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Verbraucherschutz Flug-Flatrate von Wizzair: 599 Euro inklusive ein paar Haken

Flugzeug von Wizzair am Flughafen Dortmund-Wickede
Flugzeug von Wizzair am Flughafen Dortmund-Wickede
© Steinsiek.ch / IMAGO
Die Billigairline Wizzair bietet ein Jahr „All you can fly“. Doch Verbraucherschützer warnen vor gleich mehreren Fallen

Wer mit kleiner Handtasche beim Reisen auskommt, ist bei der ungarischen Billigairline Wizzair richtig. Einen Flug nach Warna am Schwarzen Meer – „ohne alles“ sozusagen – gibt es schon für 20 Euro, einen nach Abu Dhabi für 46 Euro. Mit einem richtigen Handgepäckstück, einem Koffer zum Aufgeben und Sitzplatzwahl ist der Preis dann allerdings schnell mehr als doppelt so hoch.

Selbst unter den zahlreichen Billigairlines auf dem europäischen Markt sticht Wizzair als besonders günstig heraus. Das Ziel ist klar: ein niedriger Ticketpreis soll Kundinnen und Kunden zunächst anlocken, während das Geld später bei Zusatzleistungen verdient wird. Die neueste Aktion für Reisende: Flatrate-Fliegen, ein Jahr „All you can fly“ für 599 Euro. Klingt zu schön um wahr zu sein? Ist es auch, meinen Verbraucherschützer. Es gebe zahlreiche Fallstricke und generell, so die einhellige Meinung, müsse man hinterfragen, ob alle AGB-Klauseln rechtskräftig sind.

Verbraucherschützer zweifeln Verbraucherfreundlichkeit an

Es wäre nicht das erste Mal, dass Wizzair sich in Sachen Verbraucherfreundlichkeit zweifelhaft verhält. Derzeit läuft vor dem Landgericht Berlin eine Klage der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV), weil bei der Buchung eines Flugs zwar der Flugpreis als Endpreis ausgewiesen wurde, die anfallenden Steuern und Flughafengebühren aber nicht. Zur Häufigkeit des Problems kann der VZBV auf Anfrage von Capital keine Angaben machen. 

„Generell nutzen viele Airlines den Umstand für sich, dass im Personenbeförderungsrecht vieles unklar oder wenig verbraucherfreundlich geregelt ist“, sagt aber Tiana Schönbohm von der Verbraucherzentrale Niedersachsen. „Dass auch gegen Wizzair aktuell ein gerichtliches Verfahren anhängig ist, ist deshalb leider keine Besonderheit.“ Auch das Flatrate-Angebot sei nicht neu, jedoch äußerst selten – und in diesem Fall auch nicht so einfach wie es scheinen mag.

Kunden zahlen einmalig eine Jahresgebühr von 499 Euro ab August beziehungsweise 599 Euro ab September. Je Flug, den man bucht, wird dann aber noch eine Gebühr von 9,99 Euro fällig und für alle, die nicht nur mit der kleinen Handtasche reisen wollen, fallen zusätzliche Kosten für die Gepäckmitnahme an. Gebucht werden können die Flüge erst ab 72 Stunden vor Abflug – und selbst dann sind die Sitzplätze nicht garantiert. 

Pro Maschine ist nur ein bestimmtes Kontingent an Sitzen für Flatrate-Reisende verfügbar und es ist möglich, dass diese nicht mehr berücksichtigt werden. „Hat man doch einen Sitz ergattert, kommt es noch dicker“, sagt Karolina Wojtal vom Europäischen Verbraucherzentrum Deutschland zu Capital. „Wer seinen gebuchten Flug drei Mal nicht wahrnimmt, der verliert nicht nur sein Flatrate-Abo, sondern muss sogar mit einer Vertragsstrafe rechnen. Inwiefern diese Klausel einer gerichtlichen AGB-Prüfung standhalten würde, wage ich stark zu bezweifeln.“

Wann lohnt sich die Flug-Flatrate?

Die Flat sei deshalb außerdem nichts für diejenigen, die ihre Reisen langfristig planen wollen oder müssen, weil sie etwa durch Kinder an Schulferien gebunden sind, der Urlaub vom Arbeitgeber genehmigt werden muss oder sie einen bestimmten Termin wahrnehmen möchten wie eine Familienfeier oder ein Konzert. Das, was man durch die Flat unter Umständen beim Flugpreis sparen könne, werde dazu möglicherweise durch teurere, kurzfristige Hotelbuchungen wieder aufgefressen – wenn es überhaupt noch Kapazitäten gibt.

Ob die Flüge unter diesen Bedingungen günstiger und einfacher zu bekommen sind als auf dem üblichen Weg, sollte man also genau kalkulieren. „Im Schnitt kosten Flüge bei Billig-Airlines wie Wizzair in der Nebensaison zwischen 50 und 100 Euro“, sagt Wojtal zu Capital. „Man sollte hier sehr genau prüfen, wie viel man in den vergangenen beiden Jahren im Schnitt wirklich geflogen ist und wie viel man bezahlt hat.“ Nur wenn dieser Wert deutlich über den 500 beziehungsweise 600 Euro liegt, lohnt es sich nach Einschätzung der Verbraucherschützerin. 

„Eine wichtige Frage, die sich Verbraucherinnen und Verbraucher aber unbedingt stellen sollten: Fliegen sie häufiger alleine oder lieber gemeinsam mit Familie und Freunden?“, sagt Schönbohm von der Verbraucherzentrale Niedersachsen zu Capital. „Dann ist das Angebot nämlich ebenfalls nicht geeignet.“ Wissen sollten Reisende außerdem, dass Wizzair in Deutschland vor allem von kleinen Flughäfen abfliegt, weil dort die Startgebühren niedriger sind, etwa von Bremen, Dortmund, Leipzig und Frankfurt-Hahn statt vom größten deutschen Flughafen Frankfurt Main. Ähnlich ist es auch in den Zielgebieten.

„Marketing-Coup“ von Wizzair

Wojtal vom Europäischen Verbraucherzentrum bewertet die Flatrate-Aktion vor allem als „Marketing-Coup“. „Wizzair hat dadurch Aufmerksamkeit generiert, die sicher sehr viel günstiger zu haben war als jede bezahlte Kampagne“, sagt sie Capital. „Auch, weil das Angebot vor allem unter Umweltgesichtspunkten so polarisiert.“ Schließlich ist eine Flatrate für die Nutzer meist nur dann sinnvoll, wenn sie möglichst viel genutzt wird – in diesem Fall also möglichst viel geflogen und damit klimaschädliches CO2 ausgestoßen wird. 

Und ist die Flug-Flatrate einmal abgeschlossen, kann sie (abgesehen vom 14-tägigen Widerrufsrecht) nicht vor Ablauf der zwölf Monate Laufzeit gekündigt werden. Danach verlängert sie sich jedes Jahr automatisch.

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