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Hochwasserkatastrophe Solidarisch und günstig: Wie in Frankreich Elementarschäden versichert sind

Überflutungen in Passau
Hochwasser in Passau: Viele Hauseigentümer sind nicht gegen Elementarschäden versichert
© Sven Simon / IMAGO
Die Diskussion um eine Versicherungspflicht gegen Naturkatastrophen ist einmal mehr entflammt. Doch es gibt noch einen anderen Weg zu flächendeckendem Schutz: eine Elementarschadenversicherung nach französischem Vorbild  

Nur langsam weicht das Wasser aus den Flüssen und Kellern der Überflutungsgebiete in Bayern. Tausende Menschen haben ihr Zuhause sowie Hab und Gut verloren, mindestens sechs Menschen sind gestorben (Stand 7.6.). Die R+V Versicherung rechnet mit Schäden von mindestens 100 Mio. Euro – allein bei ihren Kunden. Das endgültige Ausmaß will auch die R+V noch nicht absehen, es wird aber vermutlich in die Milliarden gehen. 

Wie nach jeder Überschwemmung der vergangenen Jahre flammt, solange die Bilder noch frisch sind, die Diskussion um eine faire Verteilung der Kosten auf. Denn bei Großkatastrophen stellen die Länder und der Bund Hilfen für Betroffene bereit, doch eine nachhaltig verlässliche Regelung sind solche Ad-hoc-Hilfen nicht. Vor allem die Bundesländer fordern daher erneut eine allgemeine Versicherungspflicht gegen Elementarschäden die Private abschließen sollen, während die Versicherer und das FDP-geführte Bundesjustizministerium (BJM) diese ablehnen. Auch das Zentrum für Europäischen Versicherungsschutz (ZEV), ein von der Europäischen Kommission eingerichtetes europaweites Netz von Verbraucherschutzbüros, kritisiert den Vorschlag der Länder. Als Alternative plädierte das ZEV schon in einer im vergangenen November veröffentlichten Studie für ein System nach französischem Vorbild. 

Günstiger Versicherungsschutz in Frankreich

Im Nachbarland gibt es bereits seit dem Jahr 1982 ein erstaunlich günstiges und effektives System zur Absicherung gegen Elementarschäden: das „régime catastrophe naturelle“, kurz CatNatSystem. Der Schutz kostet die Franzosen im Schnitt nur 26 Euro pro Jahr und schützt 98 Prozent der Haushalte. Es zahlen nämlich alle, die eine Sachversicherung abschließen automatisch einen Anteil als Elementarschadenversicherung. Die Kosten tragen daher sowohl Hauseigentümer als auch Bewohnerinnen und Bewohner, die ihren Hausrat absichern.  

Dagegen ist hierzulande der Schutz eher löchrig. Insgesamt sind laut dem Gesamtverband der Versicherer lediglich 54 Prozent der Gebäude in Deutschland gegen Naturgefahren wie Hochwasser und Überschwemmung versichert. Und wer hier versichert ist, muss meist sehr viel tiefer in die Tasche greifen: Immobilieneigentümer in Deutschland können sich im Rahmen einer Feuergebäudeversicherung mit einem zusätzlichen Baustein gegen Hochwasserschäden absichern. Für ein Einfamilienhaus im Kölner Süden – wo eine Gefahr für Überschwemmungen durch den Rhein besteht – kostet diese Versicherung bei der HUK-Coburg in einer Beispielrechnung im Classic-Tarif rund 123 Euro jährlich. Wählt man zusätzlich den Elementarschaden-Baustein, der gegen Überschwemmungen und andere Naturgefahren absichert, steigt der Preis auf stolze 644 Euro im Jahr. Plus einer Selbstbeteiligung von 500 Euro im Schadensfall. 

Geheimnis der günstigen und flächendeckenden französischen Versicherung sind laut dem ZEV drei Punkte: Erstens solidarisch statt risikobasiert, zweitens Prävention und drittens ein starker Rückversicherer mit staatlicher Garantie.

