Reinhold Messner, 75, ist der bekannteste Bergsteiger der Welt. Er bestieg zuerst alle 14 Gipfel, die höher als 8000 Meter sind, jeweils ohne Sauerstoffflasche. Nach seiner Bergsteier-Karriere hat er die Arktis und die Wüste Gobi durchquert und saß für Südtirols Grüne im Europaparlament.
Capital: Herr Messner, um als Unternehmer erfolgreich zu sein, muss man entweder besonders gut oder besonders günstig sein. Was war Ihr Schlüssel, um der erfolgreichste Bergsteiger zu werden?
REINHOLD MESSNER: Ich war ein guter Bergsteiger, aber nicht der beste. Ich war sehr günstig: Eine Expedition zu einem 8000 Meter hohem Berg wie dem Mount Everest hat damals 500.000 Dollar gekostet, viel zu teuer für mich. Ich habe die Kosten auf ein Fünfzigstel gedrückt, weil ich mich getraut habe, den alpinen Stil aufs Höhenklettern zu übertragen. Wir sind also ohne schwere Sauerstoffflaschen und mit wenig Equipment hoch. Daher konnte ich viele Touren machen, mir Fehlschläge leisten.
Wie kamen Sie auf die Idee, so sehr die Kosten zu drücken?
Das ist mir in die Wiege gelegt worden. In meinem Heimattal in Südtirol galt früher: Je mehr Besitz ein Bauer hat, desto wichtiger ist er. Und natürlich war der größte Bauer auch Bürgermeister, aber meine Eltern hatten keinen Besitz. Wir mussten immer aufs Geld achten.
Die 70er- und 80er-Jahre waren die große Zeit der Extrembergsteiger. Sie sind als einziger in Erinnerung geblieben, warum?
Das fragen sich viele, gerade meine Konkurrenten. Es liegt wohl daran, dass ich sehr fleißig und diszipliniert bin. Ich kam von einer Expedition zurück, habe mich konsequent hingesetzt, ein Buch geschrieben und bin auf Vortragsreise gegangen. So bin ich zur Marke für die Themen Berg und Abenteuer geworden.
Sie haben mittlerweile mehr als 50 Bücher geschrieben, wie viele brauchte es bis zur ersten Million?
Ich war Ende 20, die Million hatte ich aber nur in italienischer Lire (lacht). Ich war noch eine Zeit lang Lehrer in meiner Heimat Südtirol, Monatsgehalt: 100.000 Lire. Heute dürften das vielleicht 50 Euro sein.
Wann hatten Sie umgerechnet die erste Million in Euro verdient?
Das dürfte nach der Everest-Besteigung 1978 gewesen sein: Die Nachfrage nach Vorträgen war groß, und ich bin nicht multiplizierbar.
Welchen Luxus haben Sie sich von Ihrem Geld geleistet? Sie sind mal ja Porsche gefahren.
Der Porsche war ein Zufall. Mein Mercedes ging bei einer Vortragsreise kaputt, und der Chef des örtlichen Alpenvereins, ein Porschehändler, verkaufte mir billig einen. Das Auto hat Spaß gemacht, ich bin später auch noch einen zweiten gefahren, aber ich habe ihn verkauft, um den nächsten Everest-Trip zu finanzieren. Ich leiste mir keinen Luxus und verabscheue Konsum.
Sie haben Ihre Bergsteiger-Karriere Ende der 80er-Jahre beendet, um durch die Antarktis und die Wüste Gobi zu wandern, warum?
Bergsteigen war für mich zur Routine geworden, ich kannte und konnte das. Aber mich treibt die Neugierde an, ich will ständig etwas Neues lernen – auch wenn sich meine Sponsoren getrennt haben, als ich mit dem Bergsteigen aufgehört habe. Sie fanden, dass das Wandern nicht passen würde, ich sei doch Bergsteiger. Mir war das egal. Ähnlich ist das bei meinen sechs Museen in Südtirol: Als die liefen und sich dann auch selbst trugen, habe ich die Führung an meine Tochter abgegeben. Mein Egoismus besteht darin, ausschließlich neue Ideen zu verwirklichen. Ich bin kein Verwalter.
Ihre sechs Museen in Südtirol drehen sich rund um das Thema Berg und zeigen beispielsweise Kunst, die unser Verhältnis zum Gebirge thematisiert. Die Museen erzielen nicht nur Gewinn, Sie kommen dabei – anders als die meisten anderen Museen weltweit – ohne Subventionen aus, wie ist Ihnen das gelungen?
Erstens habe ich Synergien geschaffen: Die Museen liegen zwar an unterschiedlichen Standorten, aber jeweils drei liegen nah beieinander. Wir brauchen deshalb nicht sechs, sondern nur zwei Hausmeister – und die sechs Museen haben nur eine gemeinsame Verwaltung. Zweitens achten wir sehr darauf, wen wir einstellen. Wenn in Italien ein Unternehmen wie wir mehr als 20 Mitarbeiter hat, ist es quasi unmöglich, Mitarbeitern zu kündigen. Drittens habe ich die Museen im Gebirge platziert, sodass die Häuser das Thema Berge auch tragen.
Reinhold Messner: „Das Alter ist ein Massaker“
Sie hatten zwischenzeitlich ein Sportgeschäft und drei Läden für alternative Produkte, alle sind pleite, was haben Sie daraus gelernt?
Ach, ich habe diese Läden nicht selbst operativ gesteuert, sondern habe die Führung jeweils einem Co-Gesellschafter überlassen. Diese haben es nicht geschafft, die Geschäfte profitabel zu machen. Ich habe daraus gelernt, dass Dinge nicht funktionieren, wenn ich sie nicht selber mache.
Sie haben sich immer wieder neu erfunden, zuletzt mit den Museen, was ist ihr aktuelles Projekt?
Ich mache Filme über die Berge, darüber hinaus gibt es keine Pläne. Ich versuche, währenddessen gesund alt zu werden, aber das Alter ist ein Massaker. Es stellt jemanden wie mich vor große Probleme, weil ich immer Sachen gemacht habe, von denen andere nicht mal geträumt haben. Ich versuche jetzt, auch diese Herausforderung anzunehmen. Irgendwann werde ich nur noch Berge hochsteigen, die kinderleicht sind, ich klettere also nicht entlang der steilen Felswände, sondern auf sicheren Pfaden.
Sie geben Motivationsseminare bei Firmen. Was haben Sie dabei über die Wirtschaft gelernt?
Ich habe lange Zeit nichts von der Steuer abgesetzt, weil ich gar nicht wusste, dass man das so macht. Dabei hätte ich wohl meine Reisen angeben können, weil sie die Basis für meine Einnahmen, meine Vorträge und Bücher sind.
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