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Jahresausblick Konjunktur 2019: Neues Spiel, aber wohl wenig Glück

Im nächsten Jahr wird sich das Wirtschaftswachstum nicht mehr auf dem Niveau der Vorjahre halten können. Ein großer Unsicherheitsfaktor besteht in der Geopolitik.
Im nächsten Jahr wird sich das Wirtschaftswachstum nicht mehr auf dem Niveau der Vorjahre halten können. Ein großer Unsicherheitsfaktor besteht in der Geopolitik.
Noch vor einem Jahr erreichte das Geschäftsvertrauen in Deutschland neue Rekordhöchststände. Zum Jahresende 2018 ist der Ausblick deutlich trüber

Am 23. Januar 2018 markierte der DAX ein Allzeithoch mit 13.599,5 Punkten, nachdem er seit Oktober 2017 um über 10 Prozent zugelegt hatte. Nicht einmal die professionellen Prognostiker konnten sich der um sich greifenden Euphorie entziehen. Die Konsensprognose für Deutschlands BIP-Wachstum im Jahr 2018 kletterte von 1,9 Prozent (Oktober 2017) auf 2,4 Prozent im Februar 2018. Si tacuisses …

Weitere Konjunkturverlangsamung

Auch wenn der BIP-Rückgang um 0,2 Prozent gg. Vq. in Q3 vor allem auf den WLTP-Effekt, der in der deutschen Automobilindustrie einen Produktionsrückgang von 7,5 Prozent gegen Vorquartal verursacht hat, zurückzuführen war, hat sich das zugrunde liegende Wachstumstempo im Jahr 2018 ganz klar verlangsamt. Im Jahresverlauf sind der ifo- und der Einkaufsmanagerindex deutlich gefallen.

Nach einer Expansion um 1 ½ Prozent im Jahr 2018 prognostizieren wir nun für 2019 ein Wachstum von 1 ¼ Prozent. 2020 ist trotz eines spürbaren, positiven Arbeitstageeffekts nur mit einer geringfügigen Beschleunigung zu rechnen, da die Abschwächung des weltweiten Wachstums und eine Aufwertung des Euro für kräftigen externen Gegenwind sorgen dürften.

Der Welthandel hat seit Januar 2018 nahezu stagniert, die Wachstumsrate gegenüber Vorjahr lag im Herbst bei lediglich 3 Prozent. Offizielle Prognosen erwarten keine spürbare Erholung des Welthandels für 2019. Damit dürften die deutschen realen Exporte in 2019 – wie bereits in 2018 – nur um gut 2 Prozent zulegen. Aufgrund des kräftigeren Importwachstums wird der Außenhandel insgesamt das BIP-Wachstum erneut deutlich belasten.

Konsum und Bau bleiben Wachstumsmotoren

Auch 2019 dürfte damit das Wachstum vor allem vom privaten Konsum und vom Boom im Bausektor getragen werden. Die Unternehmen sind zuletzt bezüglich Neueinstellungen etwas vorsichtiger geworden, die Zahl der Erwerbstätigen dürfte aber in 2019 nochmals um gut 330 Tausend oder knapp 1 Prozent zulegen.

Die Ausrüstungsinvestitionen dürften dagegen nur moderat steigen, weil die schwache Exportnachfrage und geopolitische Unsicherheiten den Optimismus dämpfen sollten. Die enge Beziehung zwischen Exportnachfrage und deutschen Ausrüstungsinvestitionen wurde natürlich schon immer in den Konjunkturprognosen berücksichtigt.

Eine aktuelle Studie des IWF hat nun auch einen erheblichen Einfluss der – im Verlauf von 2017 deutlich gestiegenen – handelspolitischen Unsicherheit auf die Investitionen belegt. Zwar ist die Kapazitätsauslastung immer noch überdurchschnittlich hoch, aber sie hat im vierten Quartal deutlich nachgegeben, sodass wohl kaum mit einer Belebung des Investitionszyklus zu rechnen sein dürfte.

Schwächere Inflationsdynamik erschwert EZB-Zinswende

Trotz einer positiven Produktionslücke in Höhe von 1 bis 2 Prozentpunkten des BIP dürfte sich die deutsche Kerninflation im Jahr 2019 nur geringfügig auf 1,6 Prozent beschleunigen, weil die Engpässe bei den Unternehmen nachlassen werden. Bei einem schwächeren Ölpreisanstieg sollte die Gesamtinflationsrate im kommenden Jahr unter 2 Prozent verharren.

In der Eurozone insgesamt stellt sich die Situation ähnlich dar; wir erwarten nur noch ein Wachstum von 1,4 Prozent. Bei einer Potenzialrate von rund 1 Prozent dürfte sich der Preisdruck zwar abschwächen, aber zumindest noch eine nachhaltige Normalisierung der Kerninflation – Voraussetzung für die erste Zinsanhebung durch die EZB – ermöglichen.

Dies dürfte aber längere Zeit in Anspruch nehmen als bis dato gedacht, wir erwarten daher Zinserhöhungen – außer einer möglichen eher technischen Anhebung des Einlagezinssatzes – nunmehr erst in 2020.

Natürlich nehmen angesichts der generell gestiegenen Unsicherheiten bezüglich des Phillips-Kurven-Zusammenhangs, d.h. der Einflussfaktoren der Kerninflation, die Sorgen zu, ob der EZB auch nur eine ansatzweise Normalisierung des Zinsniveaus gelingt, bevor der nächste Konjunktureinbruch wieder geldpolitische Lockerungen nötig macht.

Risiken überwiegen im (geo-) politischen Bereich

In den letzten Monaten ist das Risiko gestiegen, dass es in drei oder gar allen vier großen EWU-Ländern in 2019 zu vorgezogenen Neuwahlen kommen könnte. In Deutschland sind durch die Wahl von Annegret Kramp-Karrenbauer zur CDU-Parteivorsitzenden die Risiken für den Weiterbestand der großen Koalition vorerst geringer geworden.

Sollte jedoch einer der Koalitionspartner oder gar beide bei den Landtagswahlen im kommenden Jahr schwach abschneiden, dürften sich die Spannungen wieder erhöhen, weil dann unterschiedliche politische Prioritäten verschärft zutage treten dürften: Die CDU dürfte Steuersenkungen anstreben, die SPD dagegen auf ihr Konzept „Sozialstaat 2025“ hinarbeiten.

Wir gehen nach wie vor davon aus, dass der Brexit auf der Grundlage des vorliegenden Ausstiegsvertrags erfolgt. Bei einem harten Brexit könnte das Wachstum im Jahr 2019 allerdings um über 0,5 Prozent-Punkte niedriger ausfallen. Ebenso würden US-Zölle in Höhe von 25 Prozent auf Autos aus der EU nicht nur die deutsche Autoindustrie bis ins Mark treffen.

Der Konflikt zwischen Rom und Brüssel über Italiens Haushaltspläne dürfte keine merklichen direkten Auswirkungen auf das deutsche BIP haben. Allerdings könnte das Vertrauen in eine regelbasierte E(W)U-Politik weiter schwinden, insbesondere falls populistische Parteien bei den Wahlen zum Europäischen Parlament Ende Mai beträchtliche Zugewinne verzeichnen können.

Stefan Schneider ist Deutschland-Chefökonom der Deutschen Bank.

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