussage zum Bargeldzwang halt ich für falsch, zumindest soweit dies private Verträge betrifft. Zahlungen dienen in der Regel der Erfüllung einer Geldschuld, etwa aus einem Kauf- oder Mietvertrag, einem Darlehen oder einer anderen Form der Vereinbarung. Niemand ist im privatwirtschaftlichen Umgang verpflichtet, Bargeld für die Erfüllung von Geldschulden anzunehmen. Vertragspartner können nämlich abweichende Vereinbarungen treffen und etwa Geldschulden auch elektronisch begleichen. Für die Bezahlung mit elektronischem Geld ist aber eine explizite Vereinbarung notwendig. Dies ist schon deswegen erforderlich, weil die technische Abwicklung von Zahlungen mittels elektronischem Geld eine spezifische technische Infrastruktur voraussetzt (vgl. dazu im Detail den Fachaufsatz von Oliver Arter, Elektronische Bezahlvorgänge, 2005), an die wiederum diverse vertragliche Vereinbarungen geknüpft sind.
Wenn eine wirksame Vereinbarung über die bargeldlose Bezahlung der Geldschuld getroffen wurde, dann erlöschen Geldschulden auch, wenn sie bargeldlos erbracht werden. Wenn der Gläubiger etwa durch Angabe einer Kontonummer signalisiert, dass er mit Buchgeld statt Bargeld einverstanden ist, wird nach Auffassung von Juristen durch die Leistung mit Buchgeld anstelle von Bargeld die Schuld getilgt.
Eine schuldrechtliche Vereinbarung lässt selbstverständlich zu, dass ein Vertragspartner komplett auf Bargeld verzichten möchte und ein Geschäft nur unter der Voraussetzung bargeldloser Bezahlverfahren vereinbart. Bestünde der Schuldner dennoch auf Barzahlung, läge meines Wissens eine Leistungsstörung vor beziehungsweise der Vertrag würde gar nicht erst zustande kommen. Allgemeine Geschäftsbedingungen – etwa von Amazon – sehen daher die Barzahlung gar nicht mehr vor. Anders ausgedrückt, würde ein Kunde Barzahlung wünschen, dann würde Amazon ihm nichts verkaufen.
Etwas anders liegt der Fall übrigens in der barocken Auseinandersetzung zwischen dem Ökonomen und Journalisten Norbert Häring auf der einen Seite und dem Beitragsservice von ARD und ZDF (früher GEZ) auf der Gegenseite. Handelsblatt-Redakteur Häring möchte den Rundfunkbeitrag bar bezahlen, was der Ex-GEZ nicht gefällt. Die Fragestellung ist hier etwas anders gelagert, weil zwischen Beitragspflichtigem und Beitragsservice kein Vertrag abgeschlossen wird, sondern einseitig die Buchgeldzahlung verlangt wird. Hier liegt mindestens eine Rechtskollision mit dem Bundesbankgesetz vor. Ich bin gespannt, wie das juristisch gelöst wird.
Sammelsurium von Bezahlverfahren
Aber selbst wenn das Bargeld abgeschafft werden sollte, stellt sich sofort die Frage, wie dann in der Praxis jeweils bezahlt werden soll. Mag sein, dass Ökonomen, wie Bofinger dies für ein praktisches Problem halten, über das man in diesen Sphären nicht nachdenken muss. Ich sehe in der wirtschaftlichen und privaten Praxis derzeit kein für alle Fälle überlegenes Zahlungsinstrument, sondern nur ein Sammelsurium von Bezahlverfahren. Hier haben sich in Deutschland etwa die Überweisung oder die Lastschrift bewährt und sind sinnvoller als die Barzahlung. Im Einzelhandel hat sich neben der Barzahlung vor allem die kartengestützte Bezahlung durchgesetzt. Mobile Bezahlverfahren per Smartphone befinden sich zumindest in unseren Regionen noch im Probiermodus.
Hanno Bender findet im BargeldlosBlog die Debatte um die Abschaffung possierlich und wundert sich über die Vorschläge:
“Neben dem Datenschutzaspekt halte ich aber vor allem zwei weitere Aspekte für problematisch: Wer soll die ganzen elektronischen Bezahltransaktionen denn abwickeln? Die etablierten Kreditkartengesellschaften? Alle Macht für Mastercard und Visa? Ein staatlich finanziertes und kontrolliertes E-Geldsystem der EZB? Und zweitens: Wie steht es mit der Sicherheit – in Bezug auf Systemausfälle sowie gegen Betrug und Manipulation?
Das Girocard-System der Deutschen Kreditwirtschaft bricht bekanntlich mit schöner Regelmäßigkeit zusammen. Für Händler ist das elektronische Lastschriftverfahren (ELV) längst ein ‚Must have’-Backup-System für solche Fälle. Und selbst ein auf Dezentralität setzendes System wie die virtuelle Währung Bitcoins zeigt, dass es immer wieder zu ‚Einbrüchen’ kommt. Wenn die Leute in der Krise nicht zum Bargeldautomaten laufen können, gibt es Chaos und Bürgerkrieg – binnen kürzester Zeit.”
Daneben sind derzeit gerade einmal am Horizont Verfahren zu erkennen, wie Zahlungen zwischen Privatpersonen schnell und effizient abgewickelt werden können. Hier tummeln sich zwar ebenfalls zahlreiche FinTech-Unternehmen. Zudem steht mit der Blockchain-Technologie eine interessante Vision für die Zukunft bereit. Die Ansätze stecken aber bestenfalls in den Kinderschuhen. Hier sind derzeit weder Standards sichtbar noch in der Massenpraxis bewährte Verfahren zu erkennen.
Bargeldverbot ist politischer Selbstmord
Eine wirklich bargeldlose Zukunft halte ich in den nächsten Jahrzehnten für nicht realistisch. Trotz aller technischen Fortschritte der verschiedensten Formen der Bezahlverfahren wird es immer wieder Anwendungsfälle für Barzahlungen geben.
Vielleicht ist die Debatte auch eine typisch deutsche Diskussion. Die Dänen sind da pragmatischer. Sie haben die Bargeldpflicht offiziell abgeschafft. Aber diese Pflicht gibt es in Deutschland ebenfalls nicht mehr (siehe oben). Trotz hoher Bargeldneigung von Privatpersonen, sind elektronische Verfahren weiter auf dem Vormarsch.
Dennoch wird sich eine Regierung in Deutschland davor hüten, hier einen Gesetzesvorstoß zu wagen. Laut einer Studie des IT-Branchenverbands Bitkom kann sich nur ein Drittel aller Deutschen vorstellen, “in nahezu allen Alltagssituationen bargeldlos zu zahlen. In der Gruppe der 14- bis 49-Jährigen ist es mit 46 Prozent sogar fast jeder Zweite.” (zitiert nach FAZ). Wer hier über ein Bargeldverbot nachdenkt, begeht politischen Selbstmord. Und sogar in Schweden, die im Wirtschaftsblog Fazit als “Vorreiter auf dem Weg in die bargeldlose Gesellschaft” bezeichnet werden, gibt es mittlerweile massive Kritik daran.
Weitere Kolumnen von Dirk Elsner, die er für die inzwischen eingestellte deutsche Ausgabe des „Wall Street Journal“ geschrieben hat, finden Sie auf seiner Übersichtsseite