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Tim Cook „Programmieren ist für Kinder wichtiger, als eine zweite Sprache zu lernen“

Apple-CEO Tim Cook
Apple-CEO Tim Cook
© Apple / PR
Ein Tablet macht noch keinen modernen Schulunterricht. Im Gespräch legt sich Apple-Chef Tim Cook sehr genau fest, was Schülerinnen und Schüler am Ende der Schullaufbahn können sollten, und erklärt, warum programmieren sie auch auf andere Jobs vorbereitet

Wenn das iPhone ein Kind wäre, es hätte im Sommer die achte Klasse begonnen. 14 Jahre ist es her, dass Apple mit dem ersten Modell die Smartphone-Ära einläutete – das Internet aus den Zwängen des Heimcomputers befreite und zum allgegenwärtigen Phänomen werden ließ. Doch im Schulalltag der Kinder, die in dieser Welt aufgewachsen sind, ist das Thema oft noch viel zu wenig präsent. Die Digitalisierung der Bildung hinkt – nicht nur in Deutschland – der weltweiten Entwicklung stark hinterher. Im Gespräch mit dem „stern“ erklärt Apple-Chef Tim Cook, welche Erwartungen er an eine echte digitale Bildung hätte. Und warum sie viel mehr bedeutet als ein Tablet im Klassenraum.

„Es ist für Kinder sogar wichtiger, als eine zweite Sprache zu lernen. Es ist die einzige globale Sprache“, erklärt er auf die Frage, ob Programmieren heute so essenziell sei wie Lesen und Rechnen. Doch es geht ihm weniger um den Programmcode an sich. „Programmieren bringt Menschen bei, Dinge kritisch zu hinterfragen, es beruht zu einem großen Maß auf Kreativität. Es ist eine tolle Mischung aus Problemlösung, der Fähigkeit, kritisch zu denken, und Kreativität, die alle zu einem Gesamtpaket vereint werden“, schwärmt er.

Digitale Bildung beginnt im Vorschulalter

Unter dem Motto „Jede:r kann programmieren“ bietet der Konzern daher Materialien an, die Menschen an das Thema heranführen sollen. Und das schon im jüngsten Alter: Die ersten Einsteiger-Materialien richten sich schon an Kinder im Vorschul-Alter, die mit einfachen Mitteln wie Malen oder Tanzen die Logik von Programmen zu verstehen lernen. „Man muss kein Informatiker oder Programmierer werden wollen, aber zu wissen, was damit möglich ist, die Macht des Codes einschätzen zu können, das ist eine sehr essenzielle Fähigkeit“, erläutert Cook. „Und wie beim Lesen oder der Mathematik ist es eine, die mit dem Alter weiter ausgebaut werden sollte. So, wie wir es bei Algebra, Geometrie oder Infinitesimalrechnung auch tun.“

Dass die Schüler durchaus Interesse an der Thematik haben, berichten auch drei Lehrer, mit denen Cook sich anlässlich der Europe Code Week 2021 verabredet hat. Jedes Jahr versucht die Breiteninitiative, den Menschen das Programmieren nahe zu bringen und bietet dazu Materialien und Aktivitäten für teilnehmende Schulen an. Auch Apple unterstützt die Initiative seit einigen Jahren.

Die Lehrer haben höchst unterschiedliche Erfahrungen zu teilen, von der Begeisterung der Schüler, wenn sie lernen eine Drohne zu programmieren, bis zur Herausforderung, gemeinsam mit den Schülern eine App zu entwickeln. Die große Gemeinsamkeit: Wenn die Schüler einmal angefangen hatten, das Programmieren für etwas zu benutzen, das sie begeisterte, brannten auch sie plötzlich für das Thema.

