Roland Geschwillist Mitgründer und Geschäftsführer der „Denkwerkstatt für Manager“. Seit 1986 berät der Diplom-Psychologe Führungskräfte. Sein jüngstes Buch: „Der Rhythmus der Innovation -Was Manager und Unternehmen von Jazzern und anderen Künstlern lernen können“
Wir stehen an der Schwelle der digitalen Revolution. In den kommenden Jahren werden sich Geschäftsmodelle radikal verändern. Darüber diskutieren heute bereits alle Vorstände der Dax-Unternehmen. Ihnen ist zu empfehlen, einen Blick in die Kunst- und Musikszene zu wagen. Denn Wirtschaft und Kunst müssen stärker kooperieren. Nur so lassen sich die schlummernden Potenziale entfalten.
Kunst in all ihren Formen – von der Musik über das Theater bis zur Malerei – können echtes kreatives Denken in Unternehmen auf vielfältige Weise in Gang setzen. Das wird benötigt. Entscheider in Unternehmen müssen heute in der Lage sein, mit unübersichtlichen Situationen umzugehen, für überraschende Problemstellungen schnell funktionierende Lösungen zu finden und Widersprüche zu überbrücken. Erfolg zu haben bedeutet daher für Organisationen mehr denn je: kreativ, innovativ und anders zu sein. Allerdings reichen die bekannten Managementmethoden für die komplexen neuen Anforderungen nicht mehr aus. Es gilt daher, das Methodenspektrum rasch zu erweitern.
Kunst kennt wenig Routinen
Üblicherweise versucht das herkömmliche Management Innovationen durch eine strukturierte Vorgehensweise zu erreichen, das kreative Denken wird geplant. Dem gegenüber steht die Art und Weise, wie Künstler vorgehen: intuitiv und experimentierend. Pablo Picasso etwa übermalte Bilder mehrmals, bis er mit dem Ergebnis zufrieden war. Oder: Wer ein Buch schreibt, schreibt oftmals vier oder fünf Versionen, bis die Endfassung steht. Oder: Wer ein Jazzstück spielt, spielt das Stück mehrmals, aber immer anders. Kunst kennt wenig Routinen, sondern erfindet sich immer wieder neu. Da bleibt mehr hängen als ein bisschen Agiles.
Künstlerische Kreativität funktioniert allerdings vielfach völlig anders als mancher erwartet. Echte Kreativität ist harte Arbeit und ohne Rückschläge nicht zu haben. Das kennt jeder erfahrene Projektmanager. Jedes Vorhaben gerät auch in der Wirtschaft ins Stocken und nimmt Wendungen, mit denen im Vorfeld niemand gerechnet hat. Es heißt dann: Improvisieren und nach anderen, ungewöhnlichen Lösungen zu suchen. Für Künstler ist das normal, sie wissen, was es bedeutet, mit Improvisation und Krisen umzugehen.
Die Zukunft sichern
Dafür braucht es auch die Bereitschaft von Führungskräften, sich in ihrer Persönlichkeit weiterzubilden. Das lohnt sich! Wer zum Beispiel mit dem Pianisten Jens Thomas mal ein Tagesseminar gemacht haben, wird als Manager nie mehr in seinem Leben langweilig präsentieren. Wer mit einem Kunstmanager-Team mal sein neuestes Projekt besprochen hat, wird anschließend in dem Projekt anders arbeiten. Wer in einem Managementtraining Spezialisten kennen lernt, die Kunst erfolgreich vermarkten, ist nicht nur beeindruckt, sondern verändert seine Wahrnehmung. Der Spaß und der Fortschritt entstehen durch das Aufeinandertreffen sowie die Konfrontation von Kunst und Management. Allerdings: Diese Konfrontation ist nur etwas für Führungskräfte, die offen dafür sind und lernen wollen.
Die Auseinandersetzung mit Kunst erschließt ganz andere Welten. Das sind richtige Denkschulen für Manager und Mitarbeiter. Das hat zum Beispiel Reinhold Würth sehr früh erkannt – und davon profitiert.
Künstler sind in der Lage, Neues und Einzigartiges zu schaffen. Kunst und Künstler können daher Führungskräfte und Mitarbeiter in Unternehmen auf Ideen bringen, die Menschen begeistern. Chefs sollten in Museen gehen und Ihre Sehgewohnheiten ändern. Sie sollten mit Performance-Künstlern arbeiten und können mittels Provokationen bessere Leistungen bei den Mitarbeitern erreichen. Sie sollten besonders große Ideen entwickeln, mit denen sie Kollegen und Mitarbeiter im Unternehmen begeistern. Denn: Kunst ist alles, was ankommt – auch in der Wirtschaft!
Wer diese Chancen erkennt und ergreift, die im Zusammenwirken von Kunst und Wirtschaft liegen, steigert die eigene Wettbewerbsfähigkeit und erhöht die Wahrscheinlichkeit, auch in Zukunft gute Geschäfte machen zu können.