Wenn man ein Erbe antritt, das im Grunde sein eigenes ist, ist das im Kern eine schizophrene Handlung. Eine gute Voraussetzung für eine Kolumne, die auch noch „Casual Friday“ heißt.
In Zeiten, in denen alle, die etwas auf sich halten, ohnehin in Jeans und Pullis in ihre Büros schlurfen, ist „Casual Friday“ eine fast altertümliche Bezeichnung. So hieß die Kolumne aber schon bei der „Financial Times Deutschland“, wo ich den „Casual“, wie er intern bei uns hieß, viele Jahre im Wechsel mit Kollegen geschrieben habe.
Mein letzter Casual war fast visionär. Den Untergang vor Augen trug er die Überschrift: „Lieber Leser, das Beste kommt noch!“ Ob das tatsächlich der Fall ist, oder nur eine meiner zahlreichen Übertreibungen, die ich seit Jahren in die Welt setze, müssen Sie entscheiden.
Viele Leser haben mich gebeten, den „Casual Friday“ wieder aufzunehmen. Als ich in der Capital-Redaktion eine Umfrage startete, ob das eine gute Idee sei, wurde wie immer genickt – klar, wer will schon dem Chef widersprechen.
Ein Gedanke von einem Kollegen aber gab mir zu denken: Du wirst ein Problem mit deinen Themen haben, sagte er. Denn einen Teil meiner Texte verwand ich damals darauf, mich über die Chefredaktion der FTD lustig zu machen, wozu es allen Anlass gab – ein Treiben, dass die Chefs damals meist mit wohlwollender Belustigung (und gelegentlicher Sorge) verfolgten.
Nun bin ich, zu meinem gelegentlichen Erstaunen, selbst Chefredakteur. Soll ich jetzt jede Woche über mich selbst lästern? Das wäre zumindest eine Herausforderung – und eine weitere schizophrene Handlung, was den Grund für den „Casual“ nur noch verstärkt.
Ich schreibe die Kolumne nun aus Berlin. Der Blick aus meinem Büro ist unverschämt gut, wie viele Kollegen aus Hamburg mir schrieben, als mal ein Foto im Intranet stand. (Die Hälfte gratulierte mir vergangene Woche zum neuen Heft, die andere zum neuen Blick.) In der Ferne kann ich die Menschen durch die Reichstagskuppel im Kreis wandern sehen, wie auf einer gläsernen Murmelbahn.
Ich habe ja durchaus Respekt vor Berlin, weil diese Stadt Menschen verändert. Wer hier länger lebt und wirkt, glaubt irgendwann, dass der Rest des Landes keinen Durchblick mehr hat, was wirklich abgeht, so „hinter den Kulissen“. Weil man hier Menschen ganz nahe ist, die immer „im Hintergrund“ und deshalb nur „in Kreisen“ raunen. In Fraktionskreisen, Parteikreisen, Kanzlerkreisen oder gar Euro-Kreisen. (Was genau Euro-Kreise sind, habe ich nie verstanden. Als Bewohner eines Euro-Landes, zähle ich wohl rein formal auch dazu. Ich würde übrigens mal gerne eine Geschichte über die georgische Kalkindustrie machen, in der anonyme Zitatgeber als „kaukasische Kreidekreise“ zitiert werden.)
Nun hatte ich bisher kaum Zeit für Hintergrundgespräche, in denen Peer Steinbrück verrät, dass er die FDP blöd findet. Oder die Grünen. Oder die SPD. Ich musste halt das machen, was wir Journalisten „Heft machen“ nennen. Ich war auch noch nie im „Borchardts“, auch wenn mir der Ort schon mehrere Mal vorgeschlagen wurde, als ich von hochrangigen Beamten gebeten wurde, die Grundlinien der sozialen Marktwirtschaft in Deutschland neu zu definieren. Mittags gehe ich, als halber Hesse, ab und zu in die hessische Landesvertretung. Das Essen ist wirklich gut, die Hessen können halt Wurst machen, so gut und eifrig, dass einige von ihnen mit den Jahren Form und Aussehen dieser Würste angenommen haben.
Ach, es wird schon gut werden hier in Berlin. Wir werden ein gutes Magazin machen. Allein der Blick! Das Beste, was Sie sich vorstellen können.