Schüler daran arbeiten zu lassen, könnte zu völlig anderen Antworten führen
Tim Cook

Diese Erfahrung teilt auch Cook. Auf die Frage von Lehrer Felix Kollewe von der Schule Villa Wewersbusch in Velbert, wie Cook denn aktuelle Themen wie Achtsamkeit oder Nachhaltigkeit in die Lehrpläne einbauen würde, antwortet er: „Ich glaube, die besten Anwendungen sind die, die das Leben der Menschen bereichern. Das ist sowohl bei Nachhaltigkeit als auch bei Meditation der Fall. Vielleicht kann man die Schüler dazu bewegen, an einer Meditations-App zu arbeiten. Es gibt natürlich schon einige, aber es gibt immer Raum für Innovation.“

Dabei scheint auch durch, mit welchen Augen der selbst kinderlose Cook auf die Jugend schaut. „Schüler daran arbeiten zu lassen, könnte zu völlig anderen Antworten führen, als es bei bisherigen Apps der Fall ist. Die Schüler sehen es aus Sicht der Herausforderungen eines jungen Menschen, während die meisten Meditations-Apps eher von Personen stammen, die etwas älter sind.“

Bei Nachhaltigkeit sei es sehr ähnlich. Auch hier könnten einfach verständliche Apps wie zum Recycling oder dem Bewusstsein des eigenen CO2-Fußabdrucks oft einen anderen Zugang ermöglichen. „Solche Dinge können das Komplexe einfach machen, Menschen aktiv werden lassen. Beides sind großartige Beispiele dafür, einen Unterschied zu machen und ein Gefühl der Sinnhaftigkeit in den Studenten zu wecken.“

Diese Sinnhaftigkeit sei ohnehin der beste Antrieb, glaubt Cook. „Letztlich wollen Menschen die Welt verändern, auf ihre eigene Weise. Sie werden angetrieben von einem Gefühl der Sinnhaftigkeit, vom Bedürfnis Dinge in Ordnung zu bringen, etwas in irgendeiner Weise zu ändern. Ich habe noch nie eine Generation erlebt, für die das so sehr zutrifft, wie für die jungen Menschen heute. Man sieht das in Bezug auf den Klimawandel und viele andere Dinge: Es wird von den Jungen vorangebracht.“

Wie setzt man Digitalisierung im Unterricht um?

Die entsprechenden Fähigkeiten dazu müssten sie allerdings in der Schule vermittelt bekommen. Doch so einfach wie das klingt, ist es nicht. Während es bei Mathematik, Deutsch oder Physik über Jahrzehnte etablierte Grundlagen gibt, die man in der Schule vermitteln kann, befindet sich die noch junge Welt der Informationstechnologie in einem stetigen, sehr schnellen Wandel. Welche Dinge sollten Schüler also lernen? Dass sie Computer und Smartphones nicht nur bedienen können sollten, steht wohl außer Frage. Ob sie aber konkrete Programmiersprachen lernen müssen, die möglicherweise schnell veraltet sind, die Logik von Algorithmen verstehen müssen oder gar tiefe Kenntnisse wie bei künstlicher Intelligenz oder es ausreicht, die Informationsflut des Internets beherrschen und einordnen zu lernen – darüber wird weiter diskutiert.

Bis Ende des Jahres will etwa die Kultusministerkonferenz ihre bereits 2016 beschlossene Strategie „Bildung in der digitalen Welt“ aktualisieren. Die orientiert sich bisher vor allem an der Fähigkeit, digitale Daten zu bewerten, klagte gerade die Ständige Wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz. Sie berät die Ministerien. Sie fordert: Auch fachspezifische Werkzeuge wie Simulationsprogramme für den Klimawandel in Geografie sollten viel häufiger Teil des Unterrichts sein. Und auch das Entwickeln von Programmen sollte gelernt werden.

Klare Forderung

Das sieht auch Cook so. Und hat sogar eine klare Vorstellung. „Wenn man mit der Schule fertig ist, sollte man in der Lage sein, eine App zu entwickeln und sie veröffentlichen zu können“, findet der Apple-Chef. Dabei geht es ihm aber nicht darum, den eigenen App Store zu füllen. „Es muss kein kommerzielles Angebot sein, aber man sollte die nötigen Fähigkeiten besitzen, eine App von Grund auf kreieren und umsetzen zu können“, erläutert er.

