Den Deutschen sagt man nach, sie seien besonders gut organisiert und strukturiert. Alles verläuft hier mit einer gewissen Regelmäßigkeit und Planbarkeit. Schaut man sich indes einige Groß-Bauprojekte der jüngeren Vergangenheit an, muss man zwangsläufig an diesem Stereotyp zweifeln. Denn versprengt in Deutschland findet man sie: die Baukatastrophen "Made in Germany".
Insbesondere bei Großprojekten machen sich Fehler in der Planung oder Schlampigkeit bei der Umsetzung besonders stark bemerkbar. Die Kosten steigen um ein Vielfaches der ursprünglich geplanten Ausgaben und die Fertigstellung wird immer weiter nach hinten verschoben. Das kostet den Staat und somit die Steuerzahler Geld.
Entsprechend sorgen Negativ-Schlagzeilen, wie man sie regelmäßig etwa vom BER hört, für Empörung und schnell wird schlussgefolgert, dass man solche Projekte nicht der Politik überlassen solle. Doch gehen solche Prestige-Projekte immer in die Hose?
Eine 2015 veröffentlichte Hertie-Studie hat 170 Großprojekte seit dem Jahr 1960 auf Kostensteigerungen und Zeitverzögerungen bei der Fertigstellung untersucht. In der Studie sind neben Bauprojekten, auch Infrastruktur-, Rüstungs- und Energieprojekte berücksichtigt. Das Ergebnis ist ernüchternd. Um durchschnittlich 73 Prozent übersteigen die letztendlichen Kosten die geplanten Ausgaben. Bei Gebäudebau-Projekten waren die Kosten im Durchschnitt um 44 Prozent höher, bei Verkehrsprojekten betrug die Differenz etwa 33 Prozent.
Gemessen an der Kostensteigerung ist das Lkw-Mautsystem das größte Milliardengrab der in der Studie erfassten Projekte. Die letztendlichen Kosten betrugen das 11,5-Fache der ursprünglich angesetzten 6,9 Mrd. Euro. Den meisten sind aus der jüngeren Vergangenheit insbesondere die Hiobsbotschaften vom BER und der mittlerweile fertiggestellten Elbphilharmonie präsent. Hier einige der größten Bau-Flops:
Die größten Bau-Flops Deutschlands
Fertigstellung: 2010, Kosten: 77 Mio. Euro. Diese ursprünglichen Eckdaten für die Elbphilharmonie erwiesen sich schnell als reines Wunschdenken. Das Prestigeprojekt im Hamburger Hafen wurde schließlich Anfang 2017 eröffnet. Kostenpunkt: 865 Mio. Euro. Die Hamburger wissen ihre „Elphi“ trotzdem – oder gerade deswegen – sehr zu schätzen.
Womit hat das Willy Brandt verdient? Der dem Altkanzler „gewidmete“ Flughafen Berlin Brandenburg wächst sich zum Bauschreck ohne Ende aus. Der Flugbetrieb sollte im Juni 2012 starten. Aktuell wird vorsichtig das Jahr 2020 angepeilt. Beim ersten Spatenstich 2006 war von Baukosten in Höhe von 2 Mrd. Euro die Rede. Heutige Prognose: Mehr als 7 Mrd. Euro.
Der Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofs in einen unterirdischen Durchgangsbahnhof geht schon jetzt in die Flop-Annalen ein. Am 2. Februar 2010 begannen die Bauarbeiten. Die Inbetriebnahme war für Dezember 2019 geplant. Aktuell wird der Start für 2025 anvisiert. Die Kosten haben sich seit dem Baubeginn in etwa auf 8,2 Mrd. Euro verdoppelt.
Es gilt als eine der größten deutschen Investitionsruinen. Das Kernkraftwerk in Kalkar am Niederrhein kostete am Ende 7 Mrd. D-Mark – viermal so viel wie ursprünglich veranschlagt. Das Geld war zum Fenster hinausgeworfen. Der „Schnelle Brüter“ wurde 1985 fertiggestellt, ging aber nie in Betrieb. Dafür sorgte auch die Katastrophe von Tschernobyl 1986. Heute befindet sich auf dem Gelände ein Freizeitpark.
„Ich brauche keinen pompösen Lebensstil“, beteuerte 2011 der Limburger Bischof Tebartz-van Elst. Die Kostenexplosion beim Ausbau seiner Bischofsresidenz schien eine andere Deutung zuzulassen. Das ursprünglich auf 1 Mio. Euro taxierte Bauprojekt verschlang am Ende 31 Mio. Euro. Für Dekorationswünsche des Bischofs musste das fertige Dach aufgeschnitten werden, Wohnräume wurden in den Fels gefräst. Am 23. Oktober 2013 entband der Heilige Stuhl den umstrittenen Bischof von seinen Pflichten – und berief ihn im Jahr darauf auf einen hohen Posten in den Vatikan.
Schon wieder Hamburg und dieses Mal sogar mit Ansage: Im Februar 2018 wurde bekannt, dass die Sanierung der zweiten Röhre des Alten Elbtunnels deutlich teurer wird als geplant. Eine fast schon gute Tradition. Bereits die noch laufende Instandsetzung der ersten Röhre hatte enorme Preissteigerungen gebracht. Die Sanierung beider Röhren wird laut NDR nach derzeitiger Schätzung rund 120 Mio. Euro kosten. Zu Beginn des Projekts sei von insgesamt rund 16 Mio. Euro die Rede gewesen.