Stilfragen Kleider machen Manager

Mode im Management ist viel mehr als bloße Etikette. Wie sich Germany’s Next Top-Manager besser kleiden. Von Siems Luckwaldt
Von Führungskräften wird modisch mehr verlangt als eine perfekt sitzende Krawatte
Von Führungskräften wird modisch mehr verlangt als eine perfekt sitzende Krawatte

Es mag am Klischee der Nieten in Nadelstreifen liegen, vermutlich auch an weltweiten Wirtschaftsmiseren, einer komplizierten Zukunft und der wachsenden Bedeutung des Faktors Mensch im Management. Vielleicht ist auch ein Generationenwechsel im Gange, in dessen Zuge nun modisch interessiertere Nachwuchskräfte in die Chefetagen deutscher Großkonzerne einrücken. Jedenfalls bestätigen Stilexperten einhellig, dass der Verpackung von Unternehmenslenkern, CEO-Alphatieren und Bundes- wie Kommunalpolitikern eine wachsende Bedeutung zukommt.

Es zählen eben nicht allein die inneren Werte, das Know-how, die strategische Raffinesse, nein, auch von Kaisers (möglichst) neuen Kleidern soll je nach Situation eine entsprechende Wirkung ausgehen: von selbstsicherer Führungsstärke über vertrauenserweckende Seriosität bis zur hemdsärmeligen Alle-in-einem-Boot-Attitüde.

Das bloße „Abgucken“, also das Imitieren des Stils anderer Entscheider, reicht beim textilen Unterstreichen des eigenen Know-hows und Status nicht. „Noch vor vielleicht zehn, 15 Jahren genügte es, einen Anzug zu tragen. Irgendeinen. Heute braucht niemand mehr verkleidete Manager. Die Kollegen und die Öffentlichkeit wollen den Mensch hinter der Kleidung erkennen können“, sagt Stilexpertin Elisabeth Motsch. Die Österreicherin spricht weltweit zum Themen-Dreiklang aus Image, Outfit und Umgangsformen. Sie ist zudem Stil-Coach sowie Autorin zahlreicher Bücher. Zuletzt erschien „Stilpunkt. Persönlichkeit als Marke, Kleidung als Statement“, das sie gemeinsam mit Jon Christoph Berndt verfasste.

Elisabeth Motsch
Elisabeth Motsch

Ihre Antwort auf die Frage „Wie stilvoll und passend kleiden sich Top-Manager und Politiker“ fällt ernüchternd aus: „In meinen Augen haben nur wenige guten Geschmack.“ Sie wisse am Flughafen auch immer genau, wer zum Gate nach Rom und wer zum Gate nach München oder Berlin gehöre. Die Italiener, schwärmt sie, seien immer noch das stilvollste Volk. Und Deutschland? „Joschka Fischer ist eines meiner Lieblingsbeispiele, der wählte fast immer Anzüge, die eher ihn trugen“, sagt Motsch.

Hosen zu lang, Ärmel auch

Ihr Beharren auf textile Raffinesse und Bedachtsamkeit hat dabei ganz handfeste Gründe. Eine suboptimale Verpackung torpediere nicht selten die eigenen beruflichen Ziele und erschwere das Durchsetzen einer Agenda innerhalb der Firma, des Konzerns, der Fraktion. Vielleicht, vermutet der Frankfurter Imageberater und Autor Dietrich Hildebrand, halte sich die preußische Ansicht einfach noch zu hartnäckig, die dem inneren Kern ungleich mehr Bedeutung beimaß, als der äußeren Hülle. Mitmenschlich löblich zwar, doch für den ersten sekundenkurzen Eindruck völlig unbrauchbar.

Der erfahrene Modedesigner Hildebrand – seine Frau Anke-Schmidt-Hildebrand und er verantworteten rund 13 Jahre die Damenlinie der Marke Windsor – führt Listen modischer Fehlleistungen von Führungskräften. „Es fehlt auch den mächtigsten Industriekapitänen leider immer wieder am nötigen Detaildenken. Oft sind Hosen zu lang und die Ärmel auch. Guckt kein Millimeter von der Hemdmanschette mehr heraus, wirkt die Gestik gleich weniger ausdrucksvoll. Und dann die Sakkos, die eher ein Sack sind. Das vermittelt eher Gemütlichkeit als großer Performance. Gern beult die Schulter (zu viel Stoff, schlechter Sitz!) oder wirft unschöne Falten, der Kragen steht ab …“ Von den Farben ganz zu schweigen. Hildebrand umschreibt die Vorliebe manches Managers für mausgraue Anzüge und kontrastlose Outfits gern so: „Der Mensch erscheint uns irgendwie Beige.“

Allerdings könne, wer schlechte Nachrichten zu überbringen hat – einen Kursrückgang, eine Sparwelle, gar Massenentlassungen – den Schock durch Vermeidung zu hoher Farbkontraste ein wenig abfedern. Schwarzweiß wie auf einer Beerdigung ist eher keine gute Idee, mittlere Töne aus der Blau- und Graupalette die bessere Wahl. Gäbe es beim Anzugdesign auch keine Nummer Sicher, so empfiehlt Motsch Unsicheren bei der Krawatte ein einfarbiges Modell mit leichter Struktur.

