Anzeige

Kritik an Lindner-Plan Mit Aktien für die Rente sparen? Mehrheit der Deutschen lehnt das ab

Protestaktion der IG Metall vor dem FDP-Bundesparteitag
Verzockt das Geld künftiger Rentner am Roulette-Tisch: Ein Lindner-Double bei einer Protestaktion der IG Metall gegen die Aktienrente vor dem FDP-Parteitag
© picture alliance/dpa | Christoph Soeder
Die Mehrheit der Deutschen ist dagegen, Teile ihrer Rentenbeiträge am Kapitalmarkt anzulegen. FDP-Chef Christian Lindner favorisiert diese Form des Aktiensparens, doch die Bürger misstrauen seiner Kompetenz

Sie ist das Lieblingsprojekt der FDP: die sogenannte Aktienrente. Nach schwedischem Modell wollen die Liberalen einen Teil der Rentenbeiträge am Kapitalmarkt anlegen. Bei den Koalitionspartnern SPD und Grüne beißen die Liberalen mit ihren Plänen jedoch auf Granit – und sie tun das ganz offenbar auch bei der Mehrheit der Bevölkerung.

Wie eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstitut Kantar Public im Auftrag der Gewerkschaft IG Metall zeigt, lehnen zwei Drittel (67 Prozent) der Deutschen die Aktienrente ab. Sie sprechen sich dagegen aus, dass Beiträge am Aktienmarkt investiert werden und Gewinne oder Verluste die Höhe der individuell ausgezahlten Rente beeinflussen. Stattdessen wünschen sich 90 Prozent der Befragten Sicherheit und Planbarkeit bei der Rente statt hoher Rendite bei größerem Risiko (7 Prozent).

Selbst unter FDP-Sympathisanten ist die Ablehnung der Aktienrente mit 42 Prozent verhältnismäßig groß, genauso wie bei der jungen Generation, die die FDP mit ihrem Modell gern hinter sich wähnt: 58 Prozent der 18- bis 39-Jährigen finden die Idee der Aktienrente „eher nicht“ oder gar „nicht“ gut. Nur ein Viertel (26 Prozent) aller 1017 Befragten ist dafür, dass der Staat mit Aktien für die Rente spart. 

Vertrauen in Lindner gering

Gering ist auch das Vertrauen in die Kompetenz von Bundesfinanzminister und FDP-Chef Christian Lindner: Drei Viertel (74 Prozent) der Deutschen misstrauen Lindner in Fragen der Rentenpolitik. Besonders groß ist die Skepsis laut der Anfang April durchgeführten Umfrage bei Wählerinnen und Wählern der Grünen (83 Prozent), Linken (80 Prozent) und AfD (90 Prozent). Sogar die Mehrheit der FDP-Wählerklientel (61 Prozent) zweifelt an den Fähigkeiten Lindners bei der Rente.

Für die Gewerkschaften als vehemente Gegnerinnen der FPD-Pläne sind die Umfrage-Ergebnisse einmal mehr ein Argument für ihre Position – und Grund genug, sie öffentlichkeitswirksam auszuschlachten: Kurz vor dem FDP-Bundesparteitag in Berlin trommelten sie zu einer „satirischen Performance“. Ein Lindner-Double verzockte symbolisch am Roulette-Tisch die Rente künftiger Generationen.

Das Problem bei der Rente lösen solche Protestaktionen freilich nicht, und einen richtig guten Ausweg aus der schwierigen Situation haben auch die Gewerkschaften bisher nicht präsentiert. Dass sich etwas ändern muss, bestreiten zwar die wenigsten. Aber die Frage ist, was und wie. Das umlagfinanzierte System droht an seine Grenzen zu stoßen. Schon heute sind die Steuerzuschüsse zur gesetzlichen Rente der größte Posten im Bundeshaushalt, rund ein Viertel des gesamten Etats: Zuletzt musste der Bund zum ersten Mal mehr als 100 Mrd. Euro an die Deutsche Rentenversicherung überweisen.

Es geht also darum, neue Finanzquellen für das Rentensystem zu erschließen und einen zusätzlichen, kapitalgedeckten Anteil in dieses System zu integrieren – und da wird es sehr kompliziert und hochpolitisch. Die FDP ist naturgemäß sehr aufgeschlossen gegenüber dem Kapitalmarkt, auch die Grünen können dem Aktiensparen etwas abgewinnen, aber viele in der SPD lehnten das ab – wohl auch aus Rücksicht auf die Gewerkschaften. Trotzdem sprach sich die Ampel-Regierung in ihrem Koalitionsvertrag dafür aus, die Altersvorsorge in Zukunft teilweise kapitalgedeckt aufzubauen. Als Vorbild galt Schweden.

Regierung plant „Generationenkapital“ statt echter „Aktienrente“

Lange war unklar, wie genau das geschehen soll. Seit Januar steht fest: Aus der ursprünglichen FDP-Idee der Aktienrente wird erst einmal nichts, stattdessen kommt das sogenannte Generationenkapital, eine Art „Aktienrente light“.

Geplant ist nun, einen staatlichen Fonds einzurichten, der Geld in Aktien und andere Wertpapiere anlegt, um die Rente aller Deutschen aufzubessern. Der Bund wird dafür 2023 die Summe von 10 Mrd. Euro in einen staatlich gemanagten Fonds einzahlen und das Geld darüber am Kapitalmarkt investieren. In den kommenden Jahren sollen jährlich jeweils weitere 10 Mrd. Euro in den Fonds fließen. Das Geld dafür kommt zunächst aus dem Bundeshaushalt und soll über einen Kredit laufen – der Staat macht für die Rente also Schulden.

2038 könnten rund 150 Mrd. Euro an Einzahlungen im Staatsfonds liegen. Dazu kämen die Aktienerträge, die die Investments abwerfen. Etwa ab 2038 sollen dann auch die ersten Auszahlungen aus dem Fonds fließen an alle, die dann neu in Rente gehen.

Der Staatsfonds wird an der Gesetzlichen Rentenversicherung aufgehängt und damit in die ersten Säule intergriert. Im Raum stand auch, ihn in die privates Altersvorsorge und damit in die zweite Säule zu hieven. In ein Gesetz gegossen sind die Pläne noch nicht, es soll im Sommer verabschiedet werden.

Mehr zum Thema

Neueste Artikel

VG-Wort Pixel