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Masken-Deals Gesundheitsministerium erleidet Schlappe bei Masken-Klagen

Jens Spahn bei der Übergabe einer ersten Lieferung von 100 Millionen gespendeten Schutzmasken im Jahr 2020
Ex-Bundesgesundheitsminister Jens Spahn: Einige der Masken-Geschäfte aus der Anfangszeit der Pandemie sind bis heute Gegenstand von Prozessen. Es geht um Hunderte Millionen Euro
© Britta Pedersen / picture alliance/dpa
Im Zusammenhang mit den umstrittenen Maskengeschäften von Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn haben zwei Lieferanten vor Gericht wichtige Erfolge erzielt. Die Entscheidungen könnten für den Bund noch teuer werden – auch wegen sehr hoher Zinsen

Die Corona-Pandemie scheint vorbei, doch die Masken-Verträge der Bundesregierung aus der Frühphase der Krise beschäftigen noch immer viele Anwälte und Richter. Schauplatz der Auseinandersetzungen zwischen Masken-Lieferanten und dem Gesundheitsministerium, das unter Verweis auf angeblich mangelhafte Ware oder verspätete Anlieferung in zahlreichen Fällen die Zahlung des Kaufpreises an die Händler verweigert hatte, ist vor allem das Landgericht in Bonn. Dort hat das Ministerium seinen ersten Dienstsitz. Mit mehr als 140 Klagen von Masken-Lieferanten mussten sich die Bonner Richter bisher in erster Instanz beschäftigen. In einem großen Teil der Fälle schleppen sich die Verfahren bis heute hin.

In dieser Woche nun hat das Landgericht zwei Entscheidungen getroffen, die für die noch ausstehenden Klagen von richtungsweisender Bedeutung sein könnten. In beiden Fällen entschieden die Richter zugunsten der Lieferanten. Die Schlappen – sollten sie in den weiteren Instanzen bestätigt werden – könnten den Bund noch teuer zu stehen kommen. Im vergangenen Jahr hatte das Gesundheitsministerium die Forderungen der Kläger auf eine Gesamtsumme von 425 Mio. Euro beziffert. Im Erfolgsfall bekommen die Händler auch saftige Zinsen, wie die Urteile zeigen. Sie liegen Capital vor.

„Beweis für Vertragswidrigkeit nicht gelungen“

Beide Entscheidungen vom 12. Juli beziehen sich auf das sogenannte Open-House-Verfahren – ein beschleunigtes Einkaufsverfahren, auf das der damalige Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) angesichts des akuten Maskenmangels zu Beginn der Pandemie zurückgriff. Dabei sagte der Bund zu, allen Händlern, die bis Ende April 2020 mindestens 25.000 Schutzmasken liefern konnten, die Ware für einen Preis von 4,50 Euro netto pro Stück abzunehmen. Bald stellte sich heraus, dass das Ministerium von Anbietern überrannt wurde, was das geplante Budget für das Open-House-Verfahren sprengte – zumal der Bund parallel auch über andere Beschaffungskanäle im Überfluss Masken orderte, wie der Bundesrechnungshof später bemängelte. Von vielen der Open-House-Verträge trat das Ministerium nach der Lieferung zurück und stoppte die Zahlung des Kaufpreises. Häufige Begründung: Die Masken seien bei Qualitätstests durchgefallen.

In einem der nun entschiedenen Verfahren, in dem es um 100.000 Masken vom Typ KN95 – der chinesischen Variante der FFP2-Maske – ging, verwarfen die Richter in ihrem Urteil diese Argumentation des Gesundheitsministeriums. Dieses hatte sich auf den Prüfbericht einer TÜV-Nord-Tochter berufen, die zehn der Masken untersucht und Mängel festgestellt hatte. Mit dieser Begründung war der Bund von dem Vertrag zurückgetreten und hatte die Zahlung des Kaufpreises von 535.000 Euro verweigert.

Ein vom Gericht bestellter Sachverständiger kam dagegen zu dem Schluss, dass die Masken den vom Ministerium in der Ausschreibung für das Verfahren vorgegebenen Standards entsprochen haben – eine Bewertung, dem das Gericht folgte. Dem Bund sei der „Beweis für die behauptete Vertragswidrigkeit der Lieferung nicht gelungen“, hält es in seinem Urteil fest. Demnach muss das seit dem Regierungswechsel Ende 2021 von Karl Lauterbach (SPD) geführte Ministerium dem Lieferanten aus Kiel nicht nur den Kaufpreis bezahlen – sondern auch Zinsen von neun Prozent über dem Basiszinssatz. Dadurch fallen zusätzlich mehr als 150.000 Euro an. Bei einem gesamten Streitwert in den laufenden Masken-Verfahren in Höhe von 425 Mio. Euro würden sich die Zinsen auch angesichts eines gestiegenen Basiszinssatzes rechnerisch auf einen sechsstelligen Betrag belaufen – jeden Tag. 