Überhaupt, die Krawatte: Sie ist ihr heimliches Steckenpferd. „Seien wir ehrlich: Die meisten Krawatten werden gekauft, weil sie farblich zum Anzug passt und weil sie der Ehefrau oder dem Verkäufer gefallen. Viel wichtiger ist aber, das perfekte Modell für den Gesichtsschnitt zu finden. Die Form der Augenbrauen ist wichtig, wie Augen, Nase und Mund zueinander stehen, die Kopfform …“ Bei einer Calmund-Statur plus Mondgesicht könne beispielsweise die richtige Streifenkrawatte Dynamik vermitteln, etwas gröbere Haut plus Bart mildert eine glatt glänzende Krawatte.

Etwas mehr Mut empfiehlt dagegen Lars Braun, Inhaber und Geschäftsführer von Herrenausstatter Braun aus Hamburg, den Top-Entscheidern. „Gerade erleben Motivkrawatten von früher ein kleines Revival, etwa Versaces Medusa-Design oder feine Klassiker von Hermès. ebenso Drucke aus den 1970er-Jahren. Nur bitte: Keine Golfspieler, Simpsons-Figuren und ähnliches.“

Comeback der Brauntöne

Dietrich Hildebrand
Dietrich Hildebrand

Auch Dietrich Hildebrand ist für einen modischen Gruß von gestern dankbar, denn Dank der Serie „Mad Men“ sind fast vergessene Brauntöne wie Mokka auf die Stange zurückgekehrt. „Die wirken im Business viel emphatischer als das ewige Grau oder Schwarz“, betont der Imageberater. Seine Favoriten: Feine, leichte und glatte „Ganzjahreswolle“ wie die 120er Cool Wool. Lars Braun achtet zudem auf körpernahe Schnitte und kürzere Sakkos. Außerdem sieht der Hanseat ein zaghaftes Comeback der Bundfalte voraus und toleriert im Sommer auch stumpfere Stoffe wegen der besseren Trageeigenschaften bei warmem Wetter.

In einem Punkt sind sich die Stilexperten jedoch einig: Vorstände sind keine „fashion people“. Es gehe nicht darum, Trends hinterherzulaufen oder topmodisch gestylt den Geschäftsbericht zu präsentieren, der etwas zu gelackte Brioni-Kanzler lässt grüßen. Nein, zeitgemäße, auf die Person hinter der Funktion justierte und perfekt geschnittene Garderobe (plus Haarschnitt!) – mehr wollen Braun, Hildebrand und Motsch gar nicht sehen.

„Schließlich machen sich die meisten Männer weit mehr Gedanken über ihr Auto, dessen Farbnuancen, Ausstattungsoptionen und Motorisierung“, sagt Lars Braun. „Doch sollte nicht das, was mir am nächsten ist – mein Hemd noch mehr als der Mantel am Haken – noch wertvoller sein?“ Er jedenfalls möchte am liebsten nie mehr Bilder von Politikern oder Wirtschaftslenkern erblicken, „bei denen eine Faust zwischen Kehlkopf und Kragen passt“. Und bloß kein „Kohl-Blau“, jener rauchblaue Ton, den der Ex-Kanzler berüchtigt machte. Nicht zu viel verlangt, oder?

Nicht immer, so die Erfahrung der Stil-Trainerin, sei es eine Hilfe, wenn die Gattin das Outfit-Shopping übernehme. „Eine Frau neigt dann manchmal dazu, sich mehr von Trends aus Magazinen denn von der Position, dem Körpertyp und eventuell zu kaschierenden Schwächen ihres Mannes leiten zu lassen.“

„reizend, nicht aufreizend“

Weiblichen CEOs rät Motsch zur Mode-Formel „reizend, nicht aufreizend“. Und ergänzt: „Achten Sie unbedingt darauf, nicht wie ihre eigene Assistentin zu wirken, wenn es schon das dunkelblaue Kostüm mit der weißen Bluse sein muss, dann sorgen Sie wenigstens mit Accessoires für den nötigen Bruch und eine Hierarchie-Note.“ Die Frage nach Rock oder Hose überlässt sie dagegen dem individuellen Stil. Da kann Dietrich Hildebrand nur beipflichten. Für ihn ist selbst ein schwarzer Hosenanzug kein No-go, wenn er einen aktuellen Schnitt hat. „Und ordentlich Biss fürs Business“. Weiblichkeit zulassen, weder maskenhaftes Make-up noch schrille Signalfarben – dafür aber Experimentierfreude mit gemusterten Blusen zum Tweedblazer, Jacken mit Rundausschnitt und elegantem Strick. Und, ja, Frauen täten sich mit geschmackvoller Garderobe viel leichter als die Herren. Ob da wohl eine Gen-Therapie hilft?

Zum Abschluss deutliche Worte zum Casual Friday in der Führungsetage. Ist Kundenkontakt zu erwarten, etwa in einer Bank, dann rät Motsch vom lässigen Wochenausklang ab. Für Topmanager sowieso. Wer lege sein Geld gern bei jemandem an, der schon modisch offensichtlich Fünfe gerade sein lässt? Volksnähe, da stimmen die Profis überein, verkörpere man nicht allein mit Jeans und Turnschuhen.

Und wer weiß, vielleicht kann Elisabeth Motsch bald die Herren vom Gate nach Verona nicht mehr vom Gate nach Berlin unterscheiden.

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