#1 Solidarische Verteilung der Beiträge 

Zentrales Element des ersten Punktes ist die Verpflichtung, dass jede Sachversicherung, egal ob Hausrat, Wohngebäude oder Kfz auch den Schutz gegen Elementarschäden beinhalten muss. Der Elementarschadenschutz muss also in den Versicherungsangeboten mit abgebildet sein. Dies führt zu der hohen Versicherungsdichte, ohne dass Hauseigentümer zum Abschluss einer speziellen Elementarschadenversicherung sind. Eine solch hohe Dichte ist gleichzeitig Voraussetzung für den in Frankreich so niedrigen Durchschnittspreis von 26 Euro im Jahr für den Elementarschadenschutz. Den individuellen Betrag bestimmt ein einheitlicher, gesetzlich festgelegter Satz: jeweils zwölf Prozent der gesamten Versicherungsprämie für die Gebäude- und Hausratsversicherung kommen zusätzlich für Elementarschäden dazu. Bei Diebstahl und Feuer bei Kfz-Versicherungen sind es sechs Prozent. So sind in Frankreich fast alle Haushalte solidarisch gegen Naturkatastrophen versichert – egal ob sie in einem Risikogebiet leben oder nicht. Anders als in Deutschland ist die Versicherungsleistung so unabhängig vom persönlichen Risiko. 

Der ortsunabhängig einheitliche Tarif hat einen weiteren Vorteil: In Deutschland entscheiden sogenannte ZÜRS-Zonen (Zonierungssystem für Überschwemmung, Rückstau und Starkregen), über Risiko und damit über die individuellen Versicherungskosten. Es ist üblich, dass Versicherer ihren Kunden kündigen, falls die ZÜRS-Zone, in der sich das versicherte Objekt befindet, geändert wird. Das kann nach Naturkatastrophen passieren. Im französischen System kann das der ZEV-Studie zufolge nicht passieren. Dort müssen Versicherungsnehmer sich also keine Sorgen machen, nach einer Katastrophe in eine höhere Beitragsklasse zu rutschen oder gar ganz aus der Versicherung zu fallen. 

#2 Rückversicherer mit staatlicher Garantie

Das Elementarschadensystem in Frankreich ist ein Hybrid: Die Versicherungswirtschaft bietet die Tarife an, unterliegt dabei aber gewissen staatlichen Auflagen. Im Gegenzug garantiert der Staat den Versicherern eine starke Rückversicherung – mitsamt der Garantie, dass der Staat zur Not eingreift. Ein effektives Modell: Seit 1982 musste der französische Staat erst einmal unterstützen, das kostete insgesamt 263 Mio. Euro. Die Erfahrung zeigt, dass das aktuelle deutsche System den Staat keinesfalls entlastet. Denn auch ohne eine staatliche Rückversicherung muss die Bundesregierung eingreifen, wenn es hart auf hart kommt und die Menschen keine Versicherung haben. Das zeigte die Katastrophe im Ahrtal, für die der deutsche Staat 30 Mrd. Euro aus Steuermitteln aufgebracht hat. Und auch für die aktuellen Schäden hat Markus Söder Millionenhilfen versprochen. 

#3 Prävention

Der letzte Baustein des CatNatSystems ist die Prävention. Teile der Elementarschadenversicherungs-Beiträge fließen dafür in einen speziellen Fonds. Er hat ein Jahresbudget von 200 Mio. Euro und dient unter anderem der Vorbeugung vor Schäden durch Naturgefahren. Hausbesitzer oder Unternehmen können Gelder aus dem Fonds beantragen, um damit beispielsweise Hochwasserschutzdämme zu bauen. Denn angesichts zunehmender Extremwetter im Zuge der Klimakrise ist strukturelle Vorsorge mehr denn je der beste Schutz.

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