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Geldanlage Warten auf höhere Zinsen

Früher oder später werden sich Notenbanken zu höheren Zinsen durchringen. Für Anleger ist das eine Chance auf mehr Rendite. Von Nadine Oberhuber
Irgendwann kommt die Zinswende, wie reagieren dann die Kurse?
Irgendwann kommt die Zinswende, wie reagieren dann die Kurse?
© Getty Images
Geldanlage: Warten auf höhere Zinsen

Nadine Oberhuber ist Wirtschafts- und Finanzjournalistin. Sie schreibt auf Capital.de über Geldanlagethemen

Es ist ein bisschen wie beim Mikado, wo sich nichts bewegen darf, aber trotzdem jeder drauf wartet, dass einer endlich zuckt. Wer also bewegt sich als Erster: die Fed? Die Bank of Japan? Oder doch die EZB? Eines ist jedenfalls klar, die Niedrigzins-Ära wird nicht ewig Bestand haben. Es könnte sein, dass ihre Tage schon gezählt sind, jetzt, wo wir uns eingebildet haben, wir hätten uns langsam an sie gewöhnt. Aber was kommt dann? Und wie sollten sich Anleger für die neue Zeit steigender Zinsen wappnen – außer abzuwarten?

Am Anfang wollte niemand wahrhaben, dass die Renditen für Sparer nach der Finanzkrise so schnell und tief abstürzen würden. Zinsen von vier bis fünf Prozent waren Anleger bis dahin selbst bei der risikofreien Geldanlage gewohnt. Alle gingen davon aus, dass diese Höhe auch normal sei. Dann waren plötzlich die Nullzinsen da. Und alle hofften, sie würden schnell wieder steigen. Deshalb taten die meisten erst einmal nichts und horteten weiterhin ihr Geld auf dem Tagesgeldkonto.

Nun hält die zinslose Phase bereits seit rund vier Jahren an, und zuletzt haben sich viele Finanzexperten bemüht, uns an den Gedanken zu gewöhnen, dass die Nullzinsen die neue Normalität seien. Eine Rückkehr zur Hochzinsphase werde es wohl so bald nicht geben. Die beste Alternative lautet daher: Kauft Aktien. Und schon kommt wieder alles anders. Vielleicht bleiben die Zinsen noch ein wenig im Nullzinsbereich. Doch bevor wir uns wirklich daran gewöhnt haben, könnten die Zinsen auch schon wieder steigen. Diesmal wirklich. Und was dann?

Notenbanken erwägen Zinserhöhungen

Angekündigt hatten Finanzmarktbeobachter die nahende Zinswende zuletzt mehrfach. Passiert ist bisher nichts. Auch in der vergangenen Woche rangen sich die Entscheider der Notenbanken in Washington und Tokio noch nicht zu einer Erhöhung durch. Die Bank of Japan gönnt sich noch etwas Zeit und will weiterhin neue Liquidität in den Markt pumpen. Sie hatte aber bereits Ende September eine Neuausrichtung ihrer Geldpolitik angekündigt und erklärt, die Rendite ihrer Staatsanleihen hochzuhieven, von unter Null Prozent auf Null Prozent.

Auch die amerikanische Fed bewegt sich derzeit nur wegen der bevorstehenden Präsidentenwahl nicht. Eine Zinserhöhung im Dezember aber scheint bei ihr so gut wie ausgemacht. Und bei der Bank of England zeichnet sich ab, dass sie den Zins wenigstens nicht weiter senken muss, wie bisher befürchtet. Denn die Wirtschaftsdaten des Königreichs sind trotz Brexit-Votum stabil, was viele nicht geglaubt hatten. Zinssenkungen sind also nicht mehr das Gebot der Stunde. Vielerorts ziehen Notenbanker jetzt tatsächlich Zinserhöhungen in Betracht.

Es gibt auch noch einen anderen Grund, der gegen weiter sinkende Leitzinsen spricht: Die Notenbanken haben mit den Zinssenkungen ihr Pulver verschossen und sehen das anscheinend auch langsam ein. Ihre expansive Geldpolitik, mit der sie Milliarden in die Finanzmärkte gepumpt haben, hat so gut wie nichts gebracht. Zumindest nicht den erhofften Impuls für Wachstum, Konsum und Konjunktur, den sich viele davon versprochen hatten. Statt die Bürger und Betriebe zum stärkeren Geldausgeben zu verleiten, haben die unverdrossen weiter gespart und das zusätzliche Geld eher in Aktien, Wertpapiere und Immobilien gesteckt. Das hat zwar in vielen Bereichen der Finanzindustrie zu enormen Preissteigerungen geführt und Marktbeobachter dazu veranlasst, schon seit Längerem vor diversen Spekulationsblasen zu warnen. Doch die Gesamtwirtschaft ist dadurch nicht nennenswert beflügelt worden, weil das Geld gar nicht wirklich bei ihr ankam. Das wird nun zunehmend zum Problem. Denn platzt eine der Spekulationsblasen irgendwann oder sogar mehrere, bedeutet das für nicht-robuste Volkswirtschaften ein Riesenproblem.

