Gelingt dem Österreicher René Benko , was noch keinem seiner vielen Vorgänger gelang? Das ist die große Frage bei der Fusion von Karstadt und Kaufhof. Noch liegt das Projekt beim Bundeskartellamt, doch ein positiver Bescheid dürfte nicht ausbleiben. Benko und die Mitarbeiter seiner Holding Sigma gehen jedenfalls fest von einem Ja aus. Warum sonst wagt sich der Milliardär jetzt in die Öffentlichkeit mit einem großen Interview im „Handelsblatt“ – dem ersten seit fünf Jahren? Seine Botschaft ist klar: Die Pläne für den Tag X, an dem Benko endlich in beiden Firmen durchregieren kann, liegen bereits in der Schublade des Immobilientycoons. Es soll schnell zur Sache gehen – denn für die Sanierung der heruntergewirtschafteten Kaufhof AG bleibt nicht viel Zeit. Die Kosten müssen in Windeseile herunter, aussichtslose Standorte gilt es so schnell wie möglich zu schließen, das Personal der beiden Warenhauszentralen kann man mehr oder weniger halbieren.
Dieser Teil der Übung erfordert nicht das Gehirn eines Raketenforschers. Und Benko hat bei seinem Ersterwerb Karstadt gezeigt, dass er das Handwerk des Sanierers beherrscht. Und wie man innenstädtische Immobilien entwickelt – das ist ohnehin die Kernkompetenz des Aufsteigers aus Innsbruck. Schwer aber dürfte der zweite, viel größere Teil der Übung werden: Benko muss neue Konzepte für die Warenhäuser finden, die beiden Marken neu aufladen und viel stärker gegeneinander differenzieren. Wofür steht Karstadt, wofür steht Kaufhof? Diese Fragen konnten Benkos Vorgänger nicht wirklich beantworten. Sie schraubten immer wieder an den Sortimenten – aber bekamen ein klares Profil nicht hin. Und da sie ohnehin stets knapp an der Verlustlinie operierten, verlegten sie sich im Zweifel immer nur auf das Eine: sparen.
Marken statt Personal
Wer heute eine Kaufhausfiliale betritt, begibt sich in eine Servicewüste (von wenigen Ausnahmen abgesehen wie den Kosmetikabteilungen). Verkäuferinnen oder Verkäufer sucht man meist völlig vergebens. Und an den wenigen Kassen bilden sich schnell lange Schlangen. In deutschen Innenstädten einzukaufen, ist schon lange kein Vergnügen mehr. Und ein Erlebnis schon gar nicht, obwohl die Einzelhandelsstrategen doch dieses Wort so gern in den Mund nehmen, um die Existenzberechtigung ihrer Läden in den Zeiten von Amazon und Zalando zu begründen.
Immer nur die Zahl der Beschäftigten zu reduzieren hat die Warenhäuser letztlich in die Sackgasse geführt. Gegen sinkende Umsätze kann man so nicht ansparen. Die sachkundige Fachverkäuferin (oder seltener ihr männlicher Kollege) – das war seit den Zeiten des ersten Kaufhausbarons Oscar Tietz in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts so etwas wie das wichtigste Markenzeichen der Kaufhäuser. Doch in den letzten Jahren saßen viele Manager dem Irrglauben auf, man könne auch ohne viel Personal auskommen, wenn man nur die richtigen Marken im Angebot habe.
Auf den ersten Blick wirkt Benkos Kaufhaus-und-Karstadt-Imperium mehr als eindrucksvoll. Doch bei näherem Hinsehen ähnelt es doch ein wenig der früheren KuK-Monarchie in seiner Heimat. Das Imperium Franz Josefs des Zweiten brach an seinen inneren Widersprüchen im Ersten Weltkrieg zusammen, weil niemand ein Rezept gegen den unaufhaltsamen Niedergang des Habsburger-Reichs fand. So stellt sich auch die Lage in Benkos Immobilienreich dar: Noch hat der Selfmade-Mann nicht bewiesen, dass er den Niedergang der Kaufhäuser wirklich stoppen kann. Vielleicht hat sich ihre Zeit einfach überlebt.