Großbritannien ist ja dafür bekannt, dass es auf den Inseln schon mal etwas rauer zugehen kann. Für das Wetter gilt das allemal, für die Pubs auch – jetzt gilt das aber auch für die Tankstellen. Weil vielerorts die Tanks leer sind, müssen die Menschen mit langen Wartezeiten rechnen. Manche verlieren die Geduld, manchmal fliegen Fäuste.
Doch es sind längst nicht nur die Tankstellen, an denen der Sprit ausgeht. Andernorts sind es die Supermärkte, in denen die Regale leer bleiben. Die Briten sind frustriert und stellen sich auf einen harten Winter ein. Es ist jedenfalls ein seltsames Bild, das sich dort gerade auf den Inseln am europäischen Rand bietet. Dabei sind die Warenlager voll, die Benzintanks an den Raffinerien ebenfalls. Was fehlt sind Lkw-Fahrer, die die Waren dorthin bringen, wo sie benötigt werden.
In Großbritannien zeigen sich die Folgen des Brexits
Dass es sich dabei auch um Folgen des Brexits handelt, darüber schweigt sich die Regierung in London aus. Doch ein Wort steht bereits im Raum: Regierungsversagen. Medien erinnern an den Winter des Jahres 1978/79, als sich die Müllberge in den Städten türmten. Jetzt sind es die Landwirte, die ihre Ernte nicht von den Feldern bekommen, jetzt sind es eben die Supermärkte, die ihre Regale nicht füllen können, oder Energiefirmen, die pleitegehen .
Wo es gerade hakt im Königreich, zeigt diese Bilderstrecke:
Welche Waren in Großbritannien gerade knapp werden.

In Großbritannien gibt es zu wenige Lkw-Fahrer. Der Brexit hat vielen Fachkräften aus dem Ausland die Einreise erschwert, jetzt fehlen sie bei der Auslieferung von Treibstoffen an die Tankstellen oder beim Transport von Lebensmitteln. Doch das Problem hat noch eine größere Dimension: Der Brexit hat ausländischen Spediteuren das Großbritannien-Geschäft durch neue Zollvorgaben erschwert. Nur noch wenige wagen den Handel auf der Insel. Die Folge beider Phänomene sind Lieferengpässe. Analysen zufolge fehlen rund 100.000 Fahrer. Die Regierung will gegensteuern und 5000 befristetet Arbeitsvisa ausgeben. Nur: Bislang will niemand die Visa haben.

Dieser Mann soll dafür sorgen, dass es an der Tankstelle keinen Stau gibt. Das Schild warnt davor, dass es hier keinen Dieseltreibstoff mehr zu kaufen gibt. Ein Bild, das sich durch das ganze Land zieht – denn an vielen der rund 8000 Tankstellen geht gerade der Sprit aus. Das Pikante daran: Kraftstoff gibt es auf der Insel genug. Es mangelt aber an Lkw-Fahrern, die ihn ausfahren können. An den Zapfsäulen bilden sich deswegen seit dem Wochenende lange Schlangen, immer öfter scheinen Menschen die Geduld zu verlieren, es kommt zu Schlägereien. Rufe nach einer Spritverteilung nach Berufsgruppen werden laut.

In ganz Europa steigen gerade die Energiepreise, Großbritannien trifft es aber besonders hart. So hart, dass die Düngemittelindustrie bereits zurückstecken und erste Werke dichtmachen musste. Die Regierung in London stützt die Unternehmen zwar – trotzdem sind die Folgen weithin spürbar: Die Düngemittelindustrie ist nämlich auch die Grundlage der Gasproduktion. Und das hat wiederum ganz andere Folgen für die Wirtschaft und das alltägliche Leben.

Das Gas wird knapp in Europa, das schlägt sich auf die Energiepreise nieder. Aber: Auch industrielles Gas ist gerade Mangelware. Und dass etwa CO2 ein wichtiges Gas in der Industrie ist, wird schnell vergessen. Vor allem in der Lebensmittelindustrie wird es benötigt, um Nahrungsmittel unter Schutzatmosphäre zu verpacken. Weil industielles CO2 aber häufig ein Abfallprodukt der Düngemittelindustrie ist, wird das Gas in Großbritannien nun knapp. Die Folge ist, dass viele verpackte Lebensmittel nicht mehr zu kaufen sind. Das Gas wird übrigens auch benötigt, um Tiere vor dem Schlachten zu betäuben.

Dass die Supermarktregale in Großbritannien vielerorts leer sind, hat mehrere Gründe. Die Lkw-Fahrer, die nicht da sind, um Sprit zu den Tankstellen zu fahren, fehlen auch in der Lebensmittelversorgung. Ein anderer Grund für Knappheit ist, dass Gas zum Betäuben von Tieren vor dem Schlachten fehlt. Wieder ein anderer ist, dass CO2 zum verpacken unter Schutzatmosphäre fehlt. Die Lebensmittelkrise in Großbritannien hat also viele sich überlagernde Facetten. Foto: IMAGO / ZUMA Wire

Für die Briten könnte es wieder zu einem besonderen Weihnachten kommen. Wegen der fehlenden Lkw-Fahrer fürchten viele, dass Waren entweder länger brauchen, um auf der Insel anzukommen – oder dass sie den Weg dorthin gar nicht rechtzeitig finden. Rund die Hälfte der Briten hat aus diesem Grund wohl bereits mit den Weihnachtseinkäufen begonnen.