Abkehr von der Sparpolitik

Deshalb hilft nur eins, sagen immer mehr Notenbanker jetzt deutlich: Die Fiskalpolitik muss wieder aufs Geldausgeben umgestellt werden. Die Staaten müssen also in ihre Haushaltskassen greifen und mit ihren Steuergeldern allerlei Infrastrukturmaßnahmen finanzieren, neue Straßen, Brücken oder Gebäude bauen und in Gesundheits- oder Bildungseinrichtungen investieren. Passiert das im großen Stil, dann profitieren viele Bauunternehmen und die begünstigten Branchen davon. Und letztlich die Gesamtwirtschaft. Nur eine brummende Volkswirtschaft wäre auch halbwegs gewappnet gegen künftige Finanzmarktschocks.

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Und nur das Wachstum brächte auch die steigenden Zinsen zurück. Denn mit steigender Nachfrage würden die Preise steigen und damit kehrt auch die Inflation wieder, auf die viele Notenbanker schon lange warten. Nur die Geldentwertung nämlich sorgt dafür, dass Staaten und Unternehmen ihre gewachsenen Schulden schneller tilgen können. Zuletzt legte die Verschuldung in vielen Ländern schneller zu als die Produktivität, was auf Dauer gefährlich ist. Die Schulden müssen also runter, die Inflation muss her und wegen der Inflation müssten die Notenbanken dann auch wieder die Zinsen anheben, damit die Geldentwertung nicht gar zu schnell voranschreitet. So sähe die optimale Strategie aus.

Ob das nun tatsächlich alles so kommt, ist die spannende Frage. Aber es müsste doch ein großer Grund zur Freude für Anleger sein, wenn die Zinsen wirklich steigen, oder? Die Antwort lautet: Teils teils. Denn ungefährlich ist das alles natürlich nicht, weder für die überschuldeten Staaten (die dann mehr Zinsen für ihre Schulden zahlen müssten), noch für die Anleger. Denn ein bisschen Inflation ist gut, aber zu viel Inflation bringt wieder alles ins Wanken. Manche Finanzexperten warnen schon jetzt davor, dass die Notenbanken daran scheitern könnten, die Inflation rechtzeitig wieder einzudämmen, wenn sie denn einmal entfesselt sei. Und dass die enorme Geldmenge, die dort draußen herumwabert dann zu einer galoppierenden Geldentwertung führen würde. Das vernichtet dann Spargelder im großen Stil, denn dass die Sparzinsen bald im gleichen Maße davon galoppieren, glaubt derzeit wohl keiner.

Strategien für Anleger

Die Angst vor dem großen Anleihencrash ist ebenfalls da. Sobald die Notenbanken ihre gigantischen Anleiheaufkaufprogramme einstellen werden, wird die Nachfrage nach den Bonds sprunghaft sinken. Ihre Kurse auch. Auch Versicherungen und Pensionsfonds, die Anleihen derzeit massenhaft kaufen, weil sie einerseits sicherheitsorientiert anlegen müssen und andererseits auf deren anhaltende Kurssteigerungen hoffen, werden sich dann von den Papieren trennen. Das könnte die Kurse der älteren Anleihen mächtig ins Rutschen bringen, obwohl die Zinsen für neue Papiere steigen. Wer also zurzeit niedrig-verzinste Anleihen hält, weil er auf deren steigende Kurse setzt, so wie es zuletzt immer mehr Käufer taten, der ist schlecht beraten.

Die bessere Strategie für Anleihenkäufer scheint derzeit zu sein: Warten, bis bei neuen Anleihen wieder höhere Zinsen aufgerufen werden. Oder auf fallende Anleihenkurse setzen. Das geht zum Beispiel mit einem der Indexfonds, die vom Preisverfall der Governmentbonds profitieren, solche ETFs gibt es etwa von Comstage, Lycor, Amundi oder der Deutschen Bank.

Eine Anlageform erhält überdies derzeit neuen Auftrieb und könnte lukrativ sein, wenn wirklich passiert, was viele befürchten und die Inflation sprunghaft steigt: Inflationsindexierte Anleihen sichern Sparer genau gegen dieses Ereignis ab. Sie garantieren ihnen nämlich neben dem Zins auch einen Inflationsausgleich, der sich an der tatsächlichen Geldentwertung bemisst. Der Kupon ist fix und wird mit dem Inflationskoeffizienten multipliziert, wenn es zur Rückzahlung kommt. Je höher dabei die Geldentwertung ausfällt, desto größer ist auch der Renditeaufschlag, den ein Anleger damit einstreichen kann.

Vorsicht aber, denn solche Produkte sind nicht unkompliziert und sie rechnen sich nur, so lange die tatsächliche Inflation höher ausfällt als angenommen. Bleibt die große Geldentwertung aus – oder herrscht gar Deflation – gewinnt der Sparer mit solchen Inflationsanleihen nicht. In dem Fall würde sich ein normales Zinsprodukt für ihn mehr auszahlen. So oder so heißt es momentan aber erst einmal: Abwarten, welche Notenbank als Erste zuckt.

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