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Kolumne Die Farce der Fitschen-Wahl

Wäre die Deutsche Bank ein Staat, würde sie unter die Kategorie Bananenrepublik fallen. Selbst wenn die vorzeitige Vertragsverlängerung von Co-Chef Fitschen gerechtfertigt ist, rechtens ist sie nicht. Von Jenny Genger
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Jenny Genger schreibt in ihrer Kolumne über Unternehmensführung, Netzwerke und Karrierethemen.

Gibt es eigentlich eine Bezeichnung für die absurdesten Unternehmensgeschichten? Vielleicht so etwas wie Schildbürgerstreiche – nur eben auf die Welt der Topmanager und Aufsichtsräte bezogen? Es müsste etwas sein, was ebenfalls eine Handlung umschreibt, deren ursprünglicher Zweck in törichter Weise verfehlt wird.

Solch ein Schelmenstück wird uns gerade wieder vorgeführt: Die Deutsche Bank verkündet, dass der Aufsichtsrat über die Vertragsverlängerung von Co-Chef Jürgen Fitschen entscheiden wird. Klingt nicht sonderlich gewitzt? Dann kommen Sie mal langsam ins Staunen: Zunächst prescht da jemand (den es noch genauer zu identifizieren gilt) sehr eilig vor. Denn so eine Vertragsverlängerung nur gut ein Jahr nach Amtsantritt (Juni 2012) und anderthalb Jahre vor Auslaufen des Drei-Jahres-Vertrages (Mai 2015) anzusetzen, ist zumindest mal sehr ungewöhnlich, manche meinen gar unzulässig. Vorgesehen ist so etwas grundsätzlich eigentlich frühestens ein Jahr vor Ende des Vertrags (das wäre hier also eigentlich im Mai 2014).

Wirklich große Augen machen kann man aber, wenn man sieht, dass das Unternehmen diese anstehende Entscheidung ankündigt (was ebenfalls ungewöhnlich ist) und vor der formalen Entscheidung (die wird erst in sechs Wochen gefällt) bereits als finale und richtige Entscheidung darstellt. Können Sie noch folgen? Glauben Sie mir, das ist ein wirklich vorwitziger Streich.

Abstimmung keine Formalität

Noch mal etwas detaillierter: Die Bank teilte am Mittwoch mit, dass der Präsidialausschuss des Aufsichtsrats die Vertragsverlängerung auf der nächsten Sitzung des Gremiums am 29. Oktober vorschlagen wird. Richtig ist, dass so ein Präsidialausschuss, in dem bei der Deutschen Bank außer Chefkontrolleur Paul Achleitner noch drei weitere Aufsichtsratsmitglieder sitzen, Vorstandsverträge vorbereitet. Das ist ihr Job und es gibt eigentlich keine Notwendigkeit die Öffentlichkeit darüber zu informieren, dass sie gerade mitten in der Arbeit stecken, die erst Ende Oktober abgeschlossen wird. Denn diese vier werden nicht die Entscheidung treffen, darüber werden alle 14 Männer und sechs Frauen im Aufsichtsrat gemeinsam abstimmen. Und diese Abstimmung ist keine läppische Formalität, wie sich jetzt einige sogenannte Insider in Presseberichte zitiert lassen.

So eine Annahme würde ja den Verdacht aufkommen lassen, dass da an der Spitze des größten deutschen Finanzinstituts eine gefügige Frühstücksdirektorenversammlung des alten Schlages sitzt, die abnickt, was ihnen ein kleiner Kreis vorsetzt. Das sollte es eigentlich unter verschärften Richtlinien für eine gute Unternehmensführung nicht geben. Hoffe ich. Und den Eindruck sollten auch die Aufsichtsräte nicht aufkommen lassen, zu denen so prominente Wirtschaftsvertreter wie Eon-Chef Johannes Teyssen, Bosch-Holding-Chef Tilman Todenhöfer, Ex-Siemens-Chef Peter Löscher und Ex-SAP-Chef Henning Kagermann gehören. Es wäre naiv zu glauben, dass mit den einzelnen Mitgliedern vor so einer Entscheidung keine Vorgespräche zur Mehrheitsbeschaffung stattfinden (die in manchen Firmen einem echten Wahlkampf gleichkommen) und bei der Deutschen Bank schon stattgefunden haben können. Aber: die Entscheidung wird formal von allen 20 Mitgliedern zusammen auf der entsprechenden Sitzung Ende Oktober gefällt.

