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Babboe-Holding Aufregung bei Fahrrad-Konzern Accell: Aufseher Rørsted geht

Ein Mann transportiert einen Hund im Lastenfahrrad von Babboe
Ein Mann transportiert einen Hund im Lastenfahrrad von Babboe
© ANP | Eva Plevier / Picture Alliance
Die Probleme reißen nicht ab, nach dem Verkaufsstopp für Lastenräder der Accell-Marke Babboe verlässt Kasper Rørsted als Aufsichtsratschef das Unternehmen. Gläubiger werden nervös

Als sich der amerikanische Finanzinvestor KKR vor zwei Jahren anschickte, eine der größten Fahrradholdings der Welt zu übernehmen, da sprach er von prächtigen Wachstumsaussichten. „Wir wollen die Niederlande als Weltzentrum des Radsports weiterentwickeln und die führende Position im europäischen Elektrofahrradmarkt ausbauen“, erklärte KKR-Partner Daan Knottenbelt im Zuge des fast 1,6 Mrd. Euro schweren Angebots für den Fahrradhersteller Accell Group. 

Doch inzwischen mehren sich die Probleme. Der Konzern ist hochverschuldet – und nun auch seinen berühmten Aufsehr los: Kasper Rørstedt, der frühere CEO von Henkel und Adidas, verlässt laut Medienberichten nach gerade einmal fünf Monaten das Unternehmen. „Angesichts seiner anderen internationalen Funktionen in diversen Ländern hat er sich entschieden, seine Rolle bei Accell Group niederzulegen“, zitiert die „FAZ“ Accell aus einer Mitteilung. Neue Aufsichtsratschefin wird rückwirkend zum 1. März die frühere niederländische Wirtschaftsministerin Annemarie Jorritsma. Neben Rørsted, der auch als Berater für Accell tätig war, werden weitere Manager ausgetauscht. 

Fest steht: Die neue Führungs- und Aufsichtsriege muss den Konzern schnell wieder fit bekommen, denn Accell braucht wohl dringend Geld. Wie das „Manager Magazin“ berichtet, verlieren Kreditgeber des Unternehmens offenbar zusehends das Vertrauen. Demnach sollen sie Berater beauftragt haben, um sich für den Fall einer möglichen Umschuldung vorzubereiten, heißt es von Insidern.

Spardruck von KKR?

Sanieren, filettieren, verkaufen – das Geschäftsmodell, das Private-Equity-Firmen wie KKR oft nachgesagt wird, schien bei Accell eigentlich nicht die Perspektive. Schließlich befand sich der Fahrradmarkt in der auslaufenden Corona-Pandemie mitten im Boom. Die Nachfrage nach E-Bikes und Lastenrädern, beides Spezialitäten von Marken der Accell Group, zog noch an.

Doch inzwischen hat sich der Fahrradmarkt gedreht. Accell gehört damit zu den Problem-Investments von KKR, dem Investor, der in Deutschland etwa durch seine Beteiligung an Axel Springer bekannt ist. Der amerikanische Fonds-Investor hat der Fahrradholding Anfang dieses Jahres einen harten Sparkurs verordnet, bei dem etwa fast die Hälfte der Stellen am Konzernsitz in Heerenveen wegfallen sollen. 

Kürzlich kam zu dem schmerzhaften Umbau ein weiteres Problem: Die Accell-Marke Babboe, die für kostspielige Lastenräder bekannt ist, hat den Verkauf ihrer Lastenfahrräder vorerst gestoppt – wegen Bruchgefahr bei den Fahrradrahmen. Der Stopp geschah erst auf Druck der niederländischen Verbraucherschutzbehörde. Der Ansehensverlust und die Umsatzeinbußen der Marke dürften riesig sein. 

Auf den ersten Blick liegt die Vermutung nahe, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen dem Spardruck von den Finanzinvestoren und den Problemen bei Babboe. Es wäre nicht das erste Mal, dass entschiedenes Kostenmanagement von Private-Equity-Firmen ein Qualitätsprodukt einer ihrer Beteiligungen in Mitleidenschaft zieht.

