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Verbraucherschutz Neues Gesetz: So kriegen Verbraucher per Abhilfeklage bald Geld zurück

Die Justitia-Statue steht inmitten des Gerechtigkeitsbrunnens auf dem Römerberg in Frankfurt am Main.
Die Justitia-Statue steht inmitten des Gerechtigkeitsbrunnens auf dem Römerberg in Frankfurt am Main.
© picture alliance / greatif | Florian Gaul
Verbraucher sollen mit der neuen Abhilfeklage künftig leichter Schadenersatz und Geld erstattet bekommen können. Die neue Art der Sammelklage ergänzt die bestehende Musterfeststellungsklage

Mit einer neuen Art von Sammelklage will Justizminister Marco Buschmann (FDP) gleich drei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Erstens sollen geprellte Verbraucherinnen und Verbraucher künftig leichter gemeinsam gegen Unternehmen vorgehen können; zweitens soll mit der sogenannten Abhilfeklage die Justiz entlastet werden; und drittens will er mit der Einführung des neuen Gesetzes auf den letzten Drücker ein EU-Vertragsverletzungsverfahren vermeiden, das Deutschland droht.

Mit dieser Drohung aus Brüssel im Rücken verabschiedete das Kabinett aus SPD, Grünen und FDP am Mittwoch den von Buschmann vorgelegten Gesetzentwurf zur Umsetzung der EU-Verbandsklagerichtlinie. Relevant dürfte das neue Klageinstrument vor allem bei Schadensfällen werden, die sehr viele Verbraucherinnen und Verbraucher betreffen – wie beim Diesel-Abgasskandal, bei rechtswidrigen Bankgebühren, ausstehenden Zinsnachzahlungen, Strompreisen aber auch Flugausfällen.

Kern von Buschmanns Entwurf ist das neue Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz (VDuG). Künftig wird darin neben der bisher in der Zivilprozessordnung (ZPO) enthaltenen Musterfeststellungsklage das neue Abhilfegesetz geregelt. Mit dieser neuen Art der Sammelklage sollen Verbraucherinnen und Verbraucher laut Buschmann „noch schneller zu ihrem Recht“ kommen. „Im Erfolgsfall sollen sie das ihnen zustehende Geld bereits im Rahmen der Abhilfeklage erhalten und dafür nicht noch einmal vor Gericht ziehen müssen“, so der Bundesjustizminister.

Schadenersatz in drei Phasen einklagen

Doch was genau verbessert sich für Betroffene und wie müssen sie eine Entschädigung künftig einklagen? In der Regel soll das, wie bisher, über Verbraucherverbände passieren. Sofern der Bundestag das Gesetz absegnet, können diese bald gleichartige Leistungsansprüche von Verbraucherinnen und Verbrauchern gegen ein Unternehmen unmittelbar einklagen. Dafür müssen Verbände die Ansprüche von mindestens 50 Betroffenen vertreten. Verbraucherinnen und Verbraucher können ihre Ansprüche in einem Verbandsklageregister anmelden.

Das gerichtliche Abhilfeverfahren gliedert sich in drei Phasen:

In Phase 1 kann der klageberechtigte Verbraucherverband ein Abhilfegrundurteil erwirken, das die Haftung der verklagten Unternehmerin oder des verklagten Unternehmers dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Es können so auch Berechtigungsnachweise und für den Fall von Zahlungsansprüchen außerdem Parameter für die konkrete Berechnung der Verbraucheransprüche festgelegt werden.

Phase 2 ist die Vergleichsphase, in der die Parteien eine gütliche Einigung in dem Rechtsstreits anstreben sollen.

Phase 3 schließt sich an, wenn kein Vergleich zustande kommt. Hier entscheidet ein Gericht per sogenanntem Abhilfeendurteil über den Fall.

Ist die Abhilfeklage erfolgreich, führt eine Sachwalterin oder ein Sachwalter das Urteil aus, indem sie oder er die Anspruchsberechtigung einzelner Verbraucherinnen und Verbraucher prüft. Später zahlt die Sachwalterin ihnen die Entschädigung aus. Sofern Ansprüche abgelehnt werden, können Verbraucherinnen und Verbraucher sie noch einmal in einem individuellen Verfahren versuchen einzuklagen.

Unterschied zur Musterfeststellungsklage

Der Unterschied zwischen Abhilfegesetz und Musterfeststellungsklage liegt darin, dass Verbraucherinnen und Verbraucher nach einem positiven Urteil nicht mehr in individuellen Gerichtsverfahren Schadenersatz einklagen müssen. Das Justizministerium geht deshalb davon aus, dass es für eine künftige Abhilfeklage „durchschnittlich mehr Anmeldungen als bei der Musterfeststellungsklage“ gibt und rechnet „zurückhaltend“ mit 3000 beteiligten Verbrauchern im Schnitt. Den VW-Musterfeststellungsprozess ausgenommen liegt die durchschnittliche Zahl von Beteiligten bei Musterfeststellugsklagen bei schätzungsweise 1500, unter Einbeziehung des VW-Verfahrens bei etwa 28.000.

Kleinere Unternehmen werden Verbraucherverbänden insofern gleichgestellt, als auch sie künftig über das Abhilfegesetz Schadenersatz einfordern können. Als kleines Unternehmen gilt, wer weniger als 50 Personen beschäftigt und einen Jahresumsatz oder eine Jahresbilanz von maximal 10 Mio. Euro macht.

Das Justizministerium rechnet künftig im Schnitt mit 15 Abhilfeklagen und zehn Musterfeststellungsklagen pro Jahr und geht gleichzeitig davon aus, dass durch das neue Abhilfegesetz die Justiz um schätzungsweise 21.000 Individualverfahren jährlich entlastet wird.

Das Gesetz hat sich auch deshalb verzögert, weil Bundesverbraucherschutzministerin Steffi Lemke (Grüne) erheblichen Nachbesserungsbedarf an Buschmanns Vorschlag sah. In Kraft treten und gelten soll es spätestens ab dem 25. Juni.

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