Viel Erklärungsbedarft: Deutsche-Bank-Chefs Fitschen (l.) und Jain
Viel Erklärungsbedarft: Deutsche-Bank-Chefs Fitschen (l.) und Jain
© ddp images

Entschuldigung, aber ist es naiv, zu erwarten, dass da eine offene und freie Abstimmung stattfindet? Und dass das Gremium sich für so eine wichtige Entscheidung vorher auch die Zeit nimmt gemeinsam darüber zu diskutieren und kritische Fragen zu besprechen? Dann frag ich mich aber, warum jetzt einige dieser sogenannten anonymen Insider keck behaupten, dass doch schon klar sei, dass es eine breite Zustimmung für Fitschen gibt. Ach ja? Bis Ende Oktober ist noch mehr Zeit als bis zur Bundestagswahl. Und warum sollte es nicht möglich sein, dass Fitschen nur eine hauchdünne Mehrheit bekommt oder sogar durchfällt?

Wären die Deutsche Bank ein Land, würde sie unter die Kategorie Bananenrepublik fallen.

Was treibt solche Bananen Banker an? Hat einer der Beteiligten blöderweise oder ganz bewusst vorab etwas an die Medien durchgestochen (vor der Pressemitteilung der Deutschen Bank erschienen zumindest sehr detaillierte Berichte der Süddeutschen Zeitung und der Nachrichtenagentur Reuters), so dass die Konzern-Justiziare nun versuchen, der Ad-Hoc-Publizitätspflicht nachzukommen? Oder ist das ein neues Verständnis von Transparenz? In beiden Fällen wäre der Zweck verfehlt.

Schwammige Begründung

Nachvollziehbare Gründe, warum Fitschen nun bis zu seinem 68. Lebensjahr verpflichtet werden soll, nennt die Deutsche Bank keine. Aber – und jetzt wird es noch einmal drollig - Aufsichtsratschef Achleitner plaudert in der Pressemitteilung: „Gemeinsam haben Jürgen Fitschen und Anshu Jain (das ist der Co-Chef) den Aufsichtsrat um die Erneuerung (gemeint ist wohl Fitschens Vertrag) gebeten. Sie möchten ihre ausgezeichnete partnerschaftliche Zusammenarbeit auch in den kommenden Jahren für die Deutsche Bank fortsetzen.“ Wow, ist das denn ein Wunschkonzert? Klar, es ist gut, wenn ein Chef oder zwei Co-Chefs ihre Leidenschaft, Energie, Engagement, Ehrgeiz und auch weitere Bereitschaft und Verfügbarkeit zum Ausdruck bringen. Aber, herrje ich wiederhole mich: die Entscheidung zur Vertragsverlängerung treffen ihre Vorgesetzten. Und das sind die Aufsichtsräte, die im besten Falle im Interessen der Aktionäre und des Unternehmens entscheiden.

Als Begründung reicht das Vorsprechen der Vorstände nicht. Und auch sonst bleibt Achleitner erstaunlich schwammig: Dies (gemeint ist wohl Fitschens Vertragsverlängerung) sei ein gutes Signal für die Bank und die ganze Branche. Warum genau, frag ich mich. Die beiden Co-Chefs hätten mit zahlreichen Entscheidungen die Bank in die richtige Richtung gebracht. Welche genau, frag ich mich weiter. Ich finde, der Aufsichtsratschef dürfte und müsste bei so einer bedeutenden Vertragsverlängerung ruhig schon konkreter werden und eine Bilanz der bisherigen Projekte und Erfolge ziehen und die weiteren Ziele konkret nennen. Oder muss es den Medien, Mitarbeitern, Investoren, Kunden und Geschäftspartnern reichen, dass sie erfahren, dass eine Entscheidung getroffen wurde, bevor sie endgültig getroffen wurde?

Glaubwürdig, professionell und fortschrittlich wäre die Bank, wenn sie Auswahlkriterien und Ziele für ihre Vorstände klar benennen würde - und das auch gerne vorzeitig.

Ansonsten brauchen wir nun doch noch ein passendes Synonyme für Schildbürgerstreich. Fällt Ihnen was ein?

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E-Mail: genger.jenny@capital.de

Foto: © Trevor Good; ddp images

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