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Rückzug Wie Top-Werber Christian Boros in der Uckermark seine Ruhe findet

Christian Boros
Christian Boros im Hühnerstall mit einer französischen Legehenne
© Franz Grünewald
Christian Boros ist Werber, Kunstsammler und Berliner. Die halbe Woche aber lebt er in der brandenburgischen Uckermark. Denn auf dem Land bekommen auch die Gedanken Auslauf

Nach einem Abzweig im Nirgendwo, am Ende eines langen, staubigen Feldwegs – links Obstbäume, rechts Mais – taucht in einem kleinen Hain unerwartet ein Holztor auf. Ein kurzer Anruf – dann steht Christian Boros am Gatter. Und zwar so, wie man ihn in Berlin vermutlich eher nicht zu Gesicht bekäme: An diesem Tag trägt er ein Polohemd von Fred Perry, dazu eine kurze Hose und Badelatschen, von der Stirn bis zu den Zehen ist er braun gebrannt. Das Leben auf dem Land hinterlässt Spuren.

Boros öffnet das Tor, hebt ein leeres Schneckenhaus aus dem Schotter und fängt sofort mit zwei Dingen an, die er während der folgenden Stunden fast durchweg tun wird: rauchen und mit seiner sehr sonoren Stimme erklären, was hier vor sich geht.

Die Schnecken, erzählt er und steckt sich eine Lucky Strike an, seien hier im staubigen Norden der Uckermark eine invasive Art ohne natürliche Feinde. Sie seien mit den Hugenotten nach Brandenburg gekommen. Und die Hugenotten, das wisse man ja, seien vom „Großen Kurfürsten“ von Brandenburg, Friedrich Wilhelm, eingeladen worden, das brachliegende Land zu nutzen. Eine etwas fremde, zugleich aber willkommene Spezies – das ist Boros in der Uckermark auf eine gewisse Art ebenfalls.

Christian Boros, 1964 in eine Familie der deutschen Minderheit im polnischen Zabrze hineingeboren, gehört nicht nur zu den renommiertesten Kunstsammlern Deutschlands, sondern als Gründer und Inhaber der Agentur Boros auch zu den klügsten Köpfen der Kommunikationsbranche. Mit seiner Firma, die er noch während des Studiums gründete, hat Boros einst die legendäre „Viva liebt dich“-Kampagne für einen längst vergessenen Musiksender konzipiert und seitdem Kampagnen für Adidas, Audi, GMX und den Pharmakonzern Roche entwickelt. Er war für Ministerien und Parteien tätig, vor allem aber für Ausstellungshäuser, Stiftungen, Museen und alles, was mit Kunst zu tun hat.

Zwischen Boros-Bunker und Bauernhof

Auch wenn Boros leicht genervt aufstöhnt, wenn er darauf angesprochen wird: Die meisten Menschen kennen ihn natürlich, weil er gemeinsam mit seiner Frau Karen in der Reinhardtstraße in Berlin-Mitte einen Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg zu einem privaten Ausstellungshaus hat umbauen lassen – samt Penthouse auf dem Dach. Bisweilen nennt Boros die 3 000 Quadratmeter große Sammlungsfläche mit rund 900 Werken etwas kokett seinen „Hobbykeller“. Hans Arp, Georg Baselitz, der von Boros verehrte dänische Künstler Olafur Eliasson, aber auch Jenny Holzer und Candida Höfer sind Teil der Boros Collection.

Und seit zehn Jahren verbringt Boros die Tage zwischen Freitag und Montag hier, am Ende eines Feldwegs in der Uckermark. Die drängende Frage lautet: Was sucht ein Unternehmer und Ruheloser, ein Kunst- und Kopfmensch wie Christian Boros ausgerechnet hier, auf dem Land?

Boros wedelt die Frage mit der Hand leicht weg, er will jetzt erst einmal den Hof zeigen. Der alte Vierkanthof, der einst der Versorgung eines Nonnenklosters in Prenzlau diente, liegt ein wenig versteckt unter alten Bäumen. Zwischen dem behutsam renovierten Hauptgebäude rechts und einem Stall links, in dem Boros Gästezimmer mit historischen Möbeln und Fotografien des exzentrischen englischen Künstlerpaars Gilbert & George eingerichtet hat, glitzert ein Löschwasserteich, den man beinahe für einen Pool halten könnte.

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