Dass es einen direkten Zusammenhang gibt, ist dennoch weitgehend ausgeschlossen: Denn die ersten Probleme mit Babboe-Rahmen traten laut dem Bericht der Verbraucherschützer schon 2019 auf – also lange vor dem Einstieg von KKR. Allerdings wird Babboe auch eine schwerfällige Reaktion auf Beschwerden vorgeworfen. Am Ende habe der Hersteller die Zeit bis zur behördlichen Anordnung verstreichen lassen, anstatt selbst tätig zu werden. 

Es ist im Grundsatz nicht ausgeschlossen, dass verschlepptes Beschwerdemanagement und langsame Reaktion bei einem so sensiblen Thema wie Qualitätssicherung auf das Konto von Holdingstrukturen, Firmenumbauten und Spardruck geht. Konkrete Hinweise darauf gibt es in diesem Fall aber noch nicht.

Zwei Holdings mischen die Fahrradbranche auf

Konsolidierung und Konzernstrukturen sind in der Fahrradbranche relativ neue Phänomene. Traditionell sind Fahrradmarken oft eigentümergeführt, Produktion, Vertrieb und Markenführung werden oft aus einer Hand kontrolliert. Es sind zwei niederländische Holdings, die in den letzten Jahren Bewegung in die Szene gebracht haben.

Zum einen ist da die familiengeführte Pon Holdings. Sie wurde unter anderem als Importeur von VW Käfern groß und kauft seit 2012 Fahrradmarken in ganz Europa zusammen, darunter Gazelle, Urban Arrow, Cannondale, Schwinn, Kalkhoff und Rixe. Das andere ist die Accell Group, zu der etwa Batavus, Sparta, Raleigh und Winora gehören. Lange Zeit ging es für den Konzern steil aufwärts: Von 538 Mio. Euro im Jahr 2008 trieb sie den Umsatz auf 1,4 Mrd. im Jahr 2022.

2017 wollte Pon Holdings sogar die Accell Group übernehmen und mit ihr den weltweit größten Fahrradhersteller formen. Die Übernahme für 845 Mio. Euro scheiterte, Accell blieb börsennotiert und ging dann fünf Jahre später für fast das Doppelte an KKR. Einen Teil des stolzen Kaufpreises mussten die Neueigentümer später abschreiben. 2022 nahmen sie die Accell Group von der Börse.

Doch Pon hat sich auch ohne den Zukauf besser entwickelt als die Konkurrenz – in punkto Marktanteil und Wachstumstempo. Die Krise, die durch Preisdruck, übervolle Lager und nachlassende Nachfrage gerade in Boomsegmenten gekennzeichnet ist, scheint Accell besonders stark zu treffen.

Fitch wertete Accell bereits ab

Dramatisch las sich ein Bericht der Ratingagentur Fitch aus dem Dezember zu Accell. Die Bewertungsexperten haben damals die Kreditwürdigkeit des Fahrradkonzerns zum dritten Mal in Folge abgewertet. Die Kapitalstruktur sei „nicht tragfähig“, die Firma „anfähig für Zahlungsausfälle“. Mit Bezug auf die übervollen Lager schrieben die Analysten: „Letzterer Faktor dürfte die meisten Hersteller, auch Accell, dazu zwingen, 2024 aggressive Rabatte anzubieten“ Zwar hat KKR späterer weiteres Geld nachgeschossen, aber eine strategische Antwort auf die Krise hat der Eigentümer noch nicht gefunden.

Jetzt sollen es die Sparmaßnahmen und Umbauten richten. Funktionen sollen zentralisiert werden, ein Teil der Produktion wird von Westeuropa nach Ungarn und in die Türkei verlagert. Das trifft auch die bayerische Marke Ghost, bei der von rund 200 Mitarbeitern 83 gehen müssen – und natürlich die Lastenradmarke Babboe.

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