Trotz sinkender Strompreise müssen viele Verbraucherinnen und Verbraucher aktuell noch immer deutlich mehr für Strom bezahlen als noch vor einem Jahr. In den 14 größten Städten Deutschlands stiegen die Strompreise zwischen Januar 2022 und Februar 2023 um durchschnittlich 40 Prozent in der Grundversorgung. Das hat eine Auswertung des Verbraucherzentrale Bundesverbands (VZBV) für Capital ergeben. Dafür wurden monatlich die Tarife und Preise von Energieversorgern analysiert.
Während ein Haushalt mit einem Stromverbrauch von 3500 Kilowattstunden im vergangenen Januar durchschnittlich 1181 Euro im Jahr zahlte, betragen die zu erwartenden Durchschnittsjahreskosten im Februar 2023 beim örtlichen Grundversorger 1654 Euro.
Wie die Auswertung außerdem zeigt, gibt es enorme regionale Unterschiede bei den Mehrkosten: Für Haushalte in Essen fällt die Preissteigerung beim Grundversorger mit drei Prozent relativ gering aus, wohingegen die Kosten in München um satte 98 Prozent gestiegen sind. Für Haushalte mit einem Jahresverbrauch von 3500 Kilowattstunden bedeutet das Mehrkosten zwischen 39 Euro (Essen) und 1138 Euro (München).
Grundversorger wieder teurer als andere Stromanbieter
Das Team Marktbeobachtung Energie des VZBV wertete darüber hinaus aus, wie teuer Grundversorger und alternative Anbieter im Vergleich sind. Vergangenes Jahr waren Grundversorger durchweg günstiger als die Anbieter mit den billigsten Tarifen auf dem Markt. Inzwischen jedoch gelte der Satz nicht mehr, dass Grundversorger fast immer die günstigste Option seien. „Es dreht sich gerade was am Energiemarkt“, sagt Sabine Lund vom VZBV.
In allen untersuchten Großstädten sind die Grundversorger nun wieder teurer als alternative Anbieter – mit einer Ausnahme: In Essen fanden die Expertinnen einen Tarif, der leicht über dem des Grundversorgers lag. Im Schnitt müssen Verbraucher im Grundversorgungstarif damit jährlich zwischen 18 Euro (Düsseldorf) und 1054 Euro (München) mehr bezahlen als im günstigsten Tarif eines alternativen Anbieters. In zwei Städten, nämlich München und Köln, waren die teuersten Alternativangebote immer noch günstiger als der Grundversorger.
Die Preisunterschiede zwischen den Anbietern lassen sich durch die unterschiedliche Beschaffungsstrategie der Energieunternehmen erklären: Während Grundversorger langfristig einkaufen, ordern andere Anbieter am Spotmarkt kurzfristig. Diese Alternativanbieter konnten ihren Kunden in der Vergangenheit – und jetzt wieder – die günstigen Marktpreise direkt weitergeben. Die Kehrseite dieser Praxis ist, dass sie extreme Preissteigerungen wie solche infolge des Ukrainekrieges nicht abfedern können.
Dass Kunden von der Einkaufsstrategie alternativer Anbieter derzeit wieder mehr profitieren, liegt also daran, dass die Beschaffungskosten für die Energieversorger seit Dezember deutlich sinken. Während die günstigsten Stromsonderverträge auf den Vergleichsportalen Check24 und Verivox im Januar 2022 mit einem durchschnittlichen Brutto-Arbeitspreis von 39 Cent/kWh angeboten wurden, sind es jetzt im Februar nur noch 33 Cent/kWh (Januar 2023: 38 Cent/kWh).
Bei den Grundversorgern ist es genau andersherum: Der Brutto-Arbeitspreise lag diesen Februar bei durchschnittlich 43 Cent/kWh und damit 3 Cent/kWh über dem angesetzten Wert der Strompreisbremse. Im Januar 2022 kostete die Kilowattstunde deutlich weniger, nämlich 30 Cent.