Wenn es nach Ihnen geht, werden Dax-Chefs bei Konferenzen in ein paar Jahren Sneaker tragen?
Schönberger: Ich hoffe, dass so viele Leute wie möglich Sneaker tragen. Ob in Dax-Konzernen ist eine andere Frage. Bei Mode bin ich sehr puristisch. Wenn jemand einen Anzug trägt, sollte er perfekt aussehen, mit den passenden Schuhen. Ich weiß nicht, ob Manager dann unbedingt im Anzug mit Sneakern da sitzen sollten. Aber klar: Eine etwas entspanntere Umgehensweise mit Dresscode wird unweigerlich mit einer jüngeren Generation auch in Dax-Konzernen Einzug halten.
Auch bei G8-Gipfeln trägt man neuerdings keine Krawatten mehr beim Gruppenfoto. Ein klarer Trend?
Trends kommen und gehen. Ich würde es eher als langfristige Entwicklung bezeichnen, die immer weiter gehen wird. Die alten Traditionen wie man sich anzuziehen hat, werden sich immer weiter auflösen.
Wie ist das bei Adidas – ebenfalls ein Dax-Konzern - trägt man da schon Sneaker in der Chefetage?
Absolut. Ein Grund warum ich zu Adidas gegangen bin, ist dass dort diese alten modischen Grenzen nicht mehr so bestehen. Das erste Mal als ich zu Adidas kam, zu meinem Vorstellungsgespräch, war ich extrem überrascht wie jung die Kultur dort ist. Man hat das Gefühl, man kommt auf einen Campus. Das hat schon eine andere Dynamik als bei einer Bank.
Adidas ist da wohl ein Ausnahmefall als Bekleidungskonzern. Woanders kommt es heutzutage nicht so gut an, wenn man zu modisch ist als Manager oder?
Was heißt modisch? Es gibt verschiedene Arten wie man sich ausdrückt. Von Prada, minimalistich und ruhig, bis hin zu Givenchy, wo es um Street Culture geht, sehr bunt.
In Chefetagen und in der Politik gibt es aber doch einen Hang zur Uniformität. Würden Sie Managern da empfehlen modische Farbtupfer zu setzen?
Man muss ja nicht zwingend den Paradiesvogel machen. Modisch bedeutet nicht unbedingt extrovertiert, farbenfroh...
Aber eben individualistisch...
Absolut. Ich glaube wie gesagt: Das ist eine Generationssache. Ich denke, dass die Generation Punk eine andere Kultur in Vorstandsetagen bringen wird, weil die anders aufgewachsen sind, mit Hippies, Punk und New Wave. Mit einer anderen Jugendkultur. Natürlich passt sich der Mensch mit den Jahren seiner Umgebung an. Aber ich denke das Individualistische wird modisch sichtbar werden in der Businesswelt.
Wie ist das, wenn man selber schon einmal ein erfolgreiches eigenes Modelabel hatte und dann zu einem Konzern geht - quasi vom Indidualismus rein ins Kollektiv? Ein ungewöhnlicher Weg, oft läuft es ja eher andersherum in der Wirtschaft...
Mein eigenes Label habe ich zwölf Jahre lang gemacht. Mode ist mit Rieseninvestitionen verbunden. Entweder man verkauft sich und verliert die Kontrolle oder man bleibt klein und kämpft bis man umfällt. Irgendwann dachte ich, ich fühle mich gut zu sagen: Jetzt was anderes! Es war für manche Leute überraschend, dass ich zu Adidas gegangen bin. Aber ich habe gesagt: Ich will zu einer Marke gehen, die eine Relevanz hat und zwar nicht nur in den Modeheften, sondern auch auf der Straße, mit einem Einfluss auf eine ganze Kultur. Es war am Anfang bei Adidas wie ein riesiger Süßigkeitenladen für mich, mit all den Möglichkeiten, die ich plötzlich hatte.
Das erzählen oft eher die Leute, die aus einem Konzern rausgehen und selbständig werden – dass sie die Fesseln sprengen und plötzlich machen können, was sie wollen...
Diese Leute müsste man dann aber auch nach fünf Jahren Selbständigkeit noch einmal fragen, ob es tatsächlich so ist.
Es ist im Modebereich vielleicht aber auch besonders hart...
Bei mir war der Schritt raus aus dem eigenen Label jedenfalls tatsächlich sehr befreiend.
Sie könnten sich nicht vorstellen, noch einmal zurück in die Selbständigkeit zu gehen?
Zurück? Weiß ich nicht. Ich könnte mir sicher vorstellen, noch einmal etwas mit meinem eigenen Namen zu machen.
Bekommen wir also ein weiteres Adidas-Label mit dem Namen S-3?
(lacht) Das ist überhaupt nicht angedacht, da möchte ich jetzt keine Gerüchte schüren. Es kann auch genauso gut irgendwann Möbel von mir geben.
Sportliche Möbel?
Müssen wir unserem CEO mal vorschlagen...