Die zweite Entscheidung drehte sich um eine weitere Begründung, mit der das Gesundheitsressort die Verweigerung der Kaufpreiszahlung rechtfertigt hatte. Kern dieser Argumentation: Bei den Open-House-Verträgen habe es sich um ein „Fixgeschäft“ zum 30. April 2020 gehandelt, weshalb den Lieferanten keine Nachfrist zugestanden habe, um als mangelhaft gerügte Masken zu ersetzen. Im konkreten Fall hatte das Gesundheitsressort mit dieser Begründung von dem Lieferanten den bereits gezahlten Kaufpreis in Millionenhöhe zurückgefordert. In seinem Urteil wies das Landgericht die Forderung nach Rückzahlung jetzt ab. Begründung: Bei den Open-House-Verträgen habe es sich nicht um ein Fixgeschäft gehandelt, der Bund hätte dem Lieferanten in jedem Fall eine Nachfrist setzen müssen.

In dem schriftlichen Urteil des Landgerichts findet sich dazu eine interessante Ausführung: Bei anderen Fällen im Rahmen des Open-House-Verfahrens habe der Bund Lieferungen deutlich nach dem 30. April 2020 akzeptiert – konkret noch Ende Mai. Zudem verweisen die Richter auf andere Einkaufskanäle, über die das Gesundheitsministerium im Frühjahr 2020 große Mengen an Masken bestellt hatte. Konkret erwähnen sie auch die Geschäfte mit der Schweizer Firma Emix Trading, die laut dem Urteil sogar noch kurz vor Weihnachten 2020 Masken lieferte. Dies belege eindeutig, dass für den Bund auch nach dem Ende des Open-House-Verfahrens Schutzmasken „weiterhin von Interesse waren“, folgern die Richter.

Die Geschäfte mit Emix stechen unter den Masken-Deals in den chaotischen Anfangszeiten der Pandemie besonders hervor. Die Schweizer Jungunternehmer waren dank politischer Kontakte bis hin zum damaligen Minister Spahn mit dem Bund groß ins Geschäft gekommen. Einen Teilvertrag in dreistelliger Millionenhöhe schloss das Gesundheitsministerium sogar noch ab, nachdem es das Open-House-Verfahren bereits vorzeitig abgebrochen hatte. Die Emix-Deals stehen heute auch im Visier der Berliner Staatsanwaltschaft. Sie ermittelt unter anderem wegen des Verdachts der Bestechlichkeit gegen Spahns damaligen Chefeinkäufer, der bis heute in Lauterbachs Ministerium in leitender Position arbeitet.

Ministerium hält sich Rechtsmittel offen

Der Anwalt Christoph Partsch, dessen Berliner Kanzlei die beiden Lieferanten vor dem Bonner Landgericht vertreten hatte, wertete die erstinstanzlichen Urteile als wichtigen Erfolg gegen das Gesundheitsministerium (BMG). „Die Taktik des BMG, die durch Zahlung des Einkaufspreises und der Mehrwertsteuer stark belasteten Lieferanten durch aufwändige Verfahren auszuhungern, ist durch die beiden Urteile hoffentlich beendet“, sagte er. „Es ist bedauerlich, dass Minister Lauterbach nicht die Chance genutzt hat, den Vertragsbruch durch seinen Amtsvorgänger zu beenden, sondern mit der für den Haushaltsschaden in Milliardenhöhe, das Chaos und den Vertragsbruch verantwortlichen Mannschaft von Beamten und Beratern weitermacht.“

Partschs an mehreren Masken-Verfahren beteiligter Kollege Axel Mütze verwies auf die Bedeutung des Urteils für ähnlich gelagerte Fälle, in denen der Bund mit Verweis auf die Ergebnisse von Qualitätstests die Bezahlung der vorgeblich mangelhaften Masken verweigert hatte. Die Entscheidung der Bonner Richter bestätige, dass die Tests „nicht die ausgeschriebenen Kriterien maßen und damit für die Verfahren wertlos sind“, sagte er.

Das Gesundheitsministerium, das in den betreffenden Verfahren von Anwälten von EY Law vertreten wurde, wollte sich auf Anfrage von Capital nicht zu den Urteilen äußern. Das Ministerium gebe „zu laufenden Verfahren grundsätzlich keine Auskunft“, teilte ein Sprecher mit. Auch die Frage, ob es Rechtsmittel gegen die Entscheidungen einlegen wolle, ließ das Ministerium offen. Man werde zunächst die Urteilsbegründung sowie das weitere Vorgehen prüfen, erklärte der Sprecher. Negative Urteile im Zusammenhang mit den Masken-Geschäften hatte der Bund in der Vergangenheit in der Regel angefochten. Auch deshalb zieht sich die juristische Aufarbeitung der Masken-Geschäfte von vor mehr als drei Jahren weiter in die Länge.

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