Staatsbesuch mal anders: Angela Merkel ist in Brasilien angekommen, genau genommen in der Umkleidekabine der deutschen Fußballnationalmannschaft. Das Bild zeigt die Kanzlerin nicht mit der brasilianischen Präsidentin Dilma Rousseff – die sie am Rande der Spiele ebenfalls getroffen hat –, sondern strahlend im Kreis von Lukas Podolski, Thomas Müller und Philipp Lahm. Brasilien steht derzeit ganz im Zeichen der Fußballweltmeisterschaft.
Investoren hoffen, dass die WM die brasilianische Wirtschaft ankurbelt und den lokalen Aktienmarkt stützt. Tatsächlich ist der Aktienindex MSCI Brazil seit Mitte März kräftig gestiegen. Der Effekt von Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen auf die Konjunktur eines Landes ist allerdings umstritten. Aktienmarktrallys im Rahmen solcher Großereignisse erwiesen sich in den vergangenen Jahren meist als Strohfeuer. Betrachtet man Brasilien nüchtern, zeigt sich das Bild eines Landes, das mit vielen Problemen kämpft. Ob es sie bewältigen kann, muss sich noch zeigen.
Investitionen in die Infrastruktur
Die sozialen Unruhen im Vorfeld der Fußball-WM in Brasilien sind Ausdruck einer schon länger schwelenden Unzufriedenheit. Eine Dekade lang galt das Land als Wirtschaftswunderkind unter den Schwellenländern, die Konjunktur boomte, die Armut lag auf einem historischen Tiefstand. Im Jahr 2011 kam die Wende: Das BIP-Wachstum fiel von rekordverdächtigen 7,5 Prozent auf gerade einmal zwei Prozent im Schnitt der vergangenen drei Jahre, die Inflationsrate stieg auf derzeit knapp sechs Prozent. „Niedrigere Rohstoffpreise und ein zunehmender Vertrauensverlust bei ausländischen Investoren zeigen, dass die Nachhaltigkeit des konsumorientierten brasilianischen Wachstums beschränkt ist“, sagt Christoph Witte, Deutschland-Direktor des belgischen Kreditversicherers Credimundi.
Investmentgesellschaften gehen davon aus, dass sich die Lage in absehbarer Zeit verbessern wird. Sie begründen das vor allem mit Infrastrukturprojekten im Land. Bis zum Jahr 2017 will Brasilien rund 560 Mrd. Dollar in den Ausbau von Flughäfen, Straßen, Häfen und Pipelines investieren, berichtet die österreichische Fondsgesellschaft Erste Asset Management. Die ausländischen Direktinvestitionen dürften im Zuge des Infrastrukturausbaus deutlich anziehen. Auch die anstehenden Parlamentswahlen schüren die Hoffnung, dass es wirtschaftlich bald wieder aufwärts geht. „Ein Regierungswechsel nach den Wahlen im Oktober wäre ein positiver Schock für die Märkte“, ist Markus Ackermann überzeugt, Schwellenländerspezialist von HSBC Global Asset Management.
Vorsicht bei Aktien
Noch ist das Zukunftsmusik. Privatanleger tun gut daran, vorsichtig zu bleiben und brasilianische Aktien höchstens als Beimischung einzusetzen. Bei Publikumsfonds zeigt sich, wie stark ein Investment in den brasilianischen Aktienmarkt schwanken kann: In den vergangenen drei Jahren verloren Fonds, die in brasilianische Aktien investieren, im Schnitt rund fünf Prozent jährlich an Wert, zeigen Zahlen der Fondsratingagentur Morningstar. Keins der Produkte, die für deutsche Privatanleger erhältlich sind, schaffte in diesem Zeitraum ein Plus. Auch auf Sicht von einem Jahr lagen bis vor kurzem noch alle Fonds im Minus. Im laufenden Jahr schafften sie bislang ein Plus zwischen vier und 15 Prozent – mit Ausnahme eines Fonds der brasilianischen Gesellschaft Votorantim, der immer noch im Minus ist.
Manche brasilianischen Unternehmen könnten sogar kurzzeitig unter der Fußball-WM leiden, warnt Daniel Isidori, Fondsmanager der britischen Gesellschaft Threadneedle. „Gewisse Branchen wie Fluggesellschaften und Einzelhändler könnten negativ betroffen sein, weil die Menschen lieber vor ihren Fernsehbildschirm bleiben“, meint er. Im Grundstoff-, Energie- und Finanzsektor dagegen fänden Anleger derzeit potenziell vielversprechende Aktien, sagt HSBC-Schwellenländerspezialist Ackermann. Brasilianische Banken profitierten unter anderem von steigenden Zinsen und seien breiter aufgestellt als vor einigen Jahren. Investoren sollten am brasilianischen Aktienmarkt jetzt am besten in sorgfältig ausgewählte Einzeltitel investieren, rät Ackermann. Für Privatanleger eignen sich diversifizierte Aktienfonds indes eher als Einzeltitelinvestments.