Derartige Teuerungsraten waren im wiedervereinigten Deutschland bislang unbekannt. Das Statistische Bundesamt meldete für das Jahr 2022 eine durchschnittliche Inflationsrate von 7,9 Prozent. Das war die höchste Teuerung seit der Wiedervereinigung im Jahr 1990. Mit Ausnahme des Jahres 1992, als der Wirtschaftsaufschwung die Inflation vorübergehend auf 5,1 Prozent hochgetrieben hatte, kletterte sie seither kaum je über zwei Prozent. Das hat sich nun schlagartig geändert. Für Verbraucherinnen und Verbraucher bedeutet die anhaltend hohe Inflation einen deutlichen Kaufkraftverlust.
Immobilienkreditnehmer können allerdings von der Geldentwertung profitieren: Steigt die Inflation nachhaltig und stärker als die vereinbarten Zinszahlungen ihres Darlehens, schrumpft der reale Wert des Finanzierungsbetrags. Ganz so einfach ist das Ganze dann aber doch nicht. Kreditnehmer müssen bei ihrer Baufinanzierung weitere Variablen berücksichtigen.
Einer der wichtigsten Faktoren: die Bauzinsen. Banken passen sie an die vorherrschende Geldentwertungsrate an. Das hat indirekt mit den Leitzinsen der Europäischen Zentralbank (EZB) zu tun. Die EZB hat ihre Leitzinsen bereits viermal in Folge angehoben, von 0,0 auf aktuell 2,5 Prozent. Das wirkt mittelbar auf die Pfandbriefzinsen und erhöht in weitere Folge die Refinanzierungskosten der Banken, die ihre Kosten an die Kunden weitergeben – etwa in Form höherer Bauzinsen. Tatsächlich sind die Bauzinsen bereits im Vorjahr stark angestiegen: Hatten Kredite mit zehnjähriger Sollzinsbindung zu Beginn des Jahres 2022 einen jährlichen Satz von ein Prozent, stehen sie aktuell bei 3,71 Prozent. Das zeigen Daten der Münchener Baufinanzierung Interhyp.

Bestehende Immobilienkredite mit variablen Zinssätzen profitieren dementsprechend weniger von einer hohen Inflation als etwa Annuitätendarlehen. Denn sie müssen die mit der Inflation steigenden Bauzinsen bezahlen. Gleiches gilt für Personen, deren Sollzinsbindung bald ausläuft: Auch sie müssen einen Anschlusskredit auf dem höheren Zinsniveau abschließen. Online-Bauzinsrechner von Interhyp oder Dr. Klein geben einen ersten Überblick, wie hoch die monatlichen Tilgungsraten im Einzelfall sein könnten.
Besser haben es all jene, die eine Sollzinsbindung zu vergleichsweise niedrigeren Konditionen besitzen. Sie bezahlen verhältnismäßig wenig für ihren Kredit und profitieren gleichzeitig von der außerordentlich hohen Inflation, da die Schulden real an Wert verlieren. Doch auch hier gibt es eine wichtige Bedingung: Die Einkünfte der Schuldner müssen an die Inflation angepasst werden. Wer keine Lohnerhöhungen bekommt und so sein Gehalt nicht an die Inflation anpassen kann, dem fällt es auch schwieriger, den Kredit abzubezahlen. Schließlich müssen Verbraucher mehr Geld für ihren Lebensunterhalt aufwenden. Wer unter einem realen Lohnverlust leidet, der profitiert auch kaum von schrumpfenden Kreditschulden – ein Nullsummenspiel.
Kaufinteressenten sollten Unterlagen bereithalten
Und was ist mit Kaufinteressenten? Sollen sie im aktuellen Zinsumfeld zuschlagen oder besser noch abwarten? Wie so oft: Es kommt darauf an. Denn die hohe Inflation und die damit einhergehenden gestiegenen Zinsen wirken sich auch auf die Immobilienpreise aus. „Nachdem wir in den vergangenen Jahren einen enormen Boom am Immobilienmarkt gesehen hatten, beobachten wir aktuell bei vielen eine abwartende Haltung“, sagt Mirjam Mohr, Vorständin für das Privatkundengeschäft bei Interhyp. Käufer seien nicht mehr bereit, jeden Preis zu zahlen, während Verkäufer nicht unter ihrem Angebot verkaufen wollten. „Eine neue Balance zwischen Angebot und Nachfrage muss sich erst noch einspielen“, sagt sie. „Aktuell sehen wir erste Preiskorrekturen, es bieten sich neue Chancen und Spielräume für die Preisverhandlung.“ Der Rat der Expertin: Unterlagen bereithalten. So können Interessenten im aktuell volatilen Umfeld schnell reagieren und auf mögliche Zinsdellen schnell reagieren.
Ob Käufer eher lange oder kurzfristige Zinsbindungen wählen sollen, könne man in der aktuellen Situation leider nicht pauschal beantworten, so die Expertin. Zwar bietet eine lange Zinsbindung Planungssicherheit, allerdings werden die Zinsen wohl nicht mehr so stark steigen wie im vergangenen Jahr. „Wir gehen derzeit von einer hohen Volatilität im Korridor von drei bis vier Prozent aus“, sagt Mohr. Am Ende kommt es dabei auf die weitere Inflationsentwicklung und die Reaktionen der EZB an.
Der für das Hauptrefinanzierungsgeschäft wichtige Leitzins beläuft sich aktuell auf 2,5 Prozent. Da die EZB weiterhin mit hohen Inflationsraten im Jahr 2023 und darüber hinaus rechnet, hat sie bereits weitere Zinsschritte angekündigt. Erwartet werden zumindest zwei Erhöhungen in den ersten Monaten dieses Jahres von jeweils einem halben Prozentpunkt. Die erste Leitzinssenkung könnte es einer EZB-Umfrage zufolge ab dem dritten Quartal 2024 geben. Derartige Prognosen sind angesichts zahlreicher Unwägbarkeiten allerdings mit Vorsicht zu genießen und nicht mehr als ein Blick in die Glaskugel.