Was braucht der Euro zum Überleben? Keine neuen Institutionen, sondern nur etwas Geduld, und eine konsequente Anwendung der neuen Instrumente. Geduld braucht es weil die Anpassung in der Peripherie noch lange Jahre dauern wird. Geduld braucht es auch weil sich die institutionellen Neuerungen, insbesondere auf dem Gebiet der Bankenaufsicht, erst noch bewähren müssen.
Ein neue Institution, der ESM hat sich schon bewährt, denn es hat in zwei Fällen (Griechenland und Zypern) eine Beteiligung der Investoren gegeben. In den anderen Fällen war dies nicht notwendig. Damit ist Europe den beiden entgegen gesetzten ideologischen Positionen entkommen, die ein vernünftiges Krisenmanagement unmöglich machen. Jeden Staat bedingungslos zu retten geht natürlich nicht. Aber keinem Staat mit Liquidität unter die Arme zu greifen, wenn die Märkte wieder einmal verrückt spielen, macht auch keinen Sinn. Ein stabiles System kann weder auf dem Dogma ‚der Markt hat immer Recht‘, noch auf dem anderen Dogma ‚das Verdikt der Märke ist immer irrational‘ errichtet werden. Mit dem Tandem ESM/Bankenunion hat die Eurozone einen vernünftigen Kompromiss gefunden.
Die Bankenunion ist dabei der entscheidende Stützpfeiler des Euro, denn die Erfahrung der letzten Jahre hat gezeigt, dass eine Währungsunion mit getrennten nationalen Bankensystemen nicht stabil ist weil ein schwacher Staat und schwache Banken sich im Krisenfall gegenseitig in den Abgrund ziehen.
Mit der Bankenunion hat sich insbesondere Deutschland aus der ‚Systemrisikofalle‘ gerettet, die erst die diversen Rettungsprogramme ‚alternativlos‘ gemacht haben. Die europäischen Institutionen und die Mitgliedstaaten werden bei einem nächsten Fall Griechenland viel eher eine Gläubigerbeteiligung durchsetzen können als das bisher der Fall war denn die Stabilität des Finanzsystems der Eurozone als Ganzes wird mit der Bankenunion nicht mehr von der Insolvenz eines Staates (oder einer großen Bank) in Frage gestellt werden.
Fiskalpolitik bleibt nationale Domäne
Eine gemeinsame Fiskalpolitik oder ein Sparkommissar in Brüssel sind damit nicht mehr notwendig. Die Fiskalpolitik wird auf absehbare Zeit in alleiniger Verantwortung der Mitgliedstaaten bleiben, denn nur nationale Parlamente können über die Verwendung von Steuergeldern entscheiden. Dies gilt auch für die Sozial- und Wirtschaftspolitik im Allgemeinen. Die Verantwortung hierfür kann und soll auf einzelstaatlicher Ebene bleiben, wenn sichergestellt ist, dass nationale Politikfehler nicht zu Kosten für die gesamte Währungsgemeinschaft führen.
Da die Bankenunion das Bankensystem als Ganzes schützt, stärkt sie die Eigenverantwortung der Mitgliedstaaten und erhöht den Marktdruck auf die einzelnen Banken, insbesondere diejenigen, welche auf nationaler Ebene groß genug sind um ein Systemrisiko darzustellen. Die EZB und der Eurobankenrettungsfonds werden im Zweifelsfall härter durchgreifen, als etwa der deutsche Staat für den selbst eine IKB (mit einer Bilanzsumme von nur 30 Mrd. Euro) systemisch relevant war.
Natürlich gibt es noch Schönheitsfehler. Zum Beispiel werden Staatsanleihen immer noch offiziell als risikolos angesehen, obwohl das nicht der Fall sein kann, wenn man die ‚No-bail‘-out-Klausel ernst nimmt. Aber auch hier wird wohl die EZB viel eher auf eine Risikostreuung dringen als nationale Aufsichtsbehörden.
Insgesamt ist die Eurozone jetzt auf einem guten Weg, die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen. Investoren werden nach den Erfahrungen in Griechenland und Zypern zurückhaltender werden, zu hohe Schuldenberge zu finanzieren. Und die Aussicht, sich eine Troika ins Haus zu holen, wird Politiker zu sehr viel mehr Disziplin anregen. Damit ist eine vernünftige Mischung aus gestärkter Eigenverantwortung und Systemstabilität in Sicht.
Der Beitrag von Daniel Gros ist der Auftakt zu einer losen Reihe von Kommentaren zur Zukunft der EU anlässlich der Europawahl am 25. Mai. |