Auch kurz vor seinem Tod war Richard „Mörtel“ Lugner omnipräsent. Er heiratete öffentlichkeitswirksam mit 91 Jahren eine viel jüngere Frau. Wer in diesem Alter „zum sechsten Mal heiratet, ist entweder radikal romantisch oder hat pragmatische Gründe“, schrieb der österreichische „Standard“.
Bekannt wurde Lugner – über die Grenzen seiner Heimat Österreich hinaus – vor allem durch seine medienwirksam inszenierten Auftritte beim Wiener Opernball in Begleitung meist von Stars aus Hollywood, die dafür eine üppige Gage erhielten. Und dann waren da noch seine Ehen mit sehr viel jüngeren Frauen, denen er Tiernamen verpasste – „Mausi“, „Hasi“, „Käfer“, „Bambi“, „Kolibri“.
Lugner wurde 1932 in Wien geboren. Er prägte die Stadt nicht nur als sich schrill gebender, schmerzfreier „Party-Löwe“, sondern auch als kühl kalkulierender Bauunternehmer. Sein Lebenswerk ist das „Lugner City“ getaufte Einkaufszentrum in Österreichs Hauptstadt mit 110 Geschäften und 56.000 vermietbaren Quadratmetern.
Dort hatte Lugner bis zu seinem Lebensende ein Büro im dritten Stock und arbeitete dort nach Angaben des „Profil“ auch mit 90 Jahren noch immer mindestens neun Stunden am Tag. „Weil es mir Spaß macht. Und weil ich es noch kann“, sagte er dem Magazin. Lugner sei zwar nicht mehr der Schnellste und höre nicht mehr gut. „Aber für 90 Jahre ist er fit wie ein Turnschuh“, so „Profil“.
Moschee, Kirche, Synagoge
Lugner war nach seiner Ausbildung in den 50er-Jahren ins Baugewerbe eingestiegen. Er war unter anderem in der Bauabteilung des Mineralölunternehmens Mobil Oil Austria tätig. 1962 machte er sich selbstständig und gründete sein Unternehmen, die Baumeister Ing. Richard Lugner GmbH. Sein erster Deal: Renovierungsarbeiten in einem Wiener Stundenhotel. Lugner war kein Auftrag zu winzig. Er spezialisierte sich auf die Renovierung von Altbauten und den Bau von Tankstellen, seine Firma wuchs schnell.
Mit einem Großprojekt gelang Lugner der geschäftliche Durchbruch: 1975 erhielt er einen Auftrag aus Saudi-Arabien, eine Moschee in Wien zu bauen. Lugner gab seine erste Pressekonferenz, den Rest seines Lebens folgten viele weitere. „Der öffentliche Richard Lugner wird geboren“, drückt es „Profil“ aus.
Zu den nächsten Wiener Projekten des Ingenieurs gehörten der Umbau eines erzherzoglichen Palais zum Sitz des OPEC-Fonds, der Griechisch-Orientalischen Kirche am Fleischmarkt und einer Synagoge. Auch das Einkaufszentrum Steffl und das Delikatessengeschäft „Julius Meinl“ im Herzen Wiens gehörten zu seinen Projekten.
Sein bekanntestes und größtes Projekt begann Lugner in den 80er-Jahren. Er kaufte ein erstes Grundstück für „Lugner City“. 1990 wurde das Einkaufszentrum eröffnet und wurde in den folgenden Jahren Stück für Stück erweitert. Zeitweise hatte Lugners Baufirma mehr als 600 Beschäftigte. Lugner erreichte damit seinen beruflichen Zenit und bekam den Spitznamen „Mörtel“ verpasst.
Millionen an Grunderwerbsteuer gespart
Er selbst war das beste Marketing-Instrument. Die für den Opernball eingekauften Stars mussten im Einkaufszentrum Pressekonferenzen und Autogrammstunden geben. Noch vor einer Woche postete er - auf Krücken stehend und in Begleitung seiner Ehefrau - auf Facebook einen Spot, in dem er für ein Piercing-Studio in seinem Einkaufszentrum warb.