„Ich glaube, wenn man das kann, kann man jeder Leidenschaft nachgehen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass in dieser Leidenschaft auch Software irgendeine Rolle spielt. Man ist in einem viel höheren Maße in der Lage, die Probleme zu lösen, auf die man in Zukunft stoßen wird, wenn man die nötige Software und ihr Potenzial richtig versteht.“

Wie wird Coden attraktiv?

Eine der größten Hürden dürfte dabei sein, die noch immer oft als etwas nerdig geltende Beschäftigung mit Programmcode auch in der Masse attraktiv zu machen. Dass man technische Themen zum attraktiven Massenphänomen machen kann, hat Apple schon mehrfach bewiesen – etwa mit dem iPhone. Während Computer und das Internet früher oft umständlich zu bedienen waren, machten das iPhone und der daraus entstehende Smartphone-Boom sie zum allgegenwärtigen Alltagsbegleiter. Das lässt sich auch beim Programmieren wiederholen, glaubt Cook.

„Wir haben mit Swift eine Programmiersprache entwickelt, die so einfach zu lernen ist, wie unsere Produkte zu bedienen sind. Das war unser Ziel“, erklärt er. „Dadurch tritt die Programmiersprache in den Hintergrund und überlässt der Kreativität, den Problemlösungen und dem kritischen Denken die Bühne.“ Wie einfach das ist, zeigt Apples App „Swift Playgrounds“, in der selbst kleine Kinder einfache Swift-Programme erstellen können, indem sie Programmteile per Touch hin- und herbewegen und nach eigenen Ideen zusammenbauen. Dadurch werden Hürden abgebaut. Wer anspruchsvollere Programme erstellen will, muss natürlich trotzdem irgendwann Code lernen. „Es ist zwar wichtig, eine Programmiersprache ausreichend gut zu kennen, Swift macht das aber sehr leicht“, versucht Cook zu beruhigen. „Ich denke grundsätzlich, jeder kann Swift lernen.“

Wertvolle Lehrer

Eines der wichtigsten Probleme der digitalen Bildung wird man so aber kaum lösen können: das des geeigneten Personals. Vielleicht noch stärker als in anderen Feldern ist es für Schulen oft schwierig, gegen die oft erheblich höheren Gehälter der freien Wirtschaft anzukommen. Zwar sind die Einstiegsgehälter in beiden Branchen in Deutschland auf ähnlichem Niveau, sie liegen jeweils je nach Bundesland und Berufsfeld etwa zwischen 45.000 und 50.000 Euro. Wer aber im Digital-Bereich sehr gut ist, kann oft schnell erheblich höhere Gehälter aushandeln. Vor allem, wenn ein Wechsel ins Silicon Valley eine Option ist.

„Lehrer werden in meinen Augen unterbewertet“, findet daher Tim Cook. „Ich gehe davon aus, dass ihre Gehälter in Zukunft steigen werden – und das völlig zurecht. Bildung ist mehr als alles andere in der Lage, für Ausgleich zu sorgen, für Chancengleichheit. Den Wert davon darf man nicht unterschätzen“, erläutert er. „Nicht nur in Bezug auf die betroffenen Individuen, sondern auch auf die Gesellschaft an sich. Deshalb glaube ich, dass Lehrern mehr Wertschätzung zusteht.“

Vielleicht fühlt er sich den Lehrern auch verbunden, weil er das Weitergeben von Wissen und Kompetenzen auch als seine eigene Aufgabe sieht. Als Cook am Ende des Gesprächs seine Ideen zur Sinnhaftigkeit als Motivator für die Schüler erklärt, bietet Kollewe an, dass man einen Menschen mit solchen Ideen gerne als Kollege aufnehmen würde, wenn Cook mal keine Lust mehr auf seinen Apple-Job hätte. Der CEO lacht darüber geschmeichelt. Und fügt nach kurzer Überlegung hinzu: „In vielerlei Hinsicht ist genau das mein Job.“

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