Anzeige

Flugzeugbauer Boeing-Whistleblower: „Mir wurde gesagt, ich soll die Klappe halten“

Sam Salehpour bei seiner Aussage im US-Senat
Sam Salehpour bei seiner Aussage im US-Senat
© Bonnie Cash/UPI Photo via Newscom / Picture Alliance
Große Bühne für einen Whistleblower im US-Senat: Boeing-Ingenieur Sam Salehpour behauptet, dass der Konzern beim Modell 787 „Dreamliner“ gegen eigene Qualitätsvorgaben verstieß. Der Flugzeugbauer weist die Vorwürfe zurück

Der Boeing-Ingenieur Sam Salehpour hat bei einer Anhörung im US-Senat seine Kritik an der Produktion des Langstrecken-Modells 787 „Dreamliner“ bekräftigt.  Der Whistleblower behauptet, dass Boeing Fehler bei der Verbindung von Rumpfteilen der Maschine zugelassen habe, was ihre Langlebigkeit beeinträchtigen könne. Der Konzern weist die Vorwürfe zurück und verweist darauf, dass die von Salehpour genannten Vorgaben strenger als nötig seien.

Salehpour verweist darauf, dass laut Boeing-Unterlagen Abstände zwischen den Rumpfteilen geschlossen werden müssen, die größer als 0,005 Zoll (0,127 Millimeter) sind. Bei mehr als 1000 Maschinen der 787-Baureihe seien die größeren Lücken an zwei Stellen nicht geschlossen worden. Boeing verweise oft darauf, dass 0,005 Zoll nur die Dicke eines menschlichen Haares seien, sagte er im Senats-Unterausschuss für Ermittlungen. Aber im Flug könne auch ein Fehler in dieser Größenordnung „eine Frage von Leben und Tod sein“, betonte Salehpour am Mittwoch.

Er prangerte auch ein neues Produktionsverfahren beim viel benutzten Langstrecken-Modell Boeing 777 an, bei dem es schwieriger sei, einzelne Rumpfteile anzupassen. Auf die direkte Frage eines Senators, ob aus seiner Sicht die 787 und die 777 unsicher seien, beschränkte sich Salehpour allerdings auf die Feststellung, dass Vorgaben missachtet worden seien.

Der Whistleblower ging zugleich mit der Boeing-Unternehmenskultur hart ins Gericht. „Mir wurde gesagt, ich soll die Klappe halten“ - und er sei auch bedroht worden, nachdem er seine Bedenken vorgebracht habe.

Boeing wehrt sich

Boeing wies die Vorwürfe zurück. Das Unternehmen habe seine im Einsatz befindlichen 787-Jets einer grundlegenden Wartung unterzogen und dabei keine Schäden entdeckt. Auch die FAA erklärte in einer Stellungnahme, dass jedes eingesetzte Flugzeug den Standards der Behörde entspreche.

Chef-Ingenieur Steve Chisholm verweist darauf, dass 671 Maschinen des Typs ihre Inspektionen nach sechs Betriebsjahren absolviert hätten und bei keinem Flugzeug Probleme festgestellt worden seien. Auch eine 787, bei der von 2010 bis 2015 die Belastung von 165.000 Flügen simuliert worden sei, habe keine Anzeichen von Materialermüdung am Rumpf gezeigt. Die FAA habe die Ergebnisse der Untersuchungen abgesegnet.

Boeing-Managerin Lisa Fahl betonte zugleich, dass der Flugzeugbauer bei der Entwicklung der 787 extrem vorsichtig gewesen sei. Die Vorgabe für die Spaltmaße sei strikter festgesetzt worden, weil es das erste Flugzeug mit einem Rumpf aus Verbundmaterialien gewesen sei. Mit mehr Daten habe man aber herausgefunden, dass auch größere Abstände zulässig seien. Auch bei der 777 hätten neue Produktionsmethoden nicht zu Problemen geführt, beteuert Boeing unter Verweis auf Inspektionsdaten.

„Vom Aktienkurs besessene Führungskräfte“

Boeing hat mit Qualitätsproblemen und Fertigungsfehlern bei einigen Modellen zu kämpfen. Anfang Januar war etwa bei einer Boeing 737 MAX-9 von Alaska Airlines kurz nach dem Start in Portland in knapp fünf Kilometern Höhe ein Teil der Kabinenwand herausgefallen, hinter der sich der Notausgang befindet. Danach hatte sich herausgestellt, dass vier Bolzen an der Kabinentür fehlten. Die US-Luftsicherheitsbehördehatte daraus Konsequenzen gezogen und eine Obergrenze für neue Jets dieses Typs gesetzt und Boeing zudem eine Frist zur Lösung der Probleme auferlegt.

Im US-Senat forderten Mitglieder des Handelsausschusses bei einer anderen Anhörung von Boeing, das Sicherheitskonzept zu überarbeiten. Der Flugzeugbauer müsse mehr tun, um seine Sicherheitskultur zu verbessern, erklärten Mitglieder des Ausschusses in einer Anhörung am Mittwoch. „Ich persönlich denke, dass Boeings jüngste Produktionsprobleme nur das Symptom eines viel tieferen Problems sind“, sagte die Senatorin Tammy Duckworth und sprach in diesem Zusammenhang von nach ihrer Ansicht „vom Aktienkurs besessene Führungskräfte“. Die Gremien-Vorsitzende Maria Cantwell erwartet nach eigenen Angaben, dass der US-Flugzeugherstellereinen ernsthaften Plan als Reaktion auf eine Frist der heimischen Luftfahrtbehörde FAA vorlegt. Diese hatte Ende Februar gefordert, dass der Konzern innerhalb von 90 Tagen einen überzeugenden Plan zur Lösung seiner „systematischen Qualitätssicherungsprobleme“ vorlegt.

dpa/rts/kb

Mehr zum Thema

Neueste Artikel

VG-Wort Pixel