Kommen Sie denn überhaupt noch dazu, selber zu entwerfen? Wahrscheinlich haben Sie den Zeichentisch eingetauscht in einen Meetingtisch oder?
So ungefähr. Ich glaube aber, dass das bei vielen Leuten so ist ab einem gewissen Punkt. Natürlich hat sich meine Rolle verändert, ich komme kaum noch zum Zeichnen.
Sie sind auch sehr viel unterwegs. Wie oft sind Sie in China?
Drei bis vier Mal im Jahr.
Wie wichtig ist es heutzutage als Modedesigner den Geschmack der Chinesen zu kennen?
Natürlich schauen alle auf China. Amerika ist aber immer noch einer der wichtigsten Sportswear-Märkte. Und auch Europa, Krise hin oder her, ist nicht zu vernachlässigen.
Das neue Adidas-Label Neo ist aber stark auf Asien ausgerichtet...
Das ist der Grund warum das Team in Schanghai sitzt. Wir haben dort ein extrem großes Business aufgebaut. Da muss man dann die Kundenwünsche vor Ort sehr ernst nehmen.
Was sind denn die Unterschiede beim asiatischen Modegeschmack?
In Asien gehen die Leute anders mit Marken um. Wenn dort groß der Markenname draufsteht, dann reicht das oft schon. Natürlich gibt es dort auch andere Farbwünsche.
Wenn die Farbästhtetik in Asien anders ist und das irgendwann der größte Markt ist, bekommen wir dann hier Farben nach asiatischem Geschmack in der Mode?
Nein, wir haben dort auch nicht ein komplett anderes Angebot. Das wäre Irrsinn. Wir sind natürlich eine globale Marke. Aber wir schauen schon, dass wir ein regionales Angebot zusammenstellen, das Sinn macht.
Neo ist schon die fünfte Sub-Marke von Adidas. Kann man es auch irgendwann überreizen?
Absolut, aber ich glaube unsere Positionierung ist trotz mehrerer Kollektionen sehr klar. Ich bin verhältnismäßig brutal darin, dass wir da in einem gewissen Rahmen bleiben.
Es werden also nicht noch zwei, drei Labels dazu kommen?
Wir sind derzeit sehr zufrieden mit dem was wir haben. Wir müssen eher verfeinern. Es hilft nicht immer, noch etwas dazu zu machen. Sondern man sollte das, was man hat, fokussieren. Statt zum Beispiel zu glauben, wir können auch noch Haute Couture machen.
Dabei stammen Sie selbst aus der Haute Couture. Das wird also auf keinen Fall passieren?
Nein, das wird nicht kommen. Alles was Adidas macht, hat im Kern Sport. Von dort müssen wir immer kommen. Selbst bei Y-3, was zwar ready to wear ist, aber von dem Couturier Yamamoto kommt, steckt Sport drin.
Wie sehr muss man eigentlich Sportfan sein, um Turnschuhe zu designen?
Ich mag Sport. Denn ich mag Wettbewerb. Ich mag Leichtathletik, schaue gerne Fußball, auch wenn man das vielleicht nicht denken würde.
Bei Adidas sind Sie ja nicht für die so genannte Performance-Kleidung zuständig, also zum Beispiel für Trikotdesign.
Nein, das ist klar aufgeteilt.
Wie finden Sie denn die Fußballtrikots von Adidas?
Das ist eine gemeine Frage.
Nehmen wir mal das FC Bayern Trikot...
Das von der letzten Saison fand ich im positiven Sinne verstörend. Ungewöhnliche Farben. Ich fand das sehr gut, weil man das nicht direkt mit dem FC Bayern verbindet...
Die Trikots genügen also selbst dem Anspruch eines ehemaligen Couturiers...
Wir haben da auch Regeln, bestimmte Vorgaben wie wir mit Nationalmannschaftstrikots umzugehen haben, was wir dürfen und was nicht. Ich finde es immer sehr interessant, wenn man aus Sehgewohnheiten ausbricht und Dinge entwirft, die komplett anders sind als man erwartet.
Wie sehr sind Fußballtrikots ein Thema auf den Fluren bei Adidas?
Es gibt bei uns natürlich immer eine Diskussion. Auch über Trikots von anderen Marken, nach dem Motto: Das sieht schlimmer, das sieht besser aus.
Tauschen Sie sich viel mit dem Kollegen aus, der für das Design der Performance-Kleidung zuständig ist?
Da gibt es einen sehr regen Austausch. Wir bemühen uns, Adidas als eine Marke zu sehen.
Und dass mal ein ursprünglicher Couture-Mensch die Performance-Seite übernimmt? Denkbar?
Nee, da möchte ich erstmal gar nicht drüber nachdenken. Die Firma ist riesengroß, da ist es ganz gut, dass das aufgeteilt ist.
Sie sorgen für den Stil, Ihr Kollege für die Funktionalität...
So würde ich das nicht sagen. Man will heutzutage immer gut aussehen. Auch beim Sport.