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Kolumne Ein schwächerer Euro hilft Europa

Die Möglichkeiten der klassischen Geld- und Fiskalpolitik für die Krisenländer sind ausgereizt. Helfen würde ihnen aber eine Abwertung des Euro vor allem gegenüber dem Renminbi. Von Franz Nauschnigg
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Franz Nauschnigg ist Abteilungsleiter für europäische Angelegenheiten und internationale Finanzorganisationen bei der österreichischen Nationalbank. Dieser Artikel gibt ausschließlich die persönlichen Ansichten des Verfassers wieder.

Wie kann den „Krisenvolkswirtschaften“ Südeuropas dabei geholfen werden, ihre externen Defizite zu verringern? Diese Debatte wird oft als Konflikt zwischen den defizitgeplagten PIIGS – Portugal, Italien, Irland, Griechenland und Spanien – und den Ländern der Eurozone mit Leistungsbilanzüberschüssen, insbesondere Deutschland, dargestellt. Aber in den letzten Jahren ist ein neues und noch wichtigeres Ungleichgewicht aufgetreten: das Handels- und Dienstleistungsdefizit der PIIGS gegenüber China. Das zeigt eine mögliche Lösung der wirtschaftlichen Notlage Südeuropas auf – einen stärkeren Renminbi.

Bis 2004 bestanden die größten Handels- und Dienstleistungsdefizite der PIIGS gegenüber dem Rest der Eurozone. Aber 2005 überstieg ihr gemeinsames Defizit gegenüber dem Rest der Welt (37,2 Mrd. Euro) ihr Defizit gegenüber anderen Euro-Mitgliedstaaten um mehr als 4 Mrd. Euro. 2008. Vor dem Höhepunkt der weltweiten Finanzkrise, erreichte das weltweite Defizit der PIIGS dann ein Rekordhoch von 116,5 Mrd. Euro, von denen mit 34,8 Milliarden gegenüber China erstmals zwei Milliarden mehr als gegenüber Deutschland bestanden (siehe Abbildung).

Entscheidend ist, dass das Gesamtdefizit der PIIGS gegenüber Deutschland, der Eurozone und der ganzen Welt in den letzten vier Jahren zwar deutlich zurückgegangen ist, aber ihr Defizit gegenüber China weiterhin riesig blieb – 33 Mrd. Euro 2010 und 29 Mrd. 2011.

Diese Situation kann anhand zweier Schlüsselfaktoren erklärt werden: Der erste war die rapide Aufwertung des Euro gegenüber dem Renminbi in den frühen 2000er Jahren. Der Euro stieg von einem Durchschnittskurs von 7,4 Yuan im Jahr 2001 auf 10,4 Yuan 2007, und wertete dann bis August 2012 wieder auf 7,8 Yuan ab. Ein Grund dafür war die Bindung des Renminbi an den US-Dollar, der 2002-2004 gegenüber dem Euro dramatisch an Wert einbüßte.

Als Ergebnis der scharfen nominalen Aufwertung des Euro wurde die Eurozone als Ganze weniger wettbewerbsfähig. Dies wirkte sich besonders stark auf die PIIGS aus, deren boomende Volkswirtschaften damals riesige Kapitalzuflüsse anzogen, was zu steigenden Löhnen und Inflation führte.

Im Wettbewerb mit China

Der gegenteilige Effekt auf die Wettbewerbsfähigkeit trat durch eine zweite Entwicklung hervor. Die südeuropäischen Wirtschaftsräume, die stark von ihren Textil-, Bekleidungs- und Schuhsektoren abhängig waren, standen plötzlich in intensivem Wettbewerb zu billigeren Importen aus China. Einer Untersuchung des Internationalen Währungsfonds zufolge lag ein Großteil der Verantwortung für die riesigen Handelsdefizite von Portugal, Italien, Griechenland und Spanien bei Chinas Textilexporten. Die Leistungsbilanzen von Deutschland, Finnland, Österreich oder Frankreich dagegen waren aufgrund ihrer größeren Stärke bei Exportsektoren wie Maschinenbau, in denen China relativ schwach war, viel weniger betroffen.

Aus anderen IWF-Studien geht hervor, dass die Handelspositionen der Euro-Volkswirtschaften nicht nur vom chinesischen Aufstieg, sondern auch durch die Integration Zentral- und Osteuropas sowie höhere Ölpreise betroffen waren. Auch dies traf die PIIGS mit am heftigsten.

Da die externen Defizite der PIIGS von den Leistungsbilanzüberschuss-Ländern der Eurozone finanziert wurden, konnte trotz deutlicher Handelsungleichgewichte Südeuropas gegenüber dem Rest der Welt das Schlimmste verhindert werden. Investoren von außerhalb der Eurozone erhöhten einfach ihre Engagements in Deutschland, Frankreich und anderen Überschussländern.

Aber was können die Politiker der Eurozone tun? Niedrige Zinsen, hohe Schulden und enorme Defizite lassen wenig Raum für eine weitere geld- oder haushaltspolitische Expansion. Die Möglichkeiten, die Löhne durch Druck niedrig zu halten, sind begrenzt. Tatsächlich kann dies sogar kontraproduktiv sein, weil es die Inlandsnachfrage dämpft und daher das Rezessionsrisiko steigert.

Die Krisenländer könnten es leichter finden, die notwendigen externen Anpassungen vorzunehmen, wenn drei Bedingungen erfüllt sind: stärkere externe Nachfrage, eine weniger erdrückende Finanzierungsumgebung und ein schwächerer Euro. Einiges davon könnte durch eine Neubewertung des Renminbi gegenüber dem Euro und den Währungen anderer Haupthandelspartner erreicht werden.

Dies würde in den Wirtschaftsräumen Südeuropas die externe Nachfrage entscheidend anschieben und ihnen die Möglichkeit geben, ihre fiskalischen und externen Defizite zu verringern. Tatsächlich war es die stärkere externe Nachfrage, die es Deutschland in den letzten Jahren ermöglichte, sein Haushaltsdefizit zu verringern.

Die Politiker der Eurozone sollten sich auf die Schwierigkeiten konzentrieren, denen Südeuropa durch schwache externe Nachfrage und chinesische Exporte ausgesetzt ist. Unter diesen Umständen könnte ein schwächerer Euro für ein geschwächtes Europa hilfreich sein.

Gemeinsame Handels- und Dienstleistungsbilanzen Griechenlands, Italiens,
Irlands, Portugals und Spaniens 2004-2011 (in Mrd. Euro)


Welt

Euroraum

Deutschland

Rest der Welt

China

2004

-40.789

-31.394

-22.830

-9.395

-13.644

2005

-69.984

-32.786

-24.479

-37.199

-17.961

2006

-103.934

-43.244

-28.995

-60.690

-23.797

2007

-104.101

-48.185

-38.331

-55.916

-30.923

2008

-116.466

-48.219

-31.600

-68.246

-33.840

2009

-41.424

-21.153

-16.214

-20.269

-20.425

2010

-63.841

-23.156

-17.939

-40.683

-33.417

2011

-22.887

-8.227

-13.494

-14.658

-29.220

Quelle: Eurostat

Aus dem Englischen von Harald Eckhoff

© Project Syndicate 1995–2013

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Foto: © David Reali

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