Ohne geht es meistens nicht: Um sich den Traum vom Eigenheim verwirklichen zu können, müssen die meisten Immobilienkäufer einen Kredit in Anspruch nehmen. Bis vor wenigen Monaten war dieser fast zum Nulltarif zu haben. Doch mittlerweile sind die Bauzinsen als Folge der hohen Inflation um ein Vielfaches angestiegen. In der Spitze haben sie sich mehr als verdreifacht, dann gab es einen leichten Rücksetzer. Aktuell liegen die Bauzinsen für zehnjährige Darlehen wieder bei rund 3,6 bis über 4 Prozent.
Viele Marktteilnehmer gehen davon aus, dass der Trend erst mal weiter nach oben zeigen wird, zumal die Europäische Zentralbank (EZB) gerade den Leitzins um 0,25 Prozentpunkte auf 3,75 Prozent erhöht hat. Das bedeutet, dass Banken mehr bezahlen müssen, wenn sie sich Geld bei der EZB leihen – und diese Mehrkosten werden unter anderem in die Konditionen der Bauzinsen eingepreist. Parallel befeuern die Probleme im US-Bankensektor die Volatilität an den Finanzmärkten. „Bis Ende des Jahres wird es immer wieder signifikante Schwankungen in beide Richtungen geben, denn die Märkte sind nach wie vor nervös“, sagt Michael Neumann, Vorstandsvorsitzender des Kreditvermittlers Dr. Klein. „Temporäre Ausschläge können die Baufinanzierungszinsen auch deutlich über vier Prozent steigen lassen.“
Minimale Erhöhung mit großen Auswirkungen
Die Konsequenz steigender Bauzinsen: Der Weg in die eigenen vier Wände wird für viele immer schwieriger. „Immobilieninteressenten müssen feststellen, dass entweder die monatliche Rate deutlich höher ausfällt als vor dem Zinsanstieg oder die Kreditsumme kleiner“, sagt Neumann. „Für manch einen ist damit auch die Grenze der finanziellen Leistbarkeit erreicht und Wohneigentum unter den jetzigen Bedingungen nicht mehr möglich.“
Welche Auswirkungen bereits ein moderater Zinsanstieg hat, rechnen die Experten vom Vergleichsportal Check24 vor: Der Beispielrechnung liegen eine Laufzeit von zehn Jahren und ein durchschnittlicher Zinssatz von 3,31 Prozent zugrunde. Hier muss ein Kreditnehmer für eine Baufinanzierung in Höhe von 400.000 Euro und einer monatlichen Rate von 1770 Euro insgesamt 117.982 Euro an Hypothekenzinsen für das Darlehen zahlen. Würde sich der Zins auf 4,5 Prozent erhöhen, kämen weitere 41.593 Euro an Mehrkosten hinzu. Zudem würde die Monatsrate um 397 Euro auf dann 2167 Euro deutlich steigen.
Daran zeigt sich: Schon feine Unterschiede können einen hohen Kostenunterschied bedeuten. Kein Wunder also, dass die Zahl der Neuanträge für Baufinanzierungen bereits Ende 2022 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um mehr als 40 Prozent rückläufig war. Etliche Bauprojekte liegen erst mal auf Eis. Doch auch wenn die höheren Bauzinsen etliche Kreditnehmer in eine finanzielle Bredouille bringen dürften, besteht unterm Strich kein Grund für Schwarzmalerei, meint Neumann: „Größere Verwerfungen am Markt, zum Beispiel durch vermehrte Zwangsversteigerungen in Folge der höheren Finanzierungskosten, sehe ich nicht auf uns zukommen.“
Vorausschauend denken
Wer einen Baukredit erwägt, sollte verschiedene Angebote einholen und vorausschauend denken: „Langfristige Planung und Absicherung ist das Wichtigste bei Baufinanzierungen“, betont der Baufinanzierungsexperte. Er warnt davor, hier nur die ersten Jahre in den Blick zu nehmen. Kreditnehmer sollten weiterdenken und zukünftige Risiken schon jetzt minimieren, etwa durch eine längere Zinsbindung, einen Bausparvertrag oder eine höhere Flexibilität bei der Tilgungsrate.
Das gilt auch für den Fall, dass bereits ein Baukredit aufgenommen wurde und in naher Zukunft eine Anschlussfinanzierung notwendig wird. Vor dem Hintergrund vermutlich weiter steigender Bauzinsen kann es sinnvoll sein, sich die aktuellen Zinsen zu sichern. Dies ist mitunter sogar mehr als fünf Jahre vor Ablauf der Sollzinsbindung möglich – in Form eines sogenannten Forward-Darlehens. Unabhängig davon, ob es sich um einen geplanten oder bereits aufgenommenen Baukredit handelt, sollten Verbraucher aber immer eine Faustregel beherzigen, rät Neumann: „Die Monatsrate sollte etwa ein Drittel des monatlichen Haushaltsnettoeinkommens nicht übersteigen.“
EZB-Politik im Auge behalten
Auch wenn niemand mit Sicherheit wissen kann, in welche Richtung sich die Bauzinsen entwickeln werden, gibt es doch einige verlässliche Indikatoren zur Orientierung. Dazu zählen einerseits die allgemeine Konjunkturlage, Renditen für sichere Geldanlagen wie Langfrist-Anleihen und Pfandbriefe und die Nachfrage am Immobilienmarkt. Noch viel wichtiger ist allerdings die Zinspolitik der EZB. Die nächste Sitzung der europäischen Währungshüter soll am 15. Juni stattfinden. Sie könnte die achte Leitzinserhöhung in Folge bringen.