Ende der 90er übertrug Lugner die Leitung seiner Baufirma an einen seiner Söhne. Das Unternehmen geriet finanziell in erhebliche Schwierigkeiten, die Pleite drohte. Lugner verkaufte das Einkaufszentrum an eine Volksbank-Tochter und leaste es zurück. Sein Bauunternehmen erholte sich, und Lugner kaufte die Volksbank-Tochter, nannte sie um in „Lugner Immo GmbH“ - und sein Lebenswerk gehörte wieder ihm. Der „Standard“ weist darauf hin, dass Lugner durch diesen Deal auch Millionen an Grunderwerbssteuer gespart habe.
Bis heute leide aber die Beziehung zwischen Vater und Sohn unter der missglückten Übergabe, schreibt die Zeitung. Die beiden würden kaum miteinander reden. Der Sohn habe aber weiterhin sein Büro in der „Lugner City“. Auch Lugners jüngste Tochter Jacqueline sei nicht gut auf ihren Vater zu sprechen, weil er ein privates Detail aus ihrem Leben ausgeplaudert habe. Jacqueline Lugner leitet das Kino mit elf Sälen im Einkaufszentrum.
Für seine Nachfolge an der Firmenspitze hatte sich Lugner kurz vor seinem Tod offenbar für jemand anderen entschieden: Im Juni heiratete er Simone Reiländer. „Sie passt ja vom Berufsleben sehr gut zu mir. Vom Horoskop auch“, sagte Lugner dem „Standard“ im Mai. Die 42-Jährige war stellvertretende Filialleiterin bei der Baumarktkette Hornbach und fing in der „Lugner City“ an - als Simone Lugner. „Wenn sie in der Firma arbeitet und die Chefin ist, sollte sie auch Lugner heißen“, so „Mörtel“.
„Zahle meine Kreditraten“
Im Zentrum des Lugner-Imperiums stehen „Profil“ zufolge zwei Stiftungen, in die der Bauunternehmer große Teile seines Vermögens verlagert habe. Sechs GmbHs gehörten demnach Lugner selbst, teilweise den Stiftungen, teilweise seien sowohl Lugner als auch Stiftungen die Eigentümer.
Dem „Kurier“ zufolge hatte Lugners Firmen-Geflecht im Februar Schulden von knapp 40 Millionen Euro. „Die Stiftung und die Lugner Immo haben aktuell diese Schulden bei der Erste Bank“, sagte Lugner der Zeitung. „Ich zahle laufend meine Kreditraten, und was rund herum ist, ist nicht belastet und auch etwas wert“. Zentrale Gesellschaft sei die Lugner-Söhne-Privatstiftung, die laut Lugner „positiv“ wirtschaftet.
Hintergrund der Schulden seien Verkauf und Rückkauf der „Lugner City“, wobei Pfandrechte für die finanzierende Bank eingetragen wurden. Die Kosten seien auf 99 Jahre aufgeteilt worden, das erzeuge die Schulden. „Daher sind die Schulden noch da, aber das ist nur auf dem Papier“, so Lugner. „Ich kann es Ihnen aber nicht exakt erklären, das kann nur meine Steuerberatung.“
Wie der „Kurier“ berichtete, wies die Lugner Immo GmbH für das Geschäftsjahr 2022 132,1 Millionen Euro Verbindlichkeiten und 14,67 Millionen Euro Bilanzverlust aus. Die Lugner City GmbH, die Lugner Garagen GmbH und die Lugner Kino GmbH hätten eine positive Bilanz.
In Erinnerung bleibt Lugner nicht als Unternehmer, sondern als schrille Inszenierung. Zweimal unternahm er öffentlichkeitswirksame Ausflüge in die Politik: 1998 und 2016 kandidierte er für das Amt des Bundespräsidenten. 1998 fuhr er ein höchst respektables Ergebnis von fast zehn Prozent der Stimmen ein, 2016 bekam er nur 2,3 Prozent. In der Reality-Soap „Die Lugners“ breitete „Mörtel“ im österreichischen Fernsehen in rund 100 Folgen sein Privatleben aus.
„Ich bin mit meinem Leben zufrieden“, sagte Lugner 2021 dem „Standard“. „Ich habe Fehler gemacht, im Großen und Ganzen aber war es in Ordnung. Ich habe nichts verpasst.“
Der Beitrag ist zuerst bei ntv.de erschienen. Das Nachrichtenportal gehört wie Capital zu RTL Deutschland.