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Christoph Bruns Was hinter der Kursrally am Anleihemarkt steckt

Christoph Bruns
Christoph Bruns
© Lyndon French
Wird die EZB schon bald die Leitzinsen senken? Immer mehr Marktteilnehmer glauben an ein solches Szenario. Die Anleihekurse an den Rentenmärkte streben daher aufwärts

An den Zins- und Währungsmärkten hat der Wind in den letzten Wochen gedreht. Die Angst vor historisch normalen Zinsen ist der Hoffnung auf die Rückkehr einer neuen Niedrigzinsphase gewichen. Angesichts der jüngsten Inflationszahlen für die Eurozone in Höhe von 2,4 Prozent beziehungsweise 3,2 Prozent in Deutschland bei gleichzeitigem Rückgang der Wirtschaftsleistung geht eine zunehmende Zahl von Marktbeobachtern davon aus, dass die Europäische Notenbank bereits in den nächsten Monaten – also noch vor der amerikanischen Fed – beginnen wird, die Leitzinsen zu senken.

An den Rentenmärkten legten daraufhin die Anleihekurse stark zu und die Renditen sanken entsprechend deutlich. Deutsche zehnjährige Staatsanleihen, die noch vor wenigen Wochen eine Rendite von fast 3 Prozent abwarfen, stiegen um circa 6 Prozent und erbringen aktuell nur noch eine Rendite von 2,28 Prozent. Auch der Rentenmarktindex REXP liegt jetzt seit Jahresanfang im Plus, sodass ein zweites negatives Anleihejahr nach 2022 wohl vermieden werden kann.

Für die Entwicklung der Währungskurse ist die Zinsentwicklung ebenfalls von großem Belang. Die Aussicht auf ein Voranpreschen der Europäischen Zentralbank bei etwaigen Leitzinssenkungen hat dem Euro zuletzt zugesetzt. Besonders spannend ist freilich die Situation beim japanischen Yen, denn Nippon hat bislang ungeachtet der weltweiten Tendenzen beharrlich an seiner Nullzinspolitik festgehalten. Steigende Zinsdifferenzen gegenüber Dollar, Euro und Pfund hatten dem Yen-Kurs in den vergangenen Monaten erheblich zugesetzt und zugleich der japanischen Exportwirtschaft ordentlichen Rückenwind verschafft. Noch vor zwei Jahren wurden 130 Yen pro Euro an den Devisenbörsen gefordert, während der Kurs heute bei 156 Yen pro Euro liegt und noch vor drei Wochen bei 164 stand. Mit dem begonnenen Zusammenschmelzen der Zinsdifferenzen deutet sich an, dass die japanische Landeswährung gegebenenfalls gehöriges Aufwärtspotenzial besitzt.

Europa im Windschatten der US-Börsen

Zu einem Aufatmen haben die Renditerückgänge vor allem auch am Immobilienmarkt geführt. Kaum ein Sektor leidet mehr unter normalisierten Zinsen als die Bauwirtschaft. Allerdings werden sinkende Hypothekenzinsen nicht ausreichen, um den Wohnungsbau in Schwung zu bringen. Solange Bauen und Vermieten sich nicht lohnt, werden private Investitionen mau bleiben. 

Schnellere Wirkung haben die Renditerückgänge eindeutig am Aktienmarkt entfaltet. Alten Zusammenhängen folgend sprangen die Eigenkapitalmärkte kräftig an, um dem Jahr 2023 ein sportliches Finale zu bescheren. Einmal mehr gaben amerikanische Aktien die Richtung vor und fanden große Gefolgschaft unter den europäischen Börsen. Dass dabei der Dax-Index besondere Avancen aufwies, ist unter anderem auch der Aussicht auf zunehmend unvermeidlich wirkende wirtschaftsfreundliche Reformen zu verdanken. Angesichts der offenbaren Parallele zu den ersten zwei peinlichen Jahren der Regierung Schröder/Fischer wächst an der deutschen Börse die zarte Hoffnung auf eine neue „Agenda 2010“. 

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