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Jochen Schweizer „Als Schlüsselkind war ich mir selbst überlassen. Es war genial!“

Der Unternehner Jochen Schweizer
Jochen Schweizer machte das Bungeejumpen in Deutschland populär
© picture alliance/dpa | Sven Hoppe
Der Unternehmer Jochen Schweizer spricht im Podcast „Alles Neu...? Aus dem Maschinenraum“ über Mut, seine 50er-Jahre-Kindheit – und ein tödliches Unglück, das sein Leben veränderte
 

Jochen Schweizer, 66, startete 1989 mit seinem ersten Bungeejumping-Kran, bald standen seine Anlagen über das ganze Land verteilt. Später stieg er in das Geschäft mit Erlebnisgutscheinen ein. Das Unternehmen, das weiter seinen Namen trägt, hat er 2017 an Pro Sieben Sat 1 Media verkauft. Schweizer hält daran noch zehn Prozent und betreibt die Erlebniswelt „Jochen Schweizer Arena“ bei München

CAPITAL: Herr Schweizer, was bringt einen dazu, aus einem fliegenden Helikopter tausend Meter in die Tiefe zu springen?
JOCHEN SCHWEIZER: Ich war gefragt worden, ob ich in der Lage wäre, diesen Sprung für das Guinness Buch der Rekorde mit einem Bungeeseil zu machen. Das ist gar nicht so einfach, weil man über eine Tonne Gummiseil in der Luft hat, das schneller fällt als ein menschlicher Körper aufgrund der höheren Dichte. Da geht es um Aerodynamik, Schwerkraft und um Luftwiderstand, der im Quadrat zur Geschwindigkeit steigt. Ein Freund, der damals Mathematikprofessor war, hat das System für mich gerechnet.

Der Mut und die Kontrollierbarkeit der Angst, werden die vererbt oder lassen sie sich erlernen?
Bei mir war das eine Entwicklung. Ich bin ja das Kind einer alleinerziehenden Mutter und war mir selbst überlassen. Ich bin ein Kind der 50er-Jahre, ein klassisches Schlüsselkind. Ich hatte niemanden, wenn ich von der Schule kam. Teufel noch mal: Das war genial! Ich hatte nämlich mit dem Schlüssel um den Hals eine Menge mehr Freiheit als meine Klassenkameraden und konnte eine Menge mehr Unfug machen und auf hohe Bäume klettern. Insofern, glaube ich, bin ich einfach gewachsen an diesem Thema. Und dann hatte ich auch Glück. Ich war ein sehr kräftiger Junge. Das war mit Sicherheit eine genetische Codierung. 

Es gab in Ihrem Leben ein sehr einschneidendes Erlebnis: Auf einer Ihrer Bungeejumping-Anlagen riss das Seil. Der junge Mann verunglückte tödlich. Wie hat diese Erfahrung Sie verändert?
Das war massiv. Ich bin da wirklich durch eine Katharsis gegangen. Durch einen Materialfehler riss ein Seil, das niemals hätte reißen dürfen. Ich selbst wäre jederzeit damit gesprungen. Und dann ist eben das vermeintlich Unmögliche passiert, der junge Mann starb. Das hat mich in eine tiefe Lebenskrise gestürzt. Es war ein Sturmwind, der alles aus meinem Leben mitnahm, was nicht hineingehörte: Die falschen Freunde, die falsche Lebenspartnerin, Unternehmensteile, die ich schließen musste. Die Insolvenz des Unternehmens konnte ich mit Mühe abwenden, habe mein komplettes Privatvermögen eingesetzt und meine Villa verkauft, die ich mir erarbeitet hatte. Ich habe ja nichts geerbt. Aber alles, was ich durchlitten habe, war natürlich nichts im Vergleich zum Leid der Eltern. Dem Vater des Jungen habe ich versprochen, dass nie wieder ein Mensch von dieser Rampe springen wird. Daran habe ich mich gehalten.

„Mit Yoga und Meditation habe ich mit 20 angefangen“

Wie ging es für Sie weiter?
Ich hatte noch sechs Mitarbeiter, die bereit waren, ohne Gage weiterzuarbeiten. Dann hatte ich die Idee mit den Erlebnisboxen als Geschenk-Gutscheine und habe das Unternehmen aus dem Nichts heraus aufgebaut. 

Sie sprechen in letzter Zeit öfter über Ihre „dritte Lebensphase“, über Meditation und Yoga. Sind Sie als einstiger Extremsportler ruhiger geworden?
Der Eindruck täuscht. Ich hätte doch dieses wilde Leben nie leben können, wenn ich mir nicht Refugien und Rückzugsorte geschaffen hätte. Mit Yoga und Meditation habe ich mit 20 angefangen – und nur nicht darüber geredet. Ich habe nur diesen einen Körper und diesen einen Geist. Darauf muss man aufpassen, gerade wenn man so viel Risiko lebt.

Hören Sie in der neuen Folge von „Alles neu…?“:

  • Wie Jochen Schweizer auf seine Schulzeit an einer Waldorfschule zurückblickt.
  • Wie der Unternehmer Talent und Willen bewertet.
  • Was er über Prägung und Genetik denkt.
  • Was er aus dem Extremsport für das Unternehmertum lernt.

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