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Kommentar Eons Atom-Bombe

Für Eon ist die Flucht aus dem Geschäft mit Atom und Kohle konsequent, für das Land nicht ohne Risiko. Von Thomas Steinmann
Eon-Hauptversammlung: Beim nächsten Treffen muss Konzernchef Teyssen den Aktionären die Aufspaltung schmackhaft machen
Eon-Hauptversammlung: Beim nächsten Treffen muss Konzernchef Teyssen den Aktionären die Aufspaltung schmackhaft machen
© Eon

Im Nachhinein liest sich die Aussage wie die Ankündigung des Überraschungscoups. Er gehe nicht davon aus, dass mit der Stromerzeugung aus Kohle und Atom künftig noch „nennenswert viel Geld“ verdient werden kann, hatte Eon-Chef Johannes Teyssen im März in einem Interview gesagt. Jetzt zieht Deutschlands größter Energiekonzern die Konsequenz aus dieser Erkenntnis: Das Unternehmen will sein konventionelles Erzeugungsgeschäft abspalten und bis 2016 an die Börse bringen. Stattdessen will es sich auf das Geschäft mit Erneuerbaren Energien und Netzen konzentrieren.

Diese Art der Selbstzerschlagung ist eine Zeitenwende in der deutschen Energiebranche. Sie markiert das Ende der Energieriesen, wie wir sie über Jahrzehnte kannten: integrierte Konzerne, die von der Kohlegrube bis zum Stromnetz die gesamte Wertschöpfungskette beherrschen. Eons Flucht aus dem Erzeugungsgeschäft, das früher einmal eine Garantie zum Gelddrucken war, ist dabei nur der radikalste Schritt. Der schwedische Staatskonzern Vattenfall, ein anderer der vier Ex-Riesen, bereitet seinen Rückzug aus Deutschland vor. Und RWE geht es noch schlechter als Eon. Der hoch verschuldete Kohlekonzern ringt mit einer Krise, die man durchaus als existenzbedrohend bezeichnen kann.

Arroganz, Behäbigkeit und Risikoscheu

Natürlich hat die Energiewende einen großen Anteil an dieser Branchenkrise. So wie der Staat die Stromkonzerne groß gemacht hat – nicht zuletzt mit üppigen Subventionen für die Atomkraft –, so lässt er durch den Atomausstieg und forcierten Umstieg auf erneuerbare Energien ihr altes Geschäftsmodell implodieren. In den Traum einer neuen Energiewelt, in der der Strom dezentral auf Millionen Hausdächern, mit Windrädern und kleinen Blockheizkraftwerken produziert wird, passen keine Versorger, die vor allem von ihren Großkraftwerken leben.

Doch die Energiewende ist keine geheime Kommandoaktion. Nicht erst seit Fukushima ist klar, dass die Lizenz zum Gelddrucken mit Atom und Kohle ein Auslaufdatum hat. Durch die Reaktorkatastrophe in Japan und die Kehrtwende in der deutschen Atompolitik ist dieses Auslaufdatum nur weiter nach vorne gezogen worden. Es bleibt ein gigantischer strategischer Fehler der Energiekonzerne, dass sie in einer Mischung aus Arroganz, Behäbigkeit und Risikoscheu den radikalen Wandel der Energiewelt ignoriert und viel zu spät und viel zu zögerlich in das Erneuerbaren-Geschäft investiert haben.

Eons „Bad-Bank“ ist ein Risiko

Niemand muss daher Mitleid mit den Energiekonzernen haben. Allerdings sollte auch niemand die Risiken unterschätzen, die sich aus ihrer Existenzkrise ergeben. Strom ist kein Produkt wie Haargel, das man eben woanders bekommt, wenn eine Drogeriemarkt-Kette Pleite ist. Weil die Sonne nicht immer scheint und der Wind nicht immer weht, werden konventionelle Kraftwerke auch in Zukunft als Back-up benötigt, vor allem im Süden des Landes. Solange der subventionierte, billige Ökostrom den Preis drückt, wird jedoch niemand in neue Gaskraftwerke investieren. Der Staat könnte daher gezwungen sein, die angeschlagenen Konzerne zu stützen und für das Vorhalten konventioneller Kapazitäten zu entschädigen – nach der Abspaltung auch Eons „Bad-Bank“-Teil.

Ebenfalls ein Risiko für den Steuerzahler sind die Milliardenkosten, die für die Abwicklung der Atomkraft-Ära anfallen. Insgesamt knapp 40 Mrd. Euro haben die AKW-Betreiber für den Rückbau der Meiler und die Endlagersuche zurückgestellt, davon 15 Mrd. Euro bei Eon. Nicht erst seit Teyssens Coup machen sich viele Politiker Gedanken, ob die kriselnden und hoch verschuldeten Unternehmen überhaupt noch in der Lage sind, die Kosten für den Atomausstieg zu finanzieren. Dass bei Eon künftig der Bad-Bank-Teil für die Ausstiegskosten haftet, macht die Sorgen nicht geringer. Je nachdem, welche Investoren künftig bei dem neuen Unternehmen die Kontrolle haben, könnte es sein, dass sich einige nach den alten Zeiten mit starken Energiekonzernen zurücksehnen.

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