In Spanien zeigten sich jüngst Hoffnungszeichen am Arbeitsmarkt. Im Februar sank die Zahl der Arbeitslosen erstmals seit 2007. Doch ein Grund für Jubelstürme ist das nicht. Noch immer sind 4,8 Millionen Menschen ohne Job. Und selbst wenn die Konjunktur in Spanien bald wieder etwas anziehen sollte. Es wird sehr lange dauern, bis viele dieser Menschen wieder in Lohn und Brot sind. Die EU-Kommission rechnet auch für 2015 noch mit einer Arbeitslosenrate von 24,6 Prozent nach 25,7 Prozent in diesem Jahr.
Ein ähnliches Bild zeigt sich in Portugal, Griechenland, Italien und auch Irland. In der Eurozone insgesamt sind immer noch fast 19 Millionen Menschen ohne Job.
Am düstersten sieht die Situation bei Jugendlichen aus. In Spanien sind 56 Prozent der jungen Menschen arbeitslos. In Griechenland sind es 61,5 Prozent. Für sie ist es besonders bitter und gefährlich, lange ohne Job zu sein und kaum Perspektiven zu haben.
Blue Card wirkt (noch) nicht
Szenenwechsel. Berlin. Wenn man hier in der Start-up-Branche jemanden fragt, was die knappste und begehrteste Ressource ist, würden die meisten wohl „Kapital“ als Antwort erwarten. Falsch. Es sind Programmierer. Nichts anderes ist so schwer zu finden für junge IT-Firmen. Das gleiche gilt für London, Paris, Amsterdam, Stockholm oder Helsinki.
Die Klage über Fachkräftemangel in der IT-Branche gehört seit Jahren so fest zu den regelmäßigen Nachrichten wie Staumeldungen auf der Autobahn. Der Chef des Branchenverbands Bitkom, Dieter Kempf, beklagte in dieser Woche mal wieder genau das. Die Bemühungen us dem Ausland mithilfe der so genannten Blue Card Abhilfe zu schaffen, seien derzeit noch wenig erfolgreich, sagte er. Der große Ansturm bleibe bislang aus. Das liege unter anderem daran, dass vor allem für kleinere Unternehmen die Suche von geeigneten Kandidaten im Ausland schwierig und die Beantragung der Blue Card aufwendig sei. Dabei sehe er insbesondere für Quereinsteiger auch ohne Studium gute Chancen.
Eine Steilvorlage. In Südeuropa sind Massen von jungen Menschen arbeitslos und im Norden herrscht Fachkräftemangel. Ausgerechnet im so wichtigen IT-Sektor? Da muss doch was gehen.
Konzertierte Aktion
Wenn Europa als IT Standort auch nur halbwegs mit den USA und Asien mithalten will, dann sollte man diese Situation nutzen und mal ein wirklich massives konzertiertes Programm schnüren. Bislang gibt es nur einige kleinere Initiativen.
Mein Vorschlag: Eine European Coding Academy – ein Umschulungsprogramm mit einem Netz von Dependancen überall verteilt in Spanien, Griechenland, Portugal und Italien. Lauter kleine Betahäuser und Inkubatoren mit integrierter IT-Uni. An die Akademien jeweils angeschlossen: Vermittlungsstellen für Jobs in Nordeuropa und One-Stop-Shops zur Gründung eigener IT-Vermittlungsagenturen und Start-ups – dafür müssten die jungen Leute dann noch nicht einmal das Land verlassen. Schließlich lässt sich Programmierung auch aus der Ferne für Londoner oder Berliner Firmen erledigen. Das ganze könnte gemeinsam finanziert werden von der EU und den führenden europäischen IT-Firmen. Europa hätte zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen.
E-Mail: Kaelble.Martin